Ein Mikrokratzer mit fein retuschierten Arbeitsende

Begonnen von thovalo, 30. Oktober 2015, 22:10:32

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thovalo


Die Mikrokratzer aus kleinformatigen Abschlägen (unter 3 cm) sind auf dem großen Gesamtfundareal am rechten Niederrhein in bemerkenswerten Umfang vertreten.

Dieses weißlich patinierte Exemplar mit extrem feiner Retuschierung des Funktionsendes fand sich am vergangenen Wochenende.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Merle2

Hallo Thomas :winke:,,
könnte der Kleine nicht auch aus dem Mesolithikum stammen?
Viele Grüße Marc

thovalo


Hallo Marc!

Das ist am Fundort insgesamt komplex verrückt!

Das Fundgelände umfasst ca. 80 Hektar geschlossener Grundfläche. Der Ort befindet sich an einem erst durch die jetzt im 14ten Jahr systematisch durchgeführte archäologische Prospektionen registrierten Flussübergang.

Dieser Ort diente dem Transfer von Silices aus der Maasregion in Richtung der Mittelgebirge.
Die neolithische Besiedlung beginnt Mitte des 5. Jahrtausends und endete ...... anscheinend erst im Übergang zur reinen Metallzeit  .....

Der Ort ist der bislang einzige im Rheinland, der ein massives neolithisches Fundaufkommen auch aus der Zeit nach der jungneolithischen "Michelsberger Kultur" überliefert, also für die Zeit des Spätneolithikums. Für diesen Zeitabschnitt sind solche "Mikrokratzer" charakteristisch und sie finden sich hier bei jeder Begehung. Inzwischen sind es einige hundert Exemplare.

Das Mesolithikum hat am Ort einen (bislang) nur geringen Fundniederschlag, vermutlich weil die Schichten mit mesolithischen Einlagerungen noch nicht angegriffen sind.

Das Fundgelände wurde im vergangenen Jahr komplex geologisch untersucht und es wurde überraschend fest gestellt, dass es sich um eine unverändert erhalten gebliebene glaziale Bodenbildung handelt. Dieser spezifische Ort ist nie einer "Flusslaufbegradigung" zum Opfer gefallen und damit zugleich auch ein wichtiges Naturdenkmal.

Es laufen vielseitige Untersuchungen und Projekte des LVR und der DFG um das Gelände insgesamt als Boden- und Naturdenkmal zu sichern.


Die "Mikrokratzer" sind im Grunde zeitlos und wurden schon in der Altsteinzeit verwendet ...... es weiss nur Niemand konkret wofür!
Der Bedarf dafür muss im späten Neolithikum am rechten Niederrhein besonders hoch gewesen sein.
Daneben treten die hier gleichfalls enorm häufig gefundenen Pfeilschneiden, die mit zum "Set" des späten Neolithikums gehören.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Merle2

Hallo Thomas  :winke:

vielen Dank für deine ausführliche Antwort. Ich bin echt begeistert wie du (auch in anderen Posts) so klar und differenziert Auskunft geben kannst; mich hat schon immer interessiert wie man bei einem Kratzer so klar sagen kann welcher Zeitstellung er zugeordnet werden kann und auch in letzter Zeit diverse Kratzer gefunden, ebenfalls sehr kleinformatige; das es sich hier um charakteristische Artefakte des Spätneolithikums handelt hilft mir bei der zeitl. Einstufung der Fundplätze. DA ich erst seit Anfang des JAhres im Münsterland suche/ wohne musste ich mich erst an die regionalen Typen und Gegebenheiten anpassen. Ganz herzlichen DAnk für die Hilfe
Viele Grüße und gut Fund
MArc :winke:


thovalo

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.