KENNZEICHEN eines Flintgerätes !!

Begonnen von agersoe, 11. November 2006, 15:35:18

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Der Wikinger


Hallo Leute !!  :-)

Hier mal eine kleine Anleitung, wie man ein Menschengemachtes Flintgerät erkennt !!

Dieser Beitrag nicht um die Experten, die das alles schon wissen, zu beleidigen, sondern als

Anleitung für Neulinge zu sehen !!
Flinttechnologie und die Terminologie !!

Die verlinkten Bilder nach imagehack.com wurden entfernt > tote bzw. broken Links
Der Kern:


Der Kern:

1. Schlagfläche, 2. Schlagflächenrand, 3. Abbaufläche, 4. Lateralfläche, 5. Kiel, 6. Vorderseite, 7. Rückseite, 8. Kernscheibe



Die Klinge:


Die Klinge:

1. Proximalende, 2. Schlagflächenrest, 3. Lippe, 4. Lateralkante, 5. Grat, 6. Bulbus, 7. Schlagnarbe, 8. Lanzettsprünge, 9. Wallnerlinien, 10. Distalende


NB: Die Kennzeichen bei den Klingen sind auch auf simplen Abschlägen und Scheiben zu sehen, und sind damit die ersten Kennzeichen eines menschengemachten Gerätes.
Dazu kommen beim fertigen Gerät verschieden Formen von Retuschen, Einkerbungen, sekundären Abschlägen usw.

Dies als eine ganz grundlegende und erste Anleitung zu den Kennzeichen der Flintgeräte:

Ich hoffe sehr, das viele hier beitragen werden mit weiterer Information, und Beispielen, wo man die Kennzeichen sehen kann.  :winke:

Der Wikinger

Die Retusche

Hier ein bisschen zu den Retuschen auf Feuersteingeräten.

Viele Geräte aus Klingen, Abschläge und Scheiben sind mit Retuschen versehen.
Man kann sich sehr leicht täuschen, denn das Verschlagen gegen andere Steine, gegen den Pflug u.ä, kann "falsche" Retuschen erzeugen.
Eine Menschengemachte Retusche ist jedoch regelmässig, das ist der wichtigste Unterschied.

Es gibt verschiedene Arten der Retuschen.
(Ich verwende meine Ausdrücke für die verschiedenen Sorten von Retuschen, weil ich denke sie sind leicht verständlich, es gibt sicherlich andere Ausdrücke dafür!)


Hier die Arbeitsgebiet-Retusche:

Der Scheibenschaber ist retuschiert worden, um eine steile Kante (ein Arbeitsgebiet) zu erzeugen, die sehr gut kratzt.




Diese Klingenschaber und der Löffelschaber (rechts) haben alle oben Arbeitsgebiet-Retuschen.





"Fingerschutz-Retusche"

Das Klingenmesser hat eine "Fingerschutz-Retusche"  (oben), das Arbeitsgebiet ist die scharfe Schneide (unten).





Formgebungs-Retusche
Bei der Formgebungs-Retusche handelt es sich um einen Abbau, um die erwünschte Form des Gerätes zu erzeugen.

Bei diesem Scheibenbohrer hat man mit Retuschen von beiden Seiten die Form der Spitze erzeugt.




Bei diesen Pfeilspitzen ist auch die Formgebungs-Retusche verwendet worden, teils um oben eine Spitze zu machen, teils um unten eine Schäftungsbasis zu erzeugen.




Vollretuschierter Schaber, oben die Arbeitsgebiet-Retusche, auf den Seiten, Formgebungs-Retusche und Hand- / Fingerschutzretusche zugleich.





Weiterverarbeitungs-Retusche

Bei den "Sticheln auf Retusche" ist die Retusche nur deshalb gemacht, um den richtigen Winkel für den darauffolgenden Stichelschlag (links) zu erzeugen.




(Zeichnungen aus Peter Vang Petersen: Flint fra Danmarks oldtid)        :winke: :winke: :winke:


Khamsin

#3
Salaam!

Als Ergänzung zu dem von agersoe dankenswerterweise eröffneten thread zur Technologie, Typologie und Terminologie scheint mir ein ergänzender Beitrag zur Technologie sinnvoll. Denn die Artefakte zu "lesen", ist ja nur eine -wichtige - Sache. Eine zweite und genau so wichtige ist, zu wissen, wie, d.h. mit welchen Techniken und Methoden, man damals Steinartefakte hergestellt hat.

Bevor ich mich den Techniken/Methoden im einzelnen zuwende, halte ich es aber für unbedingt angebracht, grundlegende Informationen zum Ausgangsmaterial selbst, d.h. den wichtigsten Gesteinsarten, zu liefern. Dabei beschränke ich mich auf Europa, wobei mir fallweise Abstecher in weit entfernte Gebiete verziehen werden mögen.

Steinzeit oder Holzzeit?

Vorab noch ein - auf den ersten Blick skurriler - aber zutreffender Hinweis: Die Einteilung der Urgeschichte in Epochen, so auch die Steinzeit, geschah im 19. Jahrhundert. Völlig nachvollziehbar zog man dafür seinerzeit die gefundenen Artefakte heran. Aus der Steinzeit - als längstem Abschnitt der Menschheitsgeschichte - sind das eben zumeist Steinartefakte, und so erhielt diese Epoche ihren Namen. Das erklärt sich natürlich dadurch, dass Steine selbst über Jahrhunderttausende kaum verwittern, und sich deshalb gut erhalten.

Aber nun kommt es: Wenn die Erhaltungsbedingungen für die in der Steinzeit ebenfalls nachweislich verwendeten organischen Rohstoffe genauso wären, wie für die Steine, dann müsste die Steinzeit konsequent "Holzzeit" genannt werden.
Verrückt, ja, aber es spricht alles dafür, dass Holz schon seinerzeit das am häufigsten verwendete Rohmaterial war! Aber nun zurück zum eigentlichen Thema.

In der Steinzeit verwendete Gesteinarten und ihre Eigenschaften

Von wenigsten Ausnahmen abgesehen, gibt es auf der ganzen Welt Gesteine (nicht so auf einigen pazifischen Atollen, weshalb man dort z.B. Beilklingen aus den dicken Rippen von Tridacna gigas, vulgo Mördermuschel, herstellte, die übrigens auf Schleifsteinen aus Korallenblöcken geglättet wurden!). Und weil Gesteine im allgemeinen schön hart sind, wurden sie weltweit in der Steinzeit zur Geräteherstellung benutzt. Die frühesten Steinartefakte datieren auf rd. 2,5 Mio Jahren vor heute und stammen aus Afrika. Das Interessante ist nun, dass schon diese ältesten Steingeräte nicht aus bröseligem Gestein, sondern aus hartem und scharkantig brechenden hergestellt worden sind.

Allem Anschein nach haben also schon die ersten "Steinschmiede" schnell gelernt, dass man nicht jedes Gestein benutzen kann, sondern immer ganz bestimmte Gesteinsarten für eine besondere Zweckbestimmung auswählen sollte.

Schaut man sich vor diesem Hintergrund viele Steingeräte verschiedenster Formen und Zweckbestimmung aus unterschiedlichen Epochen und Perioden an, dann kann man zwei Hauptgruppen unterscheiden. 

A. sehr harte und spröde Arten, mit durchgängig GLATTEM Bruch, die keine mit blossem Auge erkennbare (makroskopisch) innere Struktur und keine Kristalleinschlüsse aufweisen (vergleichbar mit Glas; sog. amorphe Struktur) und
B. durchaus harte sowie weniger harte, aber in aller Regel nicht oder nur wenig spröde Arten, mit in der Regel RAUHEM Bruch, die immer eine makroskopisch erkennbare innere Struktur besitzen (z.B. Schichtung, Schieferung, deutliche Kristalleinschlüsse).

Schon beim blossen Anfassen spürt man markante Unterschiede, d.h. Eigenschaften zwischen beiden Gruppen, wie eben glatt/rauh, aber auch scharkantig/nur selten scharkantig bis stumpf!     

Gruppe A wollen wir Kieselgestein nennen, Gruppe B Felsgestein.

Ein Mini-Exkurs in die Geologie

Die unterschiedlichen Eigenschaften beider Gesteinsarten hängen mit zwei Dingen zusammen: 1. dem gesteinsbildenden Stoff (Mineralien) und 2. der geologischen Entstehung. Zur Gesteinsentstehung nur soviel: Es gibt einen unendlichen Kreislauf zwischen Bildung/Entstehung und Vergehen, der Neubildung und erneutem Vergehen usw. Die Geologen unterscheiden so vulkanische Gesteine (sog. Vulkanite), Absatz- (Sediment-) -gesteine (sog. Sedimentite), Tiefengesteine (Plutonite) und umgewandelte (metamorphe) Gesteine (Metamorphite). Ach ja: Einer der wichtigsten gesteinsbildenden Stoffe bei archäologisch nachgewiesenen Steinartefakten ist die Kieselsäure/Siliziumdioxid (SiO2).

A. Kieselgesteine

Hierzu gehören z.B.: Feuerstein, Hornstein, sog. Chert, Kieselschiefer, Radiolarit, Bergkristall, Obsidian (und in Libyen das LDG). Obsidian ist ein Vulkanit, Bergkristall rechne ich zu den Plutoniten, der Rest sind allesamt Sedimentite (mit Ausnahme des LDG, das eventuell sogar extraterrestrischen Ursprungs ist).

B. Felsgesteine

Hierzu gehören z.B.: Granit, Sandstein, Quarzit, Basalt, Schiefer, sog. Amphibolit (AHS-Gruppe), Jadeit/Jadeitit. Granit ist ein Plutonit, Basalt ist ein Vulkanit, Sandstein ist ein Sedimentit, der Rest sind Metamorphite.   

Naklar gibt es noch jede Menge weiterer Gesteinsarten, aber das sind die wichtigsten für unsere Fragestellung.

Welche Eigenschaften zeichnen nun die Gesteine der Gruppe A aus?

1. Isotropie; sie resultiert aus der amorphen Struktur. Das bedeutet, dass sie auf kinetische Energie (Bewegungsenergie) in alle Richtungen gleich reagieren. Das ist für die zielgerichtete Anwendung der Techniken/Methoden und damit die gewünschte Formgebung eines Artefaktes die wichtigste Voraussetzung schlechthin! Wichtige Ausprägung dieser Eigenschaft ist der sog. muschelige Bruch, der sich makroskopisch auf Ventralflächen (positive Spaltflächen an Steinartefakten) und Negativen (negative Spaltflächen an Steinartefakten) in Form der Bulbusbildung, der Wallnerlinien und der Lanzettbrüche zu erkennen gibt
2. Aus der Isotropie resultiert eine relativ leichte Bearbeitung durch Schlag und Druck 
3. Härte, denn sie bestehen zu weit über 90% aus Kieselsäure

Diese drei Eigenschaften prädestinieren Gesteine der Gruppe A zur Herstellung von Geräten:

1. mit scharfen und harten (dauerhaften) Kanten, d.h. schneidender bzw. stechender Zweckbestimmung, wie Faustkeile, Schaber, Messerklingen, Beiklingen (dazu gehören natürlich auch Dechselklingen), Kratzer, Stichel, Bohrer, Pfeilspitzen, "ad hoc Geräte" und
2. die auch bei kleiner bis winzigster Grösse trotzdem noch eine wünschenswerte optimale Bruchresistenz aufgrund der Härte aufweisen   

Welche Eigenschaften zeichnen nun die Gesteine der Gruppe B aus?

1. Grosse Zähigkeit; im Hinblick auf bestimmte aus Gesteinen dieser Gruppe hergestellte Artefakte die wichtigste Eigenschaft überhaupt, bietet sie doch eine gesteigerte Bruchresistenz!
2. z.T. Härte. Besonders willkommen zusammen mit Zähigkeit
3. Unterschiedlich rauhe Oberfläche. Im Hinblick auf bestimmte aus Gesteinen dieser Gruppe hergestellte Artefakte erneut eine der wichtigsten Eigenschaften, denn erst diese abrasive Struktur erlaubt die Anwendung der Schleiftechnik für vielfältigste organische und anorganische Rohmaterialien!
4. Keine Isotropie. Besonders willkommen im Zusammenhang mit Zähigkeit und gfls. Härte. D.h. Gestein reagiert nicht auf kinetische Energie in alle Richtungen gleich! Somit kein oder nur begrenzt muscheliger Bruch. Rauhe, häufig abgetreppte Bruchflächen.
5. Grundsätzlich keine leichte Bearbeitung durch Schlag, geschweige denn Druck wie bei Gruppe A! Statt dessen erfordert die fehlende Isotropie eine Anwendung bestimmter anderer Techniken, die bei Gruppe A überhaupt nicht funktionieren!

Diese fünf Eigenschaften prädestinieren Gesteine der Gruppe B zur Herstellung von Geräten:

1. die (bei profanem Einsatz) stärksten mechanischen Beanspruchungen ausgesetzt sind, wie z.B. (ungelochte!) Beilklingen (dazu gehören natürlich auch Dechselklingen); alle nichtprofanen Beilklingen(Prestigestücke), (gelochte!) profane und nichtprofane Axtklingen (dazu gehören auch Setzkeile, d.h. Spaltgeräte), alle Keulenköpfe (Geröllkeulen, Scheibenkeulen, Armkeulen)
2. alle Arten von Schleif- und Abziehsteinen (Platten, Wannen, Rillensteine)
3. alle Arten von Mahlsteinen (Unterlieger, Läufer, kleine Wännchen)

Zur Verfügbarkeit von Gestein

Vergleicht man nun die Artefakte beider Gruppen, dann fällt auf, dass sich manche Klassen ausschliessen, andere aber in beiden Gruppen vorkommen, wie z.B. die Beilklingen. Das darf indes nicht irritieren, denn es gibt noch einen Faktor, der bislang nicht erwähnt worden ist, die Verfügbarkeit an Gestein. Es ist eben so, und das hat uns Mutter Natur vorgegeben, dass es in manchen Gebieten z.B. Feuerstein gibt, in anderen dagegen absolut nicht. Was haben die Steinzeitmenschen dann gemacht? Nun, entweder haben sie z.B. Flint importiert, oder sie haben einheimisches Ersatzmaterial an seiner Stelle verwendet. Gab es kein geeignetes einheimisches Kieselgestein, so musste man notgedrungen auf einheimisches Felsgestein ausweichen.

"Aber was ist", so höre ich schon einige von Euch fragen, "mit den bandkeramischen Dechselklingen und Keulenköpfen in einer Region wie dem Rheinland? Dort gab es zur Zeit der LBK hervorragend erreichbare Flintvorkommen in der Nähe, und trotzdem haben die LBKler für ihre Dechselklingen zumeist Amphibolit über eine Entfernung von rd. 1100 km aus den Karpathen importiert! Die hätten doch auch die Dechselklingen aus Flint herstellen können. Und wenn die das nicht konnten, dann hätten sie doch nicht nur fallweise, wie nachgewiesen, sondern ausschliesslich die Dinger aus dem einheimischen Basalt oder dem "Wetzschiefer" herstellen können!"

Tja, was mag der Grund für dieses - uns merkwürdig erscheinende Verhalten - gewesen sein? Vielleicht kommt jemand drauf...

"Steinzeit - Nein danke!" ?

Betrachtet man vor dem oben gelieferten Szenario steinzeitliche Steinartefakte, dann wird das umfassende Spektrum der Materialkenntnis der steinzeitlichen Steinbearbeiter m.E. erst richtig fassbar. Und spätestens jetzt dürfte klar geworden sein, dass alle prähistorischen Steingeräte mit grossem Augenmass jeweils auf der Basis spezifischer Anforderungen, d.h. ganz gezielt angefertigt worden sind. Dies sollte uns zu denken geben, wenn wir heute die gerne gebrauchte Festellung "Steinzeit - Nein danke!" hören oder lesen.

Das wär´s für heute, und ich hoffe, es ist aushaltbar. Als Fortsetzung sollte dann die Behandlung der einzelnen Techniken und Methoden folgen.

Beste Grüsse
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

Ruebezahl

Beitrag von Khamsin hier auf Wunsch von agersoe gedoppelt.  :hacker:
Ruebezahl



Salaam!

"Von der Stirne heiss, rinnen muss..." (im Lee einer 80 m Düne)!

Unbeschadet der von agersoe eingestellten Abbildungen und Erklärungen ist es vielleicht hilfreich, auf die Grundlagen der Steingeräteherstellung einzugehen. Denn ohne die Grundlagen zu kennen, kann man als Anfänger mit noch so guten Zeichnungen und Fachtermini kaum etwas anfangen. Das ist genau so, als wenn jemand ohne Führerschein ein Auto fahren soll!

Also für Anfänger: Man soll es nicht glauben, aber die Herstellung von steinzeitlichen Artefakten hat einen sehr modernen Aspekt! Denn es geht um nichts anderes als Energie. Und das ist ja eines der wichtigsten Themen in unserer Zeit! Präzise geht es um die Einwirkung von Energie auf Gesteinsarten und das, was dann geschieht (sog. Bruchmechanik)!

- Die Einwirkung von Energie ist ein physikalisches Phänomen. Aber keine Sorge, ich mach´s einfach, denn ich bin kein Physiker, wie wohl die meisten im Forum.

- Die Merkmale, die die Energie an den Gesteinsarten hinterlässt, kann man ziemlich einfach beschreiben, und sie sind auf den Zeichnungen, die agersoe eingestellt hat, ja auch gut zu erkennen. Diese Merkmale kann man auch als "Wörter" verstehen. Und ihre individuelle Ausprägung und Abfolge/Lage zueinander auf den Artefakten bilden so etwas wie eine eigene "Sprache". Die Grammatik, wenn man so will, ist die Kenntnis der Bruchmechanik, d.h. der physikalischen Vorgänge.

Kennt man nun die einzelnen Wörter, dann beherrscht man über kurz oder lang auch die Sprache, d.h. man kann "Artefakte lesen", und zwar alle eindeutigen (die Ausnahmen interessieren hier nicht)! Das ist übrigens völlig unabhängig von den verwendeten Gesteinsarten und gilt für alle jemals hergestellten Steinartefakte, und zwar weltweit!
Analog dazu arbeiten übrigens Gutachter von Versicherungen, z.B. bei der Beurteilung von KFZ-Schäden. Völlig vergleichbare Energie in Form von kinetischer (Bewegungs-) Energie führt zu sehr charakteristischen Merkmalen an der Karosserie in Form von Deformationen.

Zurück zu den Steinartefakten: Als ausgesprochen hilfreich beim "Lesen von Artefakten" erweist sich die Fähigkeit, selbst Steinartefakte herstellen zu können. Denn hier gilt ja wie bei allen Handwerken - und die Herstellung von Steinartefakte ist das älteste Handwerk des Menschen: "Theorie ohne Praxis ist leer - Praxis ohne Theorie ist blind" (Emmanuel Kant)! Mit anderen Worten: Wer wirklich in die Materie einsteigen will - oder als Archäologe beruflich muss - der kommt nicht daran vorbei, den Göttern ein wenig Blut zu opfern (jedenfalls zu Beginn!).

Energie, Bruchmechanik und Gesteinsart:

Die ältesten Steinartefakte datieren auf 2,5 Mio Jahre vor heute. Natürlich hat sich kein Frühmensch seinerzeit entschlossen: Heute mach ich ein Steinwerkzeug! Nein, diese frühesten Stücke sind das Ergebnis von Beobachtungen, d.h. eines Lernprozesses.

Abgekürzt: Der Frühmensch in Afrika schlug mit Stein A auf eine Kante von Stein B, und zwar so lange, bis von Stein B ein Stück abbrach. War letzteres scharfkantig, dann konnte er es zum Schneiden etc. benutzen. Er konnte jedoch auch mehrfach auf den Rand von Stein B schlagen bis eine zickzackförmige und ebenfalls scharfe Kante entstand. Jetzt  bestand das Steingerät nicht nur aus einem von Stein B abgeschlagenen und natürlich kleineren Steinsplitter, sondern aus dem bearbeiteten Rest des noch immer grösseren Steins B. Was aber ist beim Schlagen passiert? Und was ist mit der Energie?

Ganz einfach: Nennen wir Stein A "Schlagstein" und Stein B "Kernstein" bzw. und professionell "Kern". Durch die Schlagbewegung wird Bewegungsenergie (sog. kinetische Energie) im Schlagstein gespeichert. Und die wird im Moment des Auftreffens des Schlagsteines auf den Kern abrupt gebremst. Die Stelle, auf die der Schlagstein am Kern auftrifft nennen wir fortan "Schlagfläche". Aber ein Teil der Energie wird in den Kern abgegeben! War der Schlag sanft und wenig kraftvoll, passiert normalerweise nichts mit dem Kern. Aber bei Steigerung der Kraft, d.h. z. B. bei Verwendung eines grösseren und damit schwereren Schlagsteines oder bei Verwendung desselben Schlagsteines unter gleichzeitiger Steigerung der Geschwindigkeit der Schlagbewegung steigt auch die kinetische Energie. Und dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann vom Kern ein Stück abbricht. Klar, dass das Bruchverhalten natürlich auch von der jeweils bearbeiteten Gesteinsart abhängt.

Und hier kommen wir aus Afrika wieder auf den alten Kontinent, Europa, zurück. Das bei uns in Europa (und überdies überall dort, wo es auf der Welt vorkommt) bevorzugte Gesteinsmaterial in der Steinzeit war Feuerstein oder ein vergleichbares Kieselgestein (Hornstein, Jaspis, Obsidian, Kieselschiefer).

Warum war der Feuerstein überall so beliebt, dass er auch "Stahl der Steinzeit" genannt wird? Nicht etwa, wie man häufig liest, weil es ein extrem hartes Gestein ist, eines der härtesten überhaupt (Härte 7 auf der Skala von Mohs; Diamant = 10). Nein, der wichtigste Grund ist, dass es ein nicht-kristallines (sog. amorphes) Gestein ist! Und das macht Feuerstein so leicht bearbeitbar! Denn alle nicht-kristallinen Materialien, z.B. auch und gerade Glas, aber auch diese schönen zitronenförmigen, gelben sauren Bonbons, verhalten sich auf die Einwirkung von kinetischer Energie aus allen Richtungen hin völlig gleich. Man könnte auch sagen: Dem Feuerstein ist es ziemlich egal, aus welcher Richtung die Energie auf ihn einwirkt! So oder so, reagiert er im Bruchverhalten immer gleich!

Und das ist das scheinbare Geheimnis, warum man alle Kieselgesteine und so auch Feuerstein in nahezu jede beliebige Form durch Schlag oder Druck zurichten kann!

Ach ja, Druck! Ob man nun Energie sehr schnell durch Schlag, langsamer auf indirektem Wege durch ein zwischen den Schlagstein und den Kern meisselartig aufgesetztes sog. Zwischenstück aus Geweih oder ganz, ganz langsam durch Druck z.B. mittels der Spitze einer Geweihsprosse oder einem regelrechten Zurichtungswerkzeug in Form eines sog. Druckstabes mit einer Geweih- oder Knochenspitze (Ötzi lässt grüssen!) auf den Feuerstein einwirken lässt: Es ist immer Bewegungsenergie, die dort einwirkt, wenn auch manchmal extrem verlangsamt. Klar, dass die Anwendung von Schlag, Zwischenstück oder Druckstab von dem jeweils herzustellenden Gerät abhängt. So werden Faustkeile und andere Grossgeräte in Schlagtechnik, manche Beilklingen in einer Kombination aus Schlag- und Zwischenstücktechnik und Pfeilspitzen, eben, in Drucktechnik hergestellt!

Nu sag doch endlich mal, was im Auftreffmoment des Schlagsteines mit der Energie passiert!!!

Oooops, richtig: Ohne hier ins Detail zu gehen: Ihr alle wisst, was passiert, wenn Ihr einen Stein in eine Pfütze werft. Es bilden sich Wellen, die vom Auftreffpunkt des Steines aufs Wasser konzentrisch nach aussen verlaufen und irgendwann, nämlich dann, wenn die kinetische Energie aufgebraucht ist, verschwinden.
Und genau das passiert mit der kinetischen Energie des Schlagsteines im Moment des Auftreffens auf den Kern. Allerdings gibts da noch einen gravierenden Unterschied zu den Wellen in der Pfütze: Laufen diese horizontal auf der Wasseroberfläche, so verlaufen die Energiewellen, die auch Schlagwellen genannt werden, in Form eines kreisrunden Kegels vom Auftreffpunkt ins Innere des Kerns!
Für die Bruchmechanik wichtig ist nun, dass man sich die Wellen als Front der Energieentladung vorstellen muss. Und es ist auch tatsächlich so, dass die Energiewellen eine sog. Bruchfront bilden, die im übrigen mit ungeheurer Geschwindigkeit durch die Gesteinsstruktur rast! Ist der Energie-Input hoch genug, dann kommt es an der Wellenfront zur Zerrüttung, d.h. zum Bruch des Gesteines. Ein Steinbearbeiter bekommt davon nichts mit, denn das passiert alles in Bruchteilen von Millisekunden. Das ist übrigens alles keine Theorie, sondern wurde durch Experimente an Glaswürfeln bereits im ganz frühen 20. Jahrhundert herausgefunden (Geheimrat Pfeiffer - mit drei F - lässt grüssen, übrigens kein Witz!).

Vor diesem Hintergrund kann man sich gut vorstellen, was passiert, wenn man mit einem schweren Schlagstein mitten auf einen grossen Feuerstein schlägt. Nämlich NICHTS!

Naja, so ganz richtig ist das nicht: Es passiert schon etwas, aber das sehen wir nicht. Es kommt nämlich zur Bildung eines klassischen Bruchkegels im Gestein. Aber davon sehen wir nur an der Oberfläche der Schlagfläche auf der Feuersteinknolle einen mehr oder weniger kreisrunden Bruch. Der Rest des Kegels ist im Material unter der Oberfläche versteckt! Erst dann, wenn wir weiter um diesen Schlagpunkt herum schlagen und das Innere der Knolle freilegen würden, würden wir etwas Spannendes sehen: Einen wunderschön ausgeprägten Kegel aus Feuerstein mit dem kreisrunden Schlagpunkt an der höchsten Stelle. Nun, das mag ja fein sein, aber so kann man keine Steingeräte herstellen! Denn die Energie hat zwar zu einer Bruchfront geführt, aber die ist im massiven Gestein "steckengeblieben" und hat nicht dazu geführt, dass ein Stück abgebrochen ist!
Das haben schon die Frühmenschen gelernt: Es ist sinnlos mitten auf eine (Feuerstein-) Knolle zu schlagen in der Hoffnung, man könne sie so zurichten.

Nein, das einzig sinnvolle Vorgehen, z.B. bei der Herstellung eines Faustkeiles, ist, mit dem Schlagstein wenig hinter der Kante des idealerweise fladenförmigen Feuersteinstückes aufzutreffen. Mit anderen Worten: Die Schlagfläche sollte am Rand des Fladens gewählt werden. Dann allerdings passiert etwas sehr Interessantes: Obwohl man oben auf den Stein geschlagen hat, wird von der gegenüberligenden Unterseite ein mehr oder weniger grosses Stück abgeschlagen! Wir wollen dieses Stück "Abschlag" nennen  (da kann man mal sehen, wie einfach die Terminologie ist!).

Schauen wir uns die Bruchfläche einmal näher an, denn sie ist es wert! Die Bruchfläche ist die Unterseite des Abschlages, die Oberseite ist die rindenbedeckte Aussensteite des Feuersteinfladens. Wir wollen zukünftig die Oberseite "Dorsalfläche" nennen, die Unterseite dagegen "Ventralfläche". Je nach Lichteinfall erkennt man schnell, dass sich vom dickeren Ende des Abschlages über die gesamte Ventralfläche bis zum gegenüberliegenden dünnen Ende halbrund gestaffelte Linien zeigen. Dies sind tatsächlich die Spuren, die die Bruchfront der kinetischen Energie hinterlassen hat. Diese Linien werden nicht selten - und durchaus naheliegend - Schlagwellen genannt, sind aber korrekter nach ihrem Erforscher, dem deutschen Physiker WALLNER als Wallnerlinien zu bezeichnen und in die Forschungsgeschichte eingegangen (vgl. agersoe´s Beitrag und Zeichnungen).

Unter wenigen Merkmalen, die zur Bestimmung der artifiziellen Natur eines Steinobjektes notwendig sind, spielen die Wallnerlinien eine der bedeutendsten Rollen! Sie sind auch besonders dann wichtig, wenn z.B. ein solcher Abschlag - aus welchen Grunden auch immer - in der Mitte gebrochen ist und nur noch sein Endabschnitt gefunden wird. Denn die Wallnerlinien haben nun einmal eine wunderbare und einzigartige Eigenschaft: Sie sind konkav-konvex gewölbt, und da sie mit ihrer konkaven Seite immer in Richtung des Schlagpunktes weisen, kann man z.B. auch bei nicht vollständigen Abschlägen (bzw. sonstigen Artefakten) immer die Richtung bestimmen, aus der der Abschlag abgetrennt worden ist. Diese Eigenschaft der Wallnerlinien spielt eine ganz entscheidenden Rolle bei der Beurteilung aller Steingeräte im Hinblick auf die Frage nach der gewählten Herstell-Strategie (im Französischen uneinholbar formuliert mit "chaine operatoire"!). Eine tendenziell vergleichbare Bedeutung zu Bestimmung der Abtrennrichtung besitzen die sog. "Radialstrahlen", die sich immer an Rand von Abschlägen (und Klingen, s.u.) finden und sich ebenfalls immer in die Abtrennrichtung orientieren (vgl. Abbildung bei agersoe).

Was man auch noch am dickeren Ende des Abschlages sieht, ist eine mehr oder weniger im rechten Winkel zur Dorsal- und Ventralfläche verlaufende kleinere Fläche von annähernd spitzovalem Umriss. Wenn man den Abschlag wieder auf sein Negativ am Kern setzt, dann erkennt man, dass diese kleine Fläche einem Teil der Oberfläche des Rohstückes, d.h. der Schlagfläche am Kern entspricht. Künftig wollen wir dieses Merkmal als "Schlagflächenrest" bezeichnen.  Der Schlagflächenrest ist immer durch eine mehr oder weniger deutliche Kante von der Ventralfläche abgesetzt. Interessanterweise ist der unmittelbar an diese Kante angrenzende Abschnitt der Ventralfläche nicht etwa flach, wie der Rest dieser Fläche, sondern halbkugelig aufgewölbt. Diese Aufwölbung, die manchmal auch als Kegelabschnitt ausgeprägt ist, wollen wir "Schlagkegel" oder einfacher "Bulbus" nennen (vgl. Abb. bei agersoe). Je nach angewandter Bearbeitungstechnik (Schlag, Zwischenstück, Druck) ist nicht nur die Kante zwischen Schlagflächenrest und Ventralfläche, sondern auch der Bulbus unterschiedlich stark ausgeprägt. Schliesslich findet sich auf dem Bulbus zumeist noch eine kleine Ausbruchstelle, die "Schlagnarbe" genannt wird.

Zusammengefasst wissen wir jetzt, dass jeder vollständige Abschlag (also auch Klingen, s.u.) folgende Merkmale trägt/tragen kann:
1. Dorsalfläche, 2. Ventralfläche, 3. Schlagflächenrest, 4. Wallnerlinien, 5. (kann, muss aber nicht) Lanzettsprünge, 6. Bulbus und 7. Schlagnarbe auf dem Bulbus.

Wichtig für das Verständnis der Merkmale des Bruchverhaltens ist unbedingt noch, dass sich an Abtrennprodukten (Abschlagen und Klingen) kein voll ausgebildeter Schlagkegel - wie eingangs beschrieben - bilden kann! Das liegt daran, dass grundsätzlich bei der Steinbearbeitung immer vom Rand eines Kernes aus gearbeitet wird. Und aus diesem Grund kann kein voll ausgebildeter (sog. ideomorpher) Schlagkegel entstehen. Statt dessen ist der Bulbus immer nur als Teil des Mantels eines klassischen Schlagkegels zu verstehen. Soviel Physik muss sein.

Ach ja, unser Faustkeil: Nun haben wir den ersten Schlag getan, und es gibt auf dem schönen jungfräulichen Feuersteinfladen, unserem Kern, eine dunkle Stelle, von der wir unseren ersten Abschlag abgeschlagen haben. Schauen wir uns nun diese Abschlagstelle einmal genauer an, wie eben die Trennfläche des Abschlages. Am Besten ist, wir legen den Abschlag einfach daneben.
Wow, dieselben Spuren, d.h. Wallnerlinien, die wir auf dem Abschlag sehen, finden sich, wenn man so will im Negativ, auf der Abschlagstelle am Kern wieder. Eben, und deshalb wollen wir diese Abschlagstelle (wie übrigens auch jede andere auf einem Kern oder an einem bearbeiteten Feuersteinartefakt) Negativ nennen.

Nun soll der Faustkeil fertig werden, und so fahren wir fort mit der Bearbeitung: Wir benutzen jetzt das Negativ als Schlagfläche, auf die wir wieder schlagen, um auf der gegenüberliegenden Seite einen weiteren Abschlag abzutrennen. Der neue Abschlag ist erfolgreich abgetrennt, aber sein Negativ liegt auf der anderen Seite des Fladens. Fahren wir nun in dieser Reihenfolge fort, d.h. benutzen jedes Mal das Negativ des letzten Abschlages als Schlagfläche für einen weiteren Abschlag, wobei wir jedesmal den Fladen drehen müssen, dann stellen wir schnell fest, dass die ehemals rundliche Kante des Feuersteinfladens nun zickzackförmig verläuft, vor allem aber unglaublich scharf ist. Haben wir nun die Kante des Fladens zu 3/4 umlaufend in dieser Art bearbeitet, voilà, der einfache Faustkeil ist fertig!

Was sind Klingen? Klingen sind ebenfalls Abschläge! Aber es sind ganz besondere Abschläge, die von den Archäologen folgendermassen definiert worden sind: Klingen sind Abschläge mit einer Längen-Breitenverhältnis von mindestens 2:1 und annähernd parallelem Kantenverlauf.
Und, ob man es glauben will oder nicht: Man kann Klingen nach Gusto in Serie herstellen. Dazu muss man lediglich einen Feuerstein in die richtige Form bringen, d.h. derart zu einem Kern zurichten (präparieren), das man davon Klingen abtrennen kann (Bild bei agersoe). Das hört sich leichter an als es in der Praxis durchzuführen ist. Wenn man allerdings einige Grundbedingungen berücksichtigt, dann geht das durchaus gut. Dazu vielleicht irgendwann einmal mehr.

Beste Grüsse 
Grüße aus Ostfalen
Ruebezahl

"Große Erfolge sind weniger spürbar als persönliche Vorteile"
Napoleon Buonaparte

Khamsin

#5
Salaam!

Zuerst einen herzlichen Dank an Ruebezahl für die Reorganisation von diesem "trööt" (Offa lässt grüssen, DANKE, einfach köstlich). Und nun: Neues Spiel - Neues Glück!

Bevor ich mich den einzelnen Techniken/Methoden zuwende, sollten die Bearbeitungswerkzeuge (vulgo Schlaggeräte; es gibt aber auch noch "ein Leben nach dem Schlag!") beschrieben werden.
Selbstverständlich richten sich die Werkzeuge nach den einzelnen Steinbearbeitungstechniken. Und so nehme ich schon jetzt einmal vorweg, dass es insgesamt 7 steinzeitliche Steinbearbeitungstechniken gibt, mit denen man alle erdenklichen Steingeräte hergestellt hat. Das gilt für alle steinzeitlichen Epochen und weltweit.

Dabei unterscheidet man zwischen

1. Primär- und
2. Sekundärtechniken.

- Primärtechniken dienen zur Grundformproduktion, Zurichtung (sog. Retuschierung), Umarbeitung und einfachen Druchlochung.
Sekundärtechniken werden zur endgültigen Oberflächengestaltung und zur (echten) Durchbohrung benötigt.

- Primärtechniken gliedern sich in 3 Schlagtechniken: 1. Abschlag-, 2. Zwischenstück-, 3. Picktechnik sowie die Druck- und die Sägetechnik
- Sekundärtechniken gliedern sich in 1. Schleiftechnik und 2. Bohrtechnik

Spätestens jetz wird deutlich, dass man für jede dieser Techniken eigene Werkzeuge braucht, wie das ja auch heute noch (SIC!) der Fall ist.

Ach ja, noch eines: "Abschlagtechnik" bedeutet nicht, dass man damit ausschliesslich grössere Abschläge (und natürlich Klingen, weil das ja auch Abschläge sind) produziert hat. Auch beim Retuschieren entstehen nämlich Abschläge, die sind aber winzig. Alle diese Kerlchen unter 10 mm Länge nennt man "Abspliss".

Bearbeitungsgeräte aus anorganischem Material

Die einfachten Steinbearbeitungserkzeuge sind sog. Schlagsteine. Dabei handelt es sich um Flussgerölle aus zähem Felsgestein, wie z.B. Quarzit o.ä.
Ach ja: Wir haben sicher alle früher einmal gelernt, dass man etwas Hartes mit etwas noch Härterem bearbeiten muss. Davon wollen wir uns bei der Steinbearbeitung - besonders ein Tipp für alle, die es einmal selbst versuchen wollen - ganz, ganz schnell verabschieden! agersoe wird mir da gewiss zustimmen!

Denn es ist z.B. bei den Schlagsteinen - und natürlich erst recht bei Schlaggeräten aus organischem Material (s.u.) - keinesfalls so, dass sie immer aus härterem Gestein als Flint sind! Also, bei Schlagsteinen gilt, dass sie aus überwiegend zähen Gesteinsarten bestehen sollen, nicht aber aus härteren!
Wichtig ist neben einer guten Handhabbarkeit natürlich auch ein der jeweiligen Tätigkeit angepasstes Gewicht, d.h. eine daraus resultierende Grösse.
Mit anderen Worten kann man mit einem babykopfgrossen Schlagstein zwar grosse Abschläge von einer Flintknolle abtrennen, aber natürlich keine feinen Kantenretuschierungen an einem Schaber/Kratzer vornehmen oder eine Stichellamelle sinnvoll abschlagen.

Erst in den letzten 20 Jahren wurde deutlich, dass für manche Tätigkeiten der Einsatz sog. weicher Schlagsteine - wenn nicht unbedingt erforderlich - so doch ausgesprochen empfehlenswert ist. Und das ist nicht nur das Ergebnis moderner praxiserprobter Erfahrung, sondern es gibt solche Schlagsteine auch im archäologischen Fundgut! Diese Steine bestehen z.B. aus angewittertem feineren Granit oder gerne aus verkieselter Kreide oder alpinem Kalk u.ä.

Auch bei der Picktechnik braucht man vergleichbare Schlagsteine, wie bei der Abschlagtechnik.

"Halt", werden jetzt einige von Euch sagen, "was ist denn mit den Schlagsteinen aus Flint? Davon gibt es doch Tausende, manche in Form vollkommener Kugeln, die auf der Oberfläche mit Tausenden von Schlagmarken übersät sind".

Richtig, es gibt diese Schlagsteine, aber die wurden niemals bei der Feuersteinbearbeitung benutzt! Diese Stücke werden "Klopfkugeln" oder besser "Klopfer" genannt. Sie dienten ausschliesslich zur Aufrauhung von verstumpften Oberflächen an Mahlsteinen beim Einsatz der sog. Picktechnik!

Um es klar und deutlich und unbeschadet der Meinung einiger Archäologen zu sagen:

Schlagsteine - geschweige denn "Drucksteine" aus Feuerstein zur Feuersteinbearbeitung gibt es nicht! Einfach, weil der Feuerstein zum einen viel zu hart und zum anderen viel zu glatt ist, um damit sinnvoll Feuersteingeräte herzugstellen.

Schliesslich braucht man für die Sägetechnik geeignete Sägeblätter (vulgo Sägen) aus zähem metamorpen Gestein. Besonders aus dem Neolithikum der Schweiz sind solche "Sägen" zur Zerlegung harter und zäher Metamorphite zu Hunderten nachgewiesen. Freilich kann man auch Holzbrettchen dazu nehmen, aber das folgt später!

Bearbeitungsgeräte aus organischem Material

Da gibt es drei Möglichkeiten: 1. Knochen, 2. Geweih und 3. Hartholz

Zu 1. Handliche Bruchstücke aus der Kompakta dicker Langknochen als Schlaggeräte liegen schon seit dem Mittelpaläolithikum in Form der sog. Retuscheure vor. Und diese Geräte wurden nicht grundsätzlich passiv, sondern auch aktiv schlagend benutzt!
Zu 2.  Seit dem 19. Jahrhundert sind neolithische hammerförmige Schlaggeräte aus Hirschgeweih bekannt. Mittlerweile kennt man sie auch aus dem Jung- eventuell sogar aus dem Mittelpaläolithikum.
Zu 3.  Hartholz (in Europa z.B. Buchsbaum, i.e. Buxus sempervirens) wurde experimentell mit grossem Gewinn eingesetzt, ist aber m.W. nicht archäologisch nachgewiesen. Dagegen ist die Nutzung von Druckstäben aus Akazienholz (Acacia aneura) z.B. aus Australien bei den dortigen aborigines im Zusammenhang mit der Herstellung von Projektilspitzen belegt. 

Schliesslich spielt Geweih eine grosse Rolle bei der sog. Zwischenstücktechnik und bei der Drucktechnik.
So sind Sprossen vom Rothirschgeweih als meisselartige Zwischenstücke nachgewiesen und für die neolithische Klingenproduktion glaubhaft gemacht. Handliche Druckstäbe aus Lamellen der Geweihkompakta, der harten äusseren "Rinde" des Geweihs, sind aus zahlreichen endneolithischen Gräbern und dem Retuschiergerät von Ötzi nachgewiesen.

Zu den Bearbeitungsgeräten zählen last but not least auch die Schleifplatten und -wannen aus Felsgestein.

Das Vorstehende ist nur eine knappe Zusammenstellung der wichtigsten Informationen zu diesem faszinierenden Einzelthema.

Beste Grüsse
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

Der Wikinger

#6
Wie weiterkommen ???


Liebe Steinzeitfreunde !!  :-)


Erstmal vielen Dank an Khamsin für seinen äusserst kompetenten und wörtlich illustrativen Beiträgen !!!

(Solltest du aus irgend einem Grund die Beiträge übersprungen haben, bitte zurück gehen und lesen, es lohnt sich !!)

Ich bin sicher es kommen noch mehr Goldkörner aus seiner Wissensbank !!!!  :super:


Was man sich jetzt zwischenzeitlich überlegen muss ist: wie weiterkommen beim Suchen ??

Jetzt wird das Suchen, Sammeln, Katalogisieren, Melden usw. plötzlich eine eher persönliche Sache.

Man muss sich mit anderen Worten entscheiden:

1. Will man "nur" die Prachtstücke (für die Vitrine) sammeln ???? (wie es der Bauer hier Jahrhunderte lang getan hat !)

oder...

2. Will man versuchen systematisch und wissenschaftlich zu sammeln ???


Wählt man nun Nr. 2, hat man, meiner Meinung nach, richtig gewählt und auch den spannendsten Weg zu gehen !!  :super:


Hier muss man die nationalen und regionalen Unterschiede der Flintproduktion und die oft sehr unterschiedlichen Fundortökonomien beachten.
Es gibt hier mehrere Faktoren zu beachten:

1. Die geographische Plazierung des Fundortes

2. Die geologischen Bedingungen und die Bedeutung von wenig oder viel Rohmaterial

3. Das Alter des entdeckten Fundorts und folglich der gefundenen Artefakte

4. Lokale oder regionale Besonderheiten

5. Mikroökonomie der einzelnen Fundorte (spezialisierung: Jagdplatz, Fischerplatz, Durchgangslager usw.)


Also mit anderen Worten:

Ein Kratzer in Österreich, und ein ganz ähnlicher in Schleswig-Holstein gefunden können von dem gleichen Zeitalter stammen, aber auch nur KÖNNEN.
Sie können auch 7.000 Jahre von einander entfernt sein, und ganz unterschiedlichen Zwecken gedient haben !!

Es ist unmöglich eine genaue Bestimmung von den meisten Geräten zu machen, wenn sie nur einzeln auftreten.

Besonders wichtig für einen Sammler ist es also auf den Fundzusammenhang zu fokusieren.
Man muss also möglichst viele Geräte, und auch Abschläge und Absplisse von einem Fundort mit sich nehmen, bevor man selbst und die Archäologen nur halbwegs die Möglichkeit haben, da was zur Ökonomie, zum Zeitalter und zur Lebensweise zu sagen.

Wenn man selbst systematisch was machen möchte, und das ist mit Garantie genauso spannend wie ein Krimi, muss man zuerst eine Idee haben, was eigentlich hier vor Ort zuvor gefunden wurde, was kann ich erwarten, was sind die gewöhlichsten Funde meiner Gegend ??????

Hier kann ich nur aus Erfahrung sagen:

Geh zur lokalen / regionalen Bibliothek und besorg dir Bücher, am besten wissenschaftlich Spezialwerke über archäologische Funde und Grabungen deiner Gegend.
(Oft haben sie diese Bücher garnicht, können sie aber aus grösseren Bibliotheken oder Universitätsbibliotheken heranschaffen !!)
Es ist "verdammt" wissenschaftlich und "trocken", aber die Illustrationen, und mit der Zeit auch der Text, sind unheimlich lehrreich.
Man muss also versuchen, den Kode der örtlichen Fundlandschaft zu brechen. Man muss Muster und Parallelle sehen. Man muss "Aha-Erlebnisse" haben.

So habe ich selbst mal vor Jahren "von Scratch" angefangen !!  :narr:




Der Wikinger

Hallo wieder Leute  :-)

Der Lutze hat mir in einer PM freundlichst darum gebeten, hier etwas darüber zu schreiben, wo man nach Steinartefakten schauen sollte. Also wo vermeidliche Funde zu erwarten sind.

Diese Frage und die dazugehörende Antworten sind sehr komplex, und ich möchte deshalb um die Hilfe von der ganzen "Steinzeitsuchergemeinde" bitten.

Die Fundstellen unterscheiden sich mit Sicherheit sehr von Land zu Land, von Ort zu Ort usw. 
Jedoch gibt es sicherlich auch vieles Generelles und Gemeinsames.

Gemeint sind Stellen in der Natur, die man aufsuchen sollte um zu suchen.

Ich werde dann später meinen Senf dazugeben, da meine Inselfundlandschaft etwas speziell ist.

Ich hoffe sehr, dass ihr hier mitmachen möchtet !!!  :winke:

Nun:

Bitte, eine klare konkrete Beschreibung / präsentation von einem oder mehreren Fundstellen und deren geographischen und topographischen Lage machen, rgerne mit Unterscheidungen zwischen den verschiedenen Zeitaltern der Steinzeit.

Diskussionen sollten wir wie immer hier nicht machen, sondern hier: http://www.sucherforum.de/index.php/topic,21408.0.html

Ich liefere dann vorerst die Überschrift für das Thema:





"Wissen und Erfahrungen zur typischen Lage eines Steinzeitlichen Fundortes"

"Die geographischen und topographischen Merkmale in der Landschaft"

Silex

#8
Aus dem Bauch heraus und etwas holprig - lückenhaft meine Erfahrungen beschreibend vor Ort  (im südlichen Mittelgebirgsraum) und in der Literatur:
Altsteinzeit:
Hauptkriterium:  Gletscherfreiheit und Lage an einer der Wanderrouten der Großsäugerherden.
Fundanfall in Ufernähe (auch heute trockenliegende Flusstäler) teilweise 12 m unter der Oberfläche. Deshalb Kieswerke, Sandgruben: Erste Wahl. Ausgeschwemmte Artefakte im Uferkies jedoch nicht ausgeschlossen.

Höhlen und Abris
: Fundgänge nicht erlaubt...höchstens im oberflächlichen Ausschwemmungshorizont.  Allerdings sind so viele Höhlen zusammengestürzt dass mancher Hang ehemalige Höhlensedimente freigibt.

Steilhänge an markanten Aussichtspunkten in (heutiger oder vergangener) Flussnähe. Plateaus(Aussichtspunkte für die Herdenjäger) mit idealerweise Wasservorkommen  (ja das gibts auf manchen Plätzen durch ergeschichtliche Kapriolen). Die starke Hangerosion sowie Abtragungen am exponierten Gipfel geben bisweilen Einblick in älteste Epochen.

Geländesituationen die ein Einkesseln der Jagdbeute (vor allem an Wasserstellen) ermöglichten.

Auch (heute) kleinere Erhebungen in weiten Flussniederungen bergen manchmal Überraschungen

Und jede Baustelle die in die Mutter Erde eingreift
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

wühlmaus

Ok keine schlechte Idee ...

hört sich einfach an. Wird aber kniffelig.

Vorab:
Fast alle meiner Steinzeitstellen hab ich entweder per Zufall, per großflächiger Begehung ganzer Areale oder in alten Fundberichten entdeckt. Nur in ganz wenigen Ausnahmen bin ich gezielt wegen topographischer, bzw. geologischer Besonderheiten auf eine Stelle gegangen und dann auch noch tatsächlich fündig geworden.
Meistens hat es mich erst im Nachhinein nicht gewundert, dass exakt an dieser Stelle gesiedelt wurde. Aber dass liegt mehr an meiner Suchmethode, direkt ganze Areale auf alle Zeiten gleichzeitig abzusuchen.

Man kann das ganze auch direkt über die Topographie angehen.

Alle weiteren meiner Ausführungen beziehen sich auf die flußnahen Zonen der niederrheinischen Tiefebene!!

Also, was braucht es für den Anfang?

3 Dinge:
1. Gute aktuelle Karten mit Eintragungen von allen Gewässern, Feuchtgebieten und Höhenlinien.
2. Die ältesten genauen Kartenwerke, die es von dem betreffenden Gebiet gibt, am besten aus der vor-industriellen Zeit (Bei uns im Rheinland sind dies zB Preußische aus der ersten Hälfte des 19.Jh. )
3. Viel Zeit, um die Gegend vor Ort in Augenschein zu nehmen ... :cool1:

Dann gilt es zumindest drei Faktoren zu beachten:
1. Verfügbarkeit von Wasser
2. Das Vermeiden von feuchten Senken (alle meine Siedlungen lagen entweder in der Ebene, zumindest leicht erhöht, oder die Streuung lag direkt am Hang)
3. die Qualität des Bodens.

Jetzt wird es komplizierter - Andere Zeiten, andere Vorlieben:
"Typische" Mesolithiker siedelten in Bach- bzw Flußnähe, oder zumindest an einem großen, stehenden Gewässer und am liebsten auf sandigerem Boden. Grund: Zum einen waren sie noch teilweise umherziehende Jagdnomaden und orientierten sich wahrscheinlich gerne an Wasserläufen, zum anderen natürlich als Nahrungsquelle (Fischfang). Der Brunnen war noch nicht erfunden, also waren sie auch wegen der Wasserversorgung an natürliche Gewässer gebunden. Sie bevorzugten für die Wahl ihrer Siedlungsplätze sandige Böden auf denen das Regenwasser leicht abfloß ...
"Typischen" Bandkeramikern war eigentlich alles außer dem fruchtbaren Boden egal. Sandige Gebiete wurden gemieden. Bevorzugter Boden war hier in unseren Breiten der gute Lößlehm. Natürliche Gewässer waren Nebensache. Der Brunnen war mitlerweile erfunden. Mit seiner Hilfe wurden auch gewässerferne Lößgebiete erschloßen ...
Die "nachfolgenden" Neolithiker waren kaum noch wählerisch ... Siedlungstellen streuen über alle Bereiche, die nicht gerade Sumpf waren. Wassernähe war ok, aber nicht zwingend. Gerne etwas erhöht und sandig, damit das Regenwasser abfließen kann ...
Das Land war erschloßen und wurde knapp ...

Mit den Infos könnte man losziehen ...  :frech:
Nö!! Jetzt wirds kompliziert ... Flüße und Bäche verlagern sich, oder verschwinden ganz ( :wuetend: Grundwasserpumpen Tagebau Rheinbraun  :wuetend: ). Stehende Gewässer verändern ihre Gestalt oder trocknen aus ... Flurbereinigung, Bachbegradigung ... etc. Erhöhungen erodieren und werden plattgepflügt ...
Kurzum wir leben in einer gezähmten, für die Landwirtschaft modelierten und "genormten" Kulturlandschaft. Jetzt werden die alten Kartenwerke wichtig ... vieles an verschwundenen "Urwüchsigkeiten" ist dort noch sichtbar ... Erst im Vergleich mit diesen Quellen kommen wir ein Stück voran ...
Aber nichts kann das Auge vor Ort ersetzen ... wenn man länger auf prähistorischen Stellen unterwegs ist ... bekommt man eine Art "Gespür" für gute Plätze ... Es ist einfach die Erfahrung.

Praktisches Beispiel, der Platz auf dem ich diese Funde gemacht habe:
http://www.sucherforum.de/index.php/topic,21921.0.html

Bin ich schon x-Mal mit dem Fahrrad vorbeigefahren und immer das Gefühl gehabt, auf der Ackerfläche muß was sein. Hatte aber nie die Zeit aufs geradewohl dort zu suchen ... Dann stieß ich tatsächlich auf eine alte Fundmeldung von diesem Acker. Also nix wie hin ... nur die Angaben waren ungenau und falsch eingezeichnet. Dort wo was sein sollte, war nichts.  :heul:
Aber der Acker war ziemlich groß ... Also hab ich mein Augemerk auf die gesamte Fläche gelegt ... und siehe da: Quer über die Ackerfläche lief ein etwa zwei Meter erhöhtes und leidlich 50m breites, sandiges Plateau wie ein breites Band zwischen dem Prallhang einer mitlerweile verlandeten Flußschleife und einer deutlichen Senke in der noch heute ein kleiner Bach fließt  :idee:
Und genau auf diesem "Band" fanden sich dann auch die Artefakte!!!

Mein Fazit:
Man sollte alles mixen. Plätze alter Fundmeldungen begehen, die Kartenquellen studieren, jeden interessanten Platz vor Ort anschauen und flächendeckende Begehungen einfach aufs geradewohl machen ... Meistens wird das Bild erst im Nachhinein klarer!

Ciao
das Wühlmäusle

PS.: Das Melden nicht vergessen!!!!!  :prost: :engel: :frech: :engel: :prost:

Der Wikinger

Hallo Leute  :-)

Hier ein bisschen zu der Lage der Fundstellen hier bei mir auf der Insel in DK.

Die mesolithischen Fundstellen sind fast alle am Strand oder zu mindest in Strandnähe zu finden, einige sind sogar wegen Landsenkung submarin, bis auf 4 Meter Wassertiefe.
Sie sind typisch in kleinen Buchten oder bei Fahrwasser mit Strömung zu finden, oft wo auch heute noch gutes Angelwasser ist.
Das Mesolithikum wird bei uns oft auch Jägersteinzeit genannt, aber sollte wohl eher Fischersteinzeit heissen, da die untersuchten Fundorte ganz deutlich zeigen, dass Fische, Wahle und andere Nahrungsmittel aus dem Meer ganz dominant sind, ab und zu findet man auch Knochen eines grossen Jagdtieres. Ich habe z.B. ein 7.500 Jahre alte Tibia eines jungen Rothirsches submarin auf 1 Meter Wassertiefe gefunden. Sie lag im Gütje eingelagert. Man hat auch feststellen können, dass Haselnüsse ein wichtiges Supplement zur Nahrung im Winter wahr. Auf einem mesolithischen Fundort hat man über 1 Tonne  :staun:  Haselnuss-Schalen gefunden, die ganz deutlich am Feuer geröstet waren.

Die neolithischen Fundorte sind eigentlich überall zu finden, wie auch wühlmaus schreibt.

Es gab auf unsere kleine Insel eine sehr grosse Bevölkerung im Neolithikum, auf 88 km2 gab es 250 - 300 Grabhügel des Neolithikums, leider sind heute nur 13 erhalten.
Die Grabhügel standen oft auf kleineren Gebieten in Gruppen. In der Nähe solcher gibt es dann oft mindestens einen Fundort / eine Siedlung.
Bei uns muss man besonders bei (ehemaligen) Mooren gut nachschauen, denn da ist die Möglichkeit Opferfunde zu finden sehr gut.
Man hatte im Neolithikum die Sitte, besonders Beile und Äxte als Opfer ins Moor zu versenken.

An allen, gut Fund im neuen Jahr !!!  :super: :winke:




Der Wikinger

Hallo Flintfreunde  :-)

Es würde mich (und vielleicht auch andere) freuen, wenn mehr Leute mal was zu diesem Thema schreiben würden !!

Bitte haltet Euch nicht zurück, je mehr Berichte wir dazu haben, je mehr werden wir vergleichen können und damit lernen.

Also liebe Steinzeit-Sucher, sagt uns doch bitte wie es bei euch ist !!!  :super: :winke:

Das Thema nochmal:

"Wissen und Erfahrungen zur typischen Lage eines Steinzeitlichen Fundortes"


"Die geographischen und topographischen Merkmale in der Landschaft"

Der Wikinger

Hallo Flintfreunde !!

Wollte mal diesen Superlink zur Chemie und zum Entstehen von Pyrit und Flint auch hier bringen !!!

Danke an McSchuerf, der uns darauf aufmerksam gemacht hat !!!  :super:
(Das Link ist auch im Index zu finden)

http://www.chemieunterricht.de/dc2/pyrit/inhalt1.htm

:winke:

clemens

Ich kann nur für LBK-Siedlungen bei mir in Niederösterreich etwas sagen:

Wassernahe (und sei das Bacherl noch so klein), und zwar gerade noch ausserhalb der "Überflutungszone" die ja bei Kleinstgewässern oft nur 10 m breit ist. Oft setzten sich Kelten, Römer und FrühMA Siedlungen darauf, sind aber jetzt öde (gottseidank).

zu 3/4 S, SW-Exposition

max. leicht geneigte Flächen, für die Landwirtschaft geeignet, anschließend

Und in meiner Gemeinde dachte man noch vor 10 Jahren dass es nur eine Fundstelle gibt, mittlerweile weiss ich kaum noch einen Acker wo nicht zumindest ein Silex-Klingenkern oder Kratzer zu finden war. Soll heissen: ja eigentlich überall, aber siedeln anscheinend nur beim Bach.

Soweit meine kleine lokale Sicht,

Grüße,
Clemens

Der Wikinger

Kennzeichen - Detailfotos

Hallo Leute  :-)

Ich habe mal ein Artefakt (neolithischer Bohrer) aus meiner Sammlung ausgewählt, wo die Kennzeichen eines Abschlages besonders gut zu erkennen sind.
Ich habe die Fotos in kräftigem Schräglicht gemacht und sie recht gross gelassen, damit man hoffentlich gut die Details sieht.

Hier der Bohrer von der Bulbus-Seite gesehen.


Und hier die Details:


Schäg von oben, wo man den Schlagpunkt sieht:




..und hier mal ohne Kommentare:

rolfpeter

Schaber, Kratzer, Endretusche

Hier im Forum wird bei der Artefaktbestimmung häufig auf Peter Vang Petersens hervorragendes Buch "Flint fra Danmarks Oldtid" hingewiesen. Nach meinem Ermessen richtet sich das Werk bevorzugt an Sammler, die den Norddeutschen und Ostseeraum begehen. Das Werk ist in dänischer Sprache verfaßt und erschließt aus diesem Grunde dem deutschsprachigen Leser die Fachterminologie nur bedingt.
Es gibt allerdings auch eine umfassende Veröffentlichung zum Thema der Artefaktbestimmung aus dem deutschen Sprachraum:
"Erkennen und Bestimmen von Stein- und Knochenartefakten - Einführung in die Artefaktmorphologie" von Joachim Hahn, erschienen bei Archaeologica Venatoria im Jahre 1990.

Häufig findet man Steingeräte, die aus den Grundformen Klinge oder Abschlag weiterverarbeitet wurden und die am Ende oder der Seite Retuschen besitzen. Um was handelt es sich?
Meistens sind es Schaber, Kratzer oder Endretuschen. Ich zitiere zusammenfassend aus der "Einführung in die Artefaktmorphologie", auch die Abbildungen stammen aus dieser Veröffentlichung.

Schaber:
Einfaches Steinwerkzeug ab Altpaläolithikum bis zum Neolithikum. Meistens an Abschlägen, selten an Klingen hergestellt. Mindestens eine retuschierte Kante, die Retusche gewöhnlich recht ausgedehnt, erzeugt eine Arbeitskante. Die retuschierte Kante ist das Hauptmerkmal. Daher ist Entstehung und Beschaffenheit dieser Retusche wichtig. Entscheidend ist hierbei, daß sie eine scharfe Kante erzeugt, d.h. die Schlagnegative verändern den spitzen Winkel, der zwischen Ventral- und Dorsalfläche besteht nur wenig. ......Nach Gebrauchsspuren ist mit  der retuschierten Kante geschabt, geschnitten oder sogar gesägt worden.
Also: rel. lange Arbeitskante und relativ spitzer Schneidenwinkel.
Man unterscheidet:
Einfache Schaber: Abschlag oder Klinge mit Retusche an einer Längskante.
Breitschaber: dicker Abschlag mit Retusche am Distalende.
Doppelschaber: Abschlag oder Klinge mit zwei retuschierten Längskanten.
Spitz- und Winkelschaber: bilateral retuschiert, wobei beide Kanten in einer Spitze zusammenlaufen.
Blattförmige Schaber: bifaziell retuschierte Werkzeuge mit einer sorgfältig retuschierten Kante, die gegenüberliegende Kante ist im Gegensatz zu einer Blattspitze nicht regelmäßig bearbeitet.
Bifazieller Schaber: Schaberkante dorsal und ventral retuschiert.

Bild: einfache Schaber



Kratzer:
Kratzer gehören zu den charakteristischen Werkzeugformen des Jungpaläolithikums...können auch in neolithischen Inventaren sehr hohe Anteile erreichen. Kratzer sind am Ende der Grundform durchgehend gebogen retuschiert mit einer dorsalen Stirnretusche, die keine Rückenretusche ist aber gewöhnlich die gesamte Grundformdicke erfaßt. Der Winkel zwischen Ventralfläche und Retusche schwankt um etwa 60 Grad (nach meiner Erfahrung bei jungneolithischen Kratzern auch deutlich steiler).
Kratzer werden an Klingen oder Abschlägen hergestellt.
Einfacher Kratzer: die gesamte Stirn der Grundform ist gebogen retuschiert.
Nasen- oder Schulterkratzer: deutlich retuschierte, nicht durch Gebrauch entstandene ein- oder beidkantige Einziehung. Die Breite dieser abgesetzten Kratzerstirn sollte nicht unter 5mm liegen, da hier ein Übergangsfeld zu den Bohrern besteht.
Also: Ende der Grundform gebogen retuschiert, steile Retusche.

Bild: typische Kratzer



Endretuschen:
Bei diesem Werkzeug wird ein schmales Ende distal oder proximal retuschiert. Retusche entweder von ventral nach dorsal oder seltener umgekehrt. Ähnlich den Kratzern, haben aber seltener ein symmetrisches konvexes Ende. Bei sehr schrägen Endretuschen ist eine Abgrenzung zu Bohrern fließend.
Also: Ende retuschiert, selten konvex.

Bild: Endretuschen



Herzliche Grüße
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Khamsin

Moin!

Ja, die Hahnsche Artefaktmorphologie. Sieht man einmal von gewissen Ungereimtheiten ab - wie z.B. die nach wie vor dort vertretene Anwendung der Punchtechnik bei der jungpaläolithischen Klingenproduktion - ist sie bis heute das Beste, das in Deutschland zum Thema existiert!

Nun kochte hier im Forum schon vor geraumer Zeit etwas zu einem seit 1999 (!) geplanten Nachfolgewerk hoch: Floss,H. (Hrsg.) Steingeräte vom Altpaläolithikum bis zur Neuzeit (Tübingen). Allem Anschein nach hat sich das immer wieder verzögert; jedenfalls hat man nichts mehr darüber gehört!

Aber plötzlich zwitschert es im Blätterwald, und man hört, die Sache sei nun in Arbeit, so dass demnächst tatsächlich damit zu rechnen ist!
Wie mir vor Jahren bekannt wurde, hatten sich seinerzeit rd. 30 Wissenschaftler b.G. zu einer Mitarbeit bereiterklärt, und die meisten hatten ihre Manuskripte auch termingerecht, d.h. Mitte 2000 (!) abgeliefert. Seitdem sind fast acht Jahre ins Land gegangen, und man fragt sich natürlich, ob nicht zumindest manche der Papiere von der laufenden Forschung überholt worden sind. Jedenfalls könnte ich mir denken, dass ja vor Drucklegung die Autoren b.G. gewiss nochmals ihre Manuskripte zur Korrektur/Ergänzung von der Redaktion erhalten. Das macht natürlich Arbeit, vor allem, wenn grössere Teile von Manuskripten umgeschrieben werden müssten, weil sie im Jahre 2000 zwar auf der Höhe der damaligen Informationslage flogen, heute aber veraltet sind. Wie mögen sich die Autoren b.G. da wohl verhalten?

Warten wir also mal ab, ob überhaupt und wenn ja, auf der Basis welchen Sachstandes, das Werk tatsächlich in die Existenz geht. Es wäre ihm auf jeden Fall zu wünschen, denn die Idee einer zusammenfassenden Publikation zu Steingeräten mit allen hier in Frage kommenden Aspekten ist natürlich eine wunderbare Sache.

Beste Grüsse KIS
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

Saxaloquuntur

http://www.jungsteinsite.uni-kiel.de/2008_drafehn_mischka/2008_SDS_low.pdf
Falls noch nicht bekannt: Nach herkömmlicher Artefaktmorphologie was zum Zuordnen.
Saxaloquuntur
Wenn es auf dieser Seite unpassend ist, bitte verschieben.

Roskva

Dieser Thread wurde geschlossen. Auf Anfrage können hier immernoch Beiträge eingestellt werden, wenn sie zum Titel des Threads passen. Der Thread soll als Nachschlagwerk für "KENNZEICHEN eines Flintgerätes !!" bestehen bleiben.
MfG
Rikke
"blickst du lange genug in den Abgrund, schaut dieser irgend wann in dich"