Jadeitfitzel

Begonnen von rolfpeter, 17. März 2010, 20:00:32

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rolfpeter

Servus,

ich suche gerade in meinen Beständen nach einem Fundstück und dabei ist mir dieses Schneidenteil einer geschliffenen Beilklinge in die Finger gekommen:

Wie man auf den Bildern deutlich sieht, ist die Farbe grün, und so habe ich das Teil damals auch als "Beilklinge aus Grünstein" bezeichnet. Stimmt ja auch. Ich habe mir das kleine Bruchstück noch mal näher unter sie Lupe genommen und bin zur Erkenntnis gekommen, daß es sich beim Material um ein hochmetamorphes Mineral handeln muß.
Das Gestein ist sehr hart, es läßt sich mit einem Skalpell nicht ritzen. Das Zeugs zeigt keinerlei Verwitterungsspuren. Die Oberfläche ist vom feinsten bearbeitet und der Schneidenbogen ist perfekt rund gearbeitet.
Bei "grün" klingeln da natürlich alle Bimmeln und man denkt an Jadeit.
Und so scheint es auch zu sein. Es ist ein Schneidenbruchstück einer Beilklinge aus Jadeit oder Eklogit.

Bemerkenswert ist, daß das Teil alt gebrochen und die Bruchfläche flüchtig überschliffen ist, wie man auf dem 3. Foto sehen kann.

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

thovalo

Hallo rolfpeter,

wenn das dritte (!) Foto die wirkliche Färbung am besten trifft ist, dann handelt es sich wahrscheinlicher um "Jadeitit" als um "Eklogit" oder "Omphacit".

Immer ein guter und interessierter Ansprechpartner ist Lutz Klassen (Mosgardmuseum/Dänemark).

Auch die alt abgebrochene Schneide einer Prunkbeilklinge aus Jadeitit (naturwissenschaftlich abschließend bestimmte Herkunft des verarbeiteten Gestein vom Monte Beigua bei Genua/Ligurien/Italien) vom spät datierenden Typ "Puy" aus Duisburg ist sekundär überarbeitet worden und zwar zur Miniaturform einer Prunkbeilklinge. Selbst die abgebrochenen Fragmente blieben hoch geschätzt, wurden sekundär behandelt und nicht einfach "entsorgt". Die überarbeitete Schneide aus Duisburg war der erst zweite Fund des Belegs einer Prunkbeilklinge aus Siedlungszusammenhängen (sehr wahrscheinlich spätes Neolithikum) in Deutschland. Ist dies möglicherweise der dritte?
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

Noch die Bilder zum Prunkbeilklingenfragment aus Duisburg (Länge 5,5cm). Einmal die ursprüngliche Ausrichtung mit der eindrucksvoll sorgfältigen Oberflächenbearbeitung des Originalbelegs. Einmal in vertikaler Ausrichtung mit überschliffenem Bruchkantenverlauf und der Anlage einer Schneide gegenüber der "Nackenpartie". Die Oberfläche der neu angeschliffenen Schneidenpartie ist durch Pflugschlag abgedrückt worden.
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

Der Versuch ein größeres Bild einzustellen  :besorgt:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

Versuch größere Abbildungen des Prunkbeilklingenbelegs aus Duisburg einzustellen!
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

rolfpeter

Servus thovalo,

ich freue mich, Dich bei den Steinfreunden begrüßen zu dürfen. Da scheint ja noch ein Kollege aus Westdeutschland zu uns gestoßen zu sein.
Herzlich wilkommen!

Ja, das Stück stammt eindeutig aus einem Siedlungszusammenhang. Die Stelle scheint spätneolithisch zu sein. Ich habe die Funde der Gegend noch mal wg. der Steinaxt mit langovaler Bohrung, die ich an anderer Stelle vorgestellt habe, durchgesehen.

Die Farbe des Stücks ist auf den Bildern wirklich nicht optimal widergegeben. Die Fotos sind ein wenig überbelichtet. Das letzte Bild trifft die Wirklichkeit am besten, ist aber auch noch zu hell. Wenn ich Zeit habe, werde ich bessere Bilder einstellen.

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

thovalo

Noch zur näheren Ergänzung und Klärung von Materialfragen die Bilder der ersten "Prunkbeilklinge" aus alpinem grünfarbigen Mineralgestein, die in Deutschland noch in ihrer kultisch begründeten vertikalen Aufstellung im Erdreich beobachtet werden konnte. Sie wurde 1995 bei der Anlage eines Regenwasserrückhaltebeckens in Ratingen-Lintorf (Kreis Mettmann) angetroffen. Es ist zudem die erste in Deutschland bekannt gewordene Miniaturform (Länge: 8,3 cm) einer Prunkbeilklinge des in der Produktionsabfolge früh datierenden Typs "Durrington". Das Material ist Eklogit (Radiospektronomie durch Dr. Errera/Belgien) aus dem Steinbruch "Oncino-Bulé" auf dem Monte Viso in den Cottischen Alpen nördlich von Turin (Piemont/Italien). Dieser Sonderfund ist von der Forschungsgruppe JADE unter Piérre Pétrequin trotz der geringen Größe als "Prunkbeilklinge" aufgenommen worden, weil die sehr früh entstandenen Beilklingen des Typs "Durrington" auch nur als Kleinformen produziert worden sind. Ein unmittelbares Vergleichsstück liegt im Depotfund von San Damiano d' Asiti (Piemont/Italien) vor.
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

steinsucher

#7
Hallo Forum, hallo RP,

das sind doch kleine Kostbarkeiten.

seit 2008 ist noch ein Beil aus Jadeitit hier im Westen bekannt. Im Anschluss an einen Vortrag im Kreisheimatmuseum Heinsberg konnten die Teilnehmer es "live" bewundern. (Fand ich sehr mutig, da das Teil über einer Glasvitrine und Steinfussboden hin und hergereicht wurde.) Es wurde bereits vor ca. 30 Jahren bei Strassenbauarbeiten im Stadtgebiet Heinsberg (Janses Mattes) gefunden. Nach der Erzählung des Verantwortlichen Mitarbeiters im Museum, nahm ein Baggerführer das gute Stück in sein Obhut. Zuhause lag das Teil dann drei Jahrzehnte auf der Küchenfensterbank. Im Jahr 2008 erschien er dann im Kreisheimatmuseum und übergab es mit dem Kommentar, dass es seiner Frau nun auf den Keks ginge. Vielleicht könne ja das Museum etwas damit anfangen. Zumindest eine schöne Geschichte. Fundumstände oder -zusammenhänge sind allerdings leider nicht bekannt.

Es ist ein sehr flaches Beil. Größte Dicke ist 1,3 cm. Länge = 19,5 cm. Größte Breite = 9 cm. Es ist sehr gut erhalten. Es soll demnächst an einer Ausstellung im Rheinischen Landesmuseum Bonn teilnehmen.

Als Abbauzeit des Materials in den italienischen Alpen wird in dem Artikel der Zeitraum 5.200 - 4.000 v. Chr. angegeben.

Es wurde im "Heimatkalender des Kreises Heinsberg 2009" vorgestellt, aus dem auch das Bild unten stammt. Die Farbe auf dem gedruckten Foto ist nicht natürlich. Sie geht viel mehr ins Grüne.

Wer sich für den kleinen Artikel interessiert - einfach PM. Der Artikel ist ca. 780 KB groß.

Gruß aus Heinsberg,

Fritz.

rolfpeter

Servus,

Zitat von: thovalo in 19. März 2010, 10:45:43
Die überarbeitete Schneide aus Duisburg war der erst zweite Fund des Belegs einer Prunkbeilklinge aus Siedlungszusammenhängen (sehr wahrscheinlich spätes Neolithikum) in Deutschland. Ist dies möglicherweise der dritte?

Dann wäre es die vierte. Ich besitze zudem noch ein Nackenbruchstück und das stammt auch eindeutig aus einem Siedlungszusammenhang.

Zitat von: steinsucher in 19. März 2010, 21:29:00
das sind doch kleine Kostbarkeiten.
seit 2008 ist noch ein Beil aus Jadeitit hier im Westen bekannt.
Wer sich für den kleinen Artikel interessiert - einfach PM. Der Artikel ist ca. 780 KB groß.


Ja natürlich, bin an Mitteilungen über Funde von Jadeitbeilen immer interessiert!

Die Dinger sind natürlich rar, wenn man aber mal intensiv rumschaut, gibt es doch mehr davon, als man denkt. Ich kenne noch ein vollständig erhaltenes Stück aus Jülich, einen Nacken, gefunden von einem weiteren Sammler aus Jülich, ein komplettes aus Sindorf, 2 Stücke, davon eines sagenhafte 30,4 cm lang aus Kerpen-Blatzheim. Das sind nur die, die mir jetzt gerade aus dem Stegreif einfallen und auch nur die aus meiner näheren Nachbarschaft. Ich möchte nicht wissen, wie viele unerkannte Bruchstücke in irgendwelchen Pappschachteln auf Bestimmung warten.

Das Stück, das Du uns zeigst, lieber Fritz, ist natürlich ein besonders schönes Exemplar!
Ich würde es von der Form her alst Typ Altenstadt (falls der Querschnitt eher oval ist) oder Greenlaw (falls der Querschnitt eher rechteckig ist) bestimmen. Somit gehört die Klinge eher in die jüngere Phase der Produktion.

Ich habe mal ein Bild aus British Archaeology Sept/Okt 2007 beigefügt. Das ist eine Grafik nach P. Pétrequin, der ist sozusagen der Jadeitbeil-Papst.
Das Bild zeigt über die Zeit die am häufigsten verwendeten Rohmaterialien und die morphologische Typisierung.

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

thovalo

Tatsächlich sind Nachweise von "Prunkbeilklingen" aus alpinen Mineralgesteinen im Rheinland nicht so selten wie bisher angenommen. Die Beilklingen aus den nur mühsam zu gewinnenden und zu bearbeitenden alpinen Mineralgesteinen Jadeitit, Omphacit und Eklogit sind allerdings auch über einen Zweitraum von insgesamt 1.300 bis 1.600 Jahren (Der Beginn der Produktion liegt ggf. bereits im 6. Jht. bei etwa 5.300 v. Chr.) hinweg produziert und die fertig gestellten Stücke über den Verlauf von mehreren hundert bis zu eintausend Jahren von Hand zu Hand und Generation zu Generation als Symbole und Prestigegüter weiter gegeben und sorgsam verwahrt worden. Der wertschätzende Umgang und die abschließende Deponierung trugen nicht unwesentlich zu einer weit überdurchschnittlich guten Fundüberlieferung bei.

Das heutige Rheinland gehört mit zu den Hauptabsatzgebieten der alpinen Prunkbeilklingen in Mitteleuropa. So sind die heutigen Fundstücke ganz gezielt hierhin ausgetauscht und oft noch nachträglich mit einer besonderen Oberflächenpolitur versehen worden. Da das Material nicht wie Silexbeilklingen sekundär zur weiteren Werkzeugproduktion bis zur Unkenntlichkeit der eigentlichen Zweckbestimmung zerlegt werden konnte und insbesondere weil die Aufmerksamkeit für solche Fundbelege aktuell sehr hoch ist, steigt die Zahl der Fundbeobachtungen in den vergangenen Jahren überproportional an.

Da erst die naturwissenschaftliche Untersuchung (Radiospektronomie) die Bestimmung der verwendeten Rohgesteine als Jadeitit, Omphacit oder Eklogit abschließend sichert, bewegt sich die Zuordnung des Materials von Beilklingen  aus bloßer Ansicht immer im Bereich von Vermutungen.

Auch die gesichert identifizierten Fundstücke aus Jadeitit/Omphacit/Eklogit fangen erst dann an für die Archäologie interessant zu werden, wenn sie einem der bekannten Rohgesteinvorkommen und vielleicht sogar noch anderen Beilklingen aus demselben Gesteinblock zugeordnet werden können. Dann kann der Weg von der Rohgesteingewinnung bis zur Verbreitung bestimmter Typen zu bestimmten Zeiten und über viele verschiedenartig geprägte "Kulturen" hinweg an konkrete Orte in Mitteleuropa nachvollzogen werden.

So gehört zum Finden, Dokumentieren und Bestimmen untrennbar auch das weiter Forschen  :zwinker:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

 :-) Da ich das mit den Bildern zum Vergrößern jetzt auch verstanden habe (hoffentlich) dann jetzt noch mal die Bilder der Prunkbeiklingenbelege für eine bessere Ansicht!
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.