Hat jemand ein Bild von einem Glättstein?

Begonnen von queque, 07. November 2008, 19:21:08

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

queque

Hat jemand von Euch schon mal einen Glättstein gefunden? Wie sieht soetwas aus und wie kann ich ihn erkennen? Kann jemand vielleicht sogar ein Foto präsentieren?
Erwartungsvoll
Bastlmann

Der Wikinger

Hallo queque !  :-)

Ich gehe davon aus, dass du die vom Altertum meinst zur Glättung von Keramik ?  :kopfkratz:
(..und nicht die neuzeitlichen aus Glas !)

Ich habe mit Hilfe des dänischen Wortes dafür nur ein ?  :platt: Bild finden können, kommt hier:

http://www.aabne-samlinger.dk/SVM/service/rapporter/filer/7/SVM2003025_Bygherrerapport.pdf

Seite 6: Foto von einem Glättstein, der als Grabgeschenk mitgegeben wurde. Eisenzeit.
(Unter dem Kinn des Skelettes zu sehen)

Silex

Servus Queque!
Ob das im unteren Bildfortschritt etwas solches war kann ich nicht sagen ...ist bloß ein Gefühl:
http://www.sucherforum.de/index.php?topic=30597.0
Der einzige Glättstein den ich bisher als solchen , von den Archäologen, eingeordnet zurückbekam war schneeweiß, birnen - bis eiförmig, auch in der Größe letzterem ähnlich....achsensymmetrisch und unglaublich glattgeschliffen. Was ich nicht glauben kann ist dass dieses Ding aus weißem Feuerstein bestehen soll.
Wenn es mir wieder in die Hände fällt stell ichs hier rein.

Es hat sie wohl zur Ton- und Metallglättung gegeben.
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Khamsin

Salaam!

Tja Bastl, wenn das so einfach wäre... Warum? Nun, das liegt einmal daran, dass es DEN "Glättstein" per se nicht gibt; jedenfalls taucht er in seriösen Steingerättypologien nicht auf. Das wird dann verständlich, wenn man weiss, wie das "Konzept Glätter", somit auch das des sog. Glättsteins, entstanden ist.
Und weil das ein gutes Beispiel für die Entstehung auch manch anderer, und fallweise wenig eindeutiger Artefakttypen ist, erlaubt mir bitte, dass ich ein wenig ausführlicher im folgenden darauf eingehe.

Hier ist es - wieder einmal - ratsam, einen Blick in die Entwicklungsgeschichte des Faches "Steinzeitarchäologie" und gewisse damit verbundene Mechanismen zu werfen. Grundsätzlich spielt dabei ja das Erfassen von Objekten aus Stein auf optischem und haptischem (betasten, anfassen)Wege die wichtigste Rolle.  Die frühen Archäologen des 19. Jh. sahen sich dabei in einer ungleich schlechteren Ausgangsposition, als ihre heutigen Nachfolger und damit auch alle Sammler, gab es doch seinerzeit noch keine Konzepte, d.h. keine Typlogien, also einen allgemein als verbindlich betrachteten Formenkanon, der eine Zuordnung irgendwelcher Steinobjekte zu bestimmten Artefaktklassen erlaubte.

Jedenfalls erkannten die frühen Archäologen bestimmte Formen, die sich wiederholten, aber auch bestimmte optisch und haptisch bemerkbare Zustände an Oberflächen, Ecken und Kanten der Objekte. Letztere erlaubten zum einen den Rückschluss auf die jeweiligen Rohmaterialarten. In besonderen Fällen, wie z.B. starkem Glanz, bildeten sie auch die Basis für weitergehende Vermutungen im Hinblick auf die Entstehungsvorgänge, was aber auch allgemein für die Formen der Objekte gilt. Mit anderen Worten versuchten die Archäologen rauszukriegen, was man wohl mit den Objekten gemacht haben könnte. Bei diesen Vorgängen spielten - gerade auch im 19. Jh. - Vergleiche mit Steingräten aus der Völkerkunde eine ganz wichtige Rolle.

Es kann natürlich nicht wundern, dass die Funktionszuweisung und damit die Namengebung von Steinartefakten dann relativ einfach war (ist), wenn die Artefakte Formen und andere Merkmale aufwiesen (-weisen), die unterschiedlich stark an jene "moderner" Werkzeuge/Geräte angelehnt sind. Beste Beispiele dafür sind Pfeilspitzen und geschliffene Beilklingen. Dies erst recht, wenn Pfeilspitzen noch mit ihrem Pfeilschaft und Beilklingen noch in ihrem Holm aus Holz erhalten waren.
Tendenziell ähnlich einfach war (ist) die Ansprache von Artefakten als "Bohrer", wobei man gut beraten ist, darunter den Vorgang zu verstehen und nicht zwingend ein entsprechendes Fundstück als das tatsächlich ehemals vollständige Werkzeug zu betrachten. Denn wir wissen ja gar nicht, ob es sich nicht in Wirklichkeit lediglich um den Bohrkopf handelt, der in einem mittlerweile schon lange vergangen "Bohrfutter" aus organischem Material (Holz, Knochen, Geweih) eingesetzt war! Unbeschadet dessen sprechen die Archäologen Steingeräte bestimmter Formen als Bohrer an.

Nun gibt es eine grosse Zahl von Steinartefakten, die keine formale Entsprechung weder in völkerkundlichen noch in modernen Geräteformen besitzen, wie z.B. bei paläolithischen Geräten. Trotzdem und verständlicherweise haben die Archäologen im Laufe der Zeit diverse Klassifikationschemata erarbeitet, mit denen man für 99,99% aller Formen hervorragend arbeiten kann.

Freilich gibt es eben noch einen Bodensatz, der sich einer präzisen Ansprache entzieht. Und hier schliesst sich der Kreis zu Bastls "Glättstein".  Nähern wir uns versuchsweise einer Obduktion über die grössere Kategorie der "Glätter". Tatsächlich gibt es in jungpaläolithischen und mesolithischen Inventaren Objekte aus Knochen, die als Glätter angesprochen werden. Ihr gemeinsames Merkmal ist ein mehr oder weniger stark entwickelter Glanz an den vermeintlichen  Funktionsenden. Und genau dieses Merkmal ist es, das die Archäologen zu der Ansprache geführt hat. Der Gedankengang dabei war (und ist): Glanzspuren > Bewegung des Objektes hin und her auf einem Werkmaterial > Vorgang: Glätten, ergo "Glätter".

Für einen Glättstein bedeutet dies: ein Stein, nicht selten ein handliches Geröll, mit Glanzspuren auf einer oder beiden Seiten.

Tatsächlich ist die Bezeichnung "Glättstein" nichts anderes, als der Ausdruck einer originären Hilfslosigkeit der Archäologen, die wirkliche Funktion solcher Stücke zu erschliessen. Denn tatsächlich stösst die optisch-haptische Methode hier an ihre Grenzen. Eine realistische Funktionsansprache kann nur auf dem Wege einer Gebrauchsspurenanalyse erfolgen. Dazu fehlt leider aber in den meisten Fällen das Geld.

Edi hat schon darauf hingewiesen, dass es im Zusammenhang mit der Keramiktechnologie veritable "Glättsteine" gibt, deren handliche Form, Material und facettierte und kratzerübersäte Oberfläche eine Verwendung bei der Glättung sog. lederhart getrockneter und noch ungebrannter Keramik nahelegt. Dies umso mehr, da sich häufig auf der Keramik flachriefige Spuren finden, die auf den Vorgang des Glättens unter Verwendung eines Glättinstrumentes mit einer konvexen und glatten Oberfläche hindeuten. Allerdings sind solche Glättsteine nach meiner Kenntnis selten.

Vermutlich würden Gebrauchsspurenanalysen zahlreicher als "Glättstein" angesprochener Artefakte ergeben, dass damit a priori gar nicht geglättet, sondern eine ganz andere Arbeit vorgenommen worden ist, wodurch aber ein Glanz am Stein entstand, der als Indiz für vermeintliches Glätten dient.

Zum Glätten von Metall vielleicht noch dies: Kupfer, Bronze und Gold wurden getrieben, dazu gibt es Funde von "Treibhämmern" aus Felsgestein. Dabei wurde die Oberfläche vor allem gestreckt und zugleich verdichtet, d.h. bei Kupfer und Bronze auch, soweit ich das richtig verstanden habe, gehärtet. Eine echte Glättung bei Gold wurde nicht mittels Stein erzielt, sondern durch Verdichten der Oberfläche mittels der konvexen Gelenkenden von handlichen Säugetierknochen. Dabei entstehen interessanterweise ähnliche breitflache Riefen, wie auf der mit einem Glättstein verdichteten Keramikoberfläche.

Bastl, Du hast doch einen Grund für Deine Frage/Bitte. Wenn Du einen Fund hast, von dem Du der Ansicht bist, es könnte ein Glättstein sein, dann stell ihn doch einfach ein.

Danke für Eure Geduld und herzliche Grüsse KIS
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

queque

Hallo Khamsin,
Danke für Deine wie immer erhellenden und bereichernden Ausführungen. Nun ja, manchmal schießen mir beim Betrachten von Fundstücken bzw.  -steinen, wenn ich sie nicht direkt typologisch zuordnen kann, Begriffe oder Bilder durch den Kopf, die einmal ich gesehen bzw. gehört habe. So geschehen vor einer Woche bei dem Feuerschläger: Da lag plötzlich dieses fast schwarze Flintstück in meiner Hand und ich ahnte, dass es kein Gerät war, wie ich es schon einmal gefunden habe. Und irgendwie war das Feuerschlägerkonzept dann plötzlich da. Nun gut: Ich stell mal Fotos von dem "Glättstein" rein - man will sich ja nicht blamieren :nono:!!! Aber irgendeinen Grund muss es ja gehabt haben, dass ich ausgerechnet ihn und nicht irgendein anderes Geröll mitgenommen habe.
Dank und Gruß vom
Bastlmann

Larry Flint

'N Abend Jung,

... zu runzelig zu dem Behufe - die Oberfläche fast wie Orangenhaut...

:-D

Larry

rolfpeter

Servus,

ich habe hier einen Stein, den konnte sogar der AmV nicht einordnen, und der kennt normalerweise jeden Stein! Es handelt sich um einen klingenförmigen Abschlag aus Rijckholt-Feuerstein. Das Bemerkenswerte ist, sämtliche Seitenkanten sind gerundet und glänzend, der Grat ist nicht abgerundet. Retuschierungen gibt es keine. Die Fundstelle ist jungneolithisch.
Um sowas hinzubekommen, muß man mit dem harten Feuerstein ordentlich rubbeln und reiben. Ob das ein Glättstein ist? Keine Ahnung, jedenfalls ist es ein glatter Stein.





HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Silex

Queque, gibt es Beifunde? Das Ding lag vermutlich im Feuer, oder? Ob kürzlich oder "entfernt" kannst wohl nur Du . mit deinem Begehungsvorsprung erspüren.
Man will zudem Strukturveränderungen an den "Schliffseiten" erkennen. Das  wären schon 2 humanoide Möglichkeiten.
Verbrannte Steine im Acker  sind  für mich stets  ein Adrenalinsignal.
Dein Ding, RP, wenn es nicht im Wasser gelegen hat,  so sieht es auch nicht aus, ist ein  "Denkmal"!
Immer wieder schön hier hier mitzulesen zu können, Khamsin!
Gute Nacht!
Bis bald
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Khamsin

Moin!

Also Bastl, hier blamier keiner. Es sei denn er wettet, verliert und bekommt einen neuen Namen! Aber das ist eine andere Baustelle.

Was hat Dich denn nun bei dem Geröll zu der Vermutung "Glättstein" geführt? Gibt es das Glanzzonen?
Ehrlich gesagt, sehe ich weder auf den 1. noch den x. Blick irgendetwas. Geht das nur mir so?

Herzliche Grüsse KIS
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

queque

Nein Khamsin, das geht nicht nur dir so - mir auch. Eine Seite ist halt zu zwei Dritteln der Oberfläche so glatt wie ein Babypopo - aber das sind die anderen Rhein- und Maasgerölle ja auch. Nun weiß ich aber demnächst, worauf ich achten muss und habe wieder was gelernt. Dank Euch allen schön!!!
Grüße vom
Bastlmann