Jungneolithisches

Begonnen von rolfpeter, 01. März 2008, 16:08:27

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rolfpeter

Servus Freunde,
Der LBK-Scherbenacker, auf dem ich mich zur Zeit tummele, scheint eine über die Jahrtausende weg eine bevorzugte Wohnlage gewesen zu sein. Außer LBK ist auch MK in erfreulich großer Menge vertreten. Das ist erstaunlich, weil der Platz aus heutiger Sicht nichts besonderes darstellt. Wir befinden uns auf der "Hochebene" bei mittelprächtiger Bodenqualität. Neben der Siedlungsstelle ist eine kleine fundleere Bodenmulde, vielleicht war das ja ein Tümpel oder Teich? Der nächstgelegene Bach ist immerhin 1800 m entfernt.
Hier sind nun 3 jungenolithische Artefakte von dort. Die Sachen sind ca. 1000 Jahre jünger als LBK.

Eine gepickte und geschliffene Beilklinge aus Felsgestein:



Ein mediales Bruchstück einer Riesenklinge oder eines klingenartigen Abschlages aus Rijckholt-Flint, die Breite ist 57mm! Beide Lateralseiten sind dorsal retuschiert:







Zuletzt noch ein kapitaler Abschlagkratzer aus Rijckholt:





Weiter LBK-Keramik habe ich auch gefunden, die muß vor der Reinigung allerdings noch schön trocknen, dann geht's weiter.

Herzliche Grüße
RP

Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Silex

Bombastisch, RP!!!
Mit so einem Kratzer kann man "mittlere Erdbewegungen" durchführen...
die Klinge (bei uns würde man Beil sagen) dürfte zu 90 % noch in der Erde stecken und im  untersten Spitzenbereich allzeit frostfrei gewesen sein.


Was mich wundert an Teil 1: Dass die Pickspuren noch in der Nähe des Schneidenbereichs deutlich sichtbar sind... obwohl "Deine" geschliffenen Flintbeile und Dechsel so sorgsam beschliffen sind.
Ich dachte immer Flint sei  schwerer zu beschleifen als Felsgestein und dann wären  Zurichtungsspuren eben auch eher sichtbar als in "Fels".

Bis bald

Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

rolfpeter

Zitat von: Silex in 01. März 2008, 23:02:05

Was mich wundert an Teil 1: Dass die Pickspuren noch in der Nähe des Schneidenbereichs deutlich sichtbar sind... obwohl "Deine" geschliffenen Flintbeile und Dechsel so sorgsam beschliffen sind.


Das ist typisch für diese Art der Felsgesteinbeilklingen. Der gesamte Beilkörper ist sorgfältig auf Form gepickt und nur die Schneide ist geschliffen. Es existiert nach meinem Wissen auch keinerlei Literatur, die zusammenfassend etwas über die Morphologie der Beilformen im Rheinischen Neolithikum aussagt. Da könnte noch jemand eine interessante Magisterarbeit oder Dissertation verfassen.
Hier ist ein Prachtstück von einem befreundeten Sammler. Die größere Klinge ist bestimmt 25 cm lang und völlig unbeschädigt, auch ein "once in a lifetime" Fund!





HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Khamsin

Salaam und moin von zu Hause!

@Steinforum: Bei den postings von RP kann ja manchmal, wenn auch nur ein klitzekleinwenig, Neid aufkommen. Freilich: Er kann ja nichts dafür, dass die rheinischen Lössbörden im Neolithikum so stark begangen worden und demzufolge so fundreich sind! Freuen wir uns also an jedem neuem Fund aus dieser Region von und mit diesem Sammler!

@Edi und Steinforum: Bezüglich der Pickung vielleicht noch folgendes: Sie ist mit weitem Abstand die adäquateste Technik zur Formgebung von Felsgestein durch Oberflächenmodifikation. Das beginnt bei den Unterliegern und Läufersteinen der Schiebemühlen, erstreckt sich über die Dechselklingen hin zu den Scheiben- und Armkeulen.

- Und das ist leicht zu erklären, denn die Mahlsteinunterlieger benötigen eine absolut ebene Fläche. Die Fläche ist ausgesprochen breit, um von der Seite sinnvoll, d.h. möglich horizontal in Schlagtechnik zugerichtet zu werden. Hier ist vor allem die Gefahr von "Steckenbleibern" sehr gross. Abgesehen davon muss die Fläche schliesslich ohnehin nochmals vollständig überpickt werden, denn nur so ist die notwendige Passgenauigkeit mit dem Läuferstein zu erreichen, dessen Fläche natürlich auch absolut eben  sein muss. Ausserdem schafft ausschliesslich die Picktechnik die für Schiebemühlen notwendige Rauhigkeit der Funktionsflächen.

- Bei Dechselkingen richtet sich die Anwendung der Picktechnik nach dem jeweiligen Material. Basalt - und es handelt sich immer um feinkörnigen - lässt sich problemlos in Schlagtechnik zurichten, wie das berühmte Depot von Kassel-Kirchdithmold lehrt (mal googeln). Bei AHS-Material und allen sonstigen Metamorphiten sieht das schon ganz anders aus. Zwar sind Dechselklingen mit partiell überschliffenen Negativen aus "Amphibolit" bekannt, die auf Schlagtechnik hinweisen, aber prinzipiell brechen die meisten Metamorphite entlang der Schieferung unregelmässig getreppt, so dass auf jeden Fall als letzter Arbeitsgang Pickung notwendig ist.

- Jungneoolithische Felgesteinbeilklingen - wie das Prachtexemplar von RP - wurden aus formgeeigneten Geröllen hergestellt. Wegen der gerundeten Oberfläche ist es ausgesprochen schwer, geeignete Schlagflächen zu finden, die eine Zurichtung in Schlagtechnik erlaubten. Im übrigen ist auch hier die Gefahr eines Fehlschlages viel zu gross. Auch wenn man es nicht glauben mag, weil der Arbeitsaufwand schier riesig erscheint, denn jedes erkennbare Pünktchen auf der Oberfläche steht ja für einen Schlag: Das wird völlig aufgewogen durch die Möglichkeit, die Oberflläche der Klinge derart uniform zu modifizieren, dass der anschliessende Schliff, der sich aus funktionalen Gründen ja nur auf die Schneide beschränken muss, unglaublich einfach und vor allem schnell von statten geht!

- Vergessen wollen wir schliesslich nicht, dass die Picktechnik eine enorme Rolle in der Geschichte der intentionellen vollständigen Durch- und partiellen Einlochung spielt (sog. Nussknacker). Dies lässt sich bereits für das Mesolithikum an den sog. Geröllkeulen bzw. den sog. Spitzhauen nachweisen. RPs "Ampf" hat das ja als "Schlag´bohrung´" beschrieben, wobei er zurecht darauf hinwies, dass es sich natürlich nicht um eine Bohrung handelt!

@RP: LBK-Platz 1800 m vom nächsten Wasserlauf entfernt! Kennt Dein "Ampf" den Platz? Wenn ja, hat er bestimmt dort schon einen Brunnen vermutet, oder?

Schala gaschle KIS     
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

rolfpeter

Zitat von: Khamsin in 02. März 2008, 16:43:26

@RP: LBK-Platz 1800 m vom nächsten Wasserlauf entfernt! Kennt Dein "Ampf" den Platz? Wenn ja, hat er bestimmt dort schon einen Brunnen vermutet, oder?


Ja Khamsin, er kennt den Platz und bei Stellen 1800m vom Bach entfernt, vermutet der immer einen Brunnen.
Es ist eine geradezu riesige Siedlungsstelle von ca. 450 * 500 m² mit mehrenen Konzentrationen von LBK und eventuellem Mittelneolithikum. Auf einer Stelle tauchen  überwiegend Dechsel auf, ich werde nachher noch einen hübschen Vertreter dieser Gattung zeigen. An einer anderen Stelle ist dieses Jahr wohl einige cm tiefer gepflügt worden, es gibt Grubenausackerungen en masse. Die Keramik, mit der ich zur Zeit die Leser langweile, stammt von dort und auch das Dechselchen aus Phtanit.
Nach der Steinernte, d.h. wenn die Rüben stehen, werde ich das Material aufarbeiten und zusammenfassend vorlegen. Zur Zeit bleibt mir da keine Zeit zu! Wenn ich nur bedenke, daß der Bauer nochmal über den Scherbenacker eggen sollte, dann rollen sich mir schon die Zehennägel auf  :irre: Ich habe das Feld jetzt im 4m Abstand abmäandriert, werde aber auch nochmal quer laufen, da komme Meilen zusammen, sag ich dir!

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert