Steilkratzer in Diaspora

Begonnen von Silex, 26. Mai 2009, 21:43:48

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Silex

Servus Leidensgenossen!
Hier unten im Überschwemmungsbereich des Urstromtales gibt es nur versprengte, verlagerte Steinzeit.
Nur ein paar Quadratmeter sind es die hier Spätmittelalter, Urnenfelderzeit und eben diesen Ausreißer an einem kleinen Graben "liefern". Es ist die höchste Stelle weitum, aber dies nur im Dezimeterbereich zum Flussniveau.
Es müsste Jurahornstein sein und es gibt typologische Entsprechungen  an meiner endpaläolithischen Premiumstelle in ein paar Kilometern Entfernung- im  ehemaligen Sumpf eines Altarmes. Da gibt es fast identische....aber es ermangelt ihnen an der Steilheit (fast 90°) der Kratzerkante.
Weil es das erste eindeutige Steinartefakt von dieser Stelle ist möchte man wissen.....
Bin fast neolithisch gestimmt
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Der Wikinger

Hallo Edi  :-)

Wirklich ein schönes und interessantes Stück.
Wie immer ist es schwierig, ja eher unmöglich diese Kratzer ohne Beifunde zu datieren.
Die Steilheit eines Kratzers / Schabers kann nach meiner Erfahrung zwei Gründe haben.
1. Denkbar wäre, und haben auch einige praktische Versuche gezeigt, dass die Steilheit eines Kratzers mit der Funktion zu verbinden ist. Anders gesagt, wurden sie vielleicht mit Absicht steil produziert, weil sie was bestimmtes "kratzen" mussten.
2. Die originale Form des Rohmaterials, in diesem Fall ein Abschlag / eine "Scheibe", hat auch eine oft übersehene Bedeutung für das fertige Aussehen.
Wenn ein Abschlag auf der Kante gegenüber des Schlagpunkts flach ausläuft gibt es "eine Natur" des Flints, dass die Retuschierungsabschläge relativ flach werden lassen, also über das Stück weglaufen. Hat mit dem natürlichen Bruchwinkel des Flints zu tun.
Ist dagegen das Stück relativ dick, wie deins, werden die Retuschierungsabschläge aus Natur steiler, und ist sogar noch ein Kiel, wie auf dem Stück, funktioniert dieser Kiel wie eine Art Blokade, die verhindert, dass die Retusche flach werden oder nach innen auf der Oberfläche gehen kann.
Auf solchen Stücken sieht man ab und zu, dass die Kratzerkante, so stark "blokiert" sein kann, dass die gemachte Kratzerkante sogar "nach innen kippt", oder "nach unten wegbiegt".
Ein bisschen schwierig zu erklären, hoffe es war einigermassen verständlich.  :kopfkratz:

:winke:

:winke:

Mark77

Hi Edi,

vom Material würd ich fast schon auf gelb-braunen Jaspis setzen. Die Cortex sieht mir sehr nach solchem aus, weniger nach Hornstein.
Aber das Bild trügt, grad bei solchen Farbgebungen.. ansonsten halt sekundär verfärbter Jurahornstein (Bohnerzhornstein).

Schöne Grüße,
Mark77

rolfpeter

Servus,

die steile Kratzerstirn erinnert mich auch ans Neolithikum. Bei uns sehen Michelsberger Abschlagkratzer ganz ähnlich aus. Gibt es eigentlich in Deiner Gegend Fundstellen der Chamer Gruppe? Die haben doch vergleichbare Geräte benutzt.

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Marienbad

...Hallo Edi,

schönes Fundstück :super:,

ich habe einige vergleichbare Schaber auf meso. und neolithischen Flächen gefunden. Als Einzelfund lassen sie sich aber sehr schwer Datieren.
Die Winkel und Höhen der Arbeitsfläche haben sehr sicher mit den verwendeten Bearbeitungsmaterialen zu tun. Feine, spröde und grobe Materialien lassen sich mit entsprechenden unterschiedlichen Winkeln besser bearbeiten. Beim Entfleischen von einem Auerochsen Fell wird sicher ein steiler und grober Schaber genutzt, bei einem ,,zarten" Marder Fell wird es sicher ein feiner und flacher Schaber gewesen sein. Bei der Holz, Knochen oder Geweihbearbeitung werden auch die verschiedensten Winkelstellungen der Schaberschneiden eine gewichtige Rolle spielen.

Gruß  Manfred

Kelten111

Wirklich sehr schöner Kratzer mein Freund :super: :super: :super:
Schöne Retuschen und schöner Jaspis.
Danke fürs zeigen :winke:

Silex

Danke! Für die "Teilnahme", Leute!
@Wikinger: Ich hab Dich sehr gut verstanden und wieder Etliches dazugelernt.
@ Mark 77: Ich denke dass es Jurahornstein ist.
@ RP:Mein Silexfundgebiet ist ein sporadisch altsteinzeitliches, hauptsächlich endpaläo- mesolithisches
Schweifgebiet. Die Grundtypen  und Rohstoffvarietäten der Werkzeuge und Abfalltypen  der jeweiligen Epoche sind sehr konstant. Das geht soweit dass man - nach langen Sucherjahren- vermeint einzelne Steinschlägerüberlieferungen, manchmal sogar die Sippe....zu erkennen glaubt...vor allem bei den Endpaläolithikern (Viele Menschen wird es wohl zu dieser Zeit in Bayern, bzw. der Oberpfalz nicht gegeben haben).
Da es im Mesolithikum  dezidierte Kratzer  dieser Machart (wie  anders , so häufig im Norden, bei Euch) hier nicht gab....auch endpaläomäßig keine ähnlichen.... denke ich an einen älteren Einzelfund.
Aber das ist mehr Wunschdenken als wirkliche  Ahnung.
Bin gespannt auf die LfD-Aestimation

Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.