Spitzentechnologie im Miniaturformat

Begonnen von Silex, 17. August 2005, 22:45:44

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Silex

Servus Lesefinder,
Jahrelang bin ich rumgedüst um besondere Fundstellen ausfindig zu machen. Der Erfolg war bescheiden.  Die besten Funde macht man in der direkten Umgebung. Wasser- gute Aussicht und ein alter Verkehrsweg- das gibts überall.(Wenn ich lese dass manche Zeitgenossen  100 e von Kilometern rumdüsen um Römerfunde zu machen dann.....  Das sollte man lieber den örtlichen Kreisarchäologen und "Ehrenamtlichen" überlassen).  Und dann sollte man die heimatliche Fundstelle  kontinuierlich begleiten und schützen- auf jeden Fall auch wegen dem kleinsten Furz melden .  Vor Allem die letzen Bebauungsnischen an den Rändern der krebsartig wuchernden Siedlungen müssten untersucht werden,dann werden auf den meistens fundführenden Parzellen Ausgrabungen "bezahlt" - von den Flächenfressern        ( Immobiliengesellschaften- Bauträgern- Industrie etc).
Direkt zwischen Neubauten gefunden - dieses Filigranstteil im Kleinstformat. Dunkel- honiggelb- geflügelt- vermutlich ein Flügelchen abgebrochen.  Um welches Material könnte es sich handeln? Vermute zeitlich ein Endneolithikum...? Diese Minispitzen müssen wohl vergiftet gewesen sein oder zur Jagd auf Kleinstgetier verwendet worden sein. Allein die Befestigung am Pfeilschaft scheint unlösbar. Und dann erst die herstellung....Na dann gute Nacht
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Artefakte

Hallo Silex,

da hast du wieder mal ein tolles Teil gefunden. Soetwas fehlt mir noch in meiner Sammlung. Mit Endneolithikum liegst du wohl richtig! Die Schäftung sehe ich aber gar nicht so problematisch. Ich meine, dass der gespaltene Schaft bis weit zur Spitze geschoben wurde und mit Birkenpech dem "Kleber der Steinzeit" verklebt wurde. Außerdem sind meines Erachtens Pfeile dieser Zeit oft noch zusätzlich mit "Wiederhaken" in Form von seitlich angelegten Flint-Spitzen ausgestattet worden, was das Jagen auf größeres Getier trotzdem möglich macht.

Im übrigen gebe ich dir Recht: Warum in die Ferne schweifen, denn das Gute liegt so nah!

Ich stürzte einmal mit dem Fahrrad weil ich in eine Straßenbahnschiene geraten war, klatschte auf das Sträßenpflaster und direkt vor mir lag eine Ammonitenspitze. Das linderte etwas meine Schmerzen! :heul:

Gruß Artefakte

rolfpeter

Klar, die Teile wurden sehr tief geschäftet.

9mm Parabellum ist auch nicht größer!

Gruß
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Silex

Und jetzt habe ich SIE zurückbekommen samt Zeichnung und mit der Materialangabe :"feinster Kreideflint"
Sind die sichtbaren Negative  druckretuschiert, geschlagen oder in  einer Kombination beider Techniken gefertigt worden?
bis bald
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Der Wikinger

Hallo Edi !!

Wunderbare Pfeilspitze !!!

Wüsste ich nicht anders, würde ich sagen der Flint kommt aus meiner nördlichen Hemisphere !!  :platt:

Silex

Jaja agersoe, das Rohmaterial oder vielleicht sogar die fertige Spitze muss aus dem Norden stammen.  Ich fand sie direkt an der Naab (einer wichtigen Nordsüdwasserverbindung in unserem Gebiet- sicher auch schon in der Vorgeschichte) , einem Fluss der direkt in die Donau mündet    Sagt ihr nicht "Kreideflint" zu diesem Material?
Mich würde interessieren ob es ähnliche Ausformungen bei Euch gab- dann könnte man vielleicht erahnen ob dieses Teil auch  im Norden gefertigt wurde.
......Aber dieses Teil ist wirklich winzigst.... und meines Wissens die einzige in dieser Form und aus diesem Material...weit und breit.

Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Der Wikinger

Hallo wieder Edi !!  :-D

Also diese kleinen, relativ dicken Spitzen sind hier eigentlich sehr gewöhnlich.

Ich habe in meiner Sammlung nicht eine ganz genaue Pendant zu deiner Spitze, aber ich bringe dir dennoch ein paar Fotos.

Erst mal eine Pfeilspitze des etwa gleichen Typs, nur sind die Wiederhaken nicht so entwickelt:



Dann noch ein paar Fotos von einer Spitze (anderen Typs) vom sehr ähnlichen Material:
(Kreideflint nennen wirs eigentlich nicht, denn bei uns kommt ja der ganze Flint aus Kreide- oder Kalkvorkommen !! )

Diese Spitze ist so dünn gemacht, dass man die Transludenz sieht:






:prost:

Silex

wahnsinn, agersoe...die zweite Spitze auf Deinen Fotos  ist genau das Material (soweit ich das beurteilen kann)  mit einer minimalen Farbabweichung  ...aber genauso durchscheinend..auch die Art der Fertigung ist frappierend ähnlich... ich bin irgendwie geneigt mein Fundstück in den nördlichen Kulturkreis zu stellen...
Danke fürs Raussuchen und Zeigen...das muss ich meiner Archäologin zeigen....


Wie nennt man das Material  der zweiten Pfeilspitze ......
Servus, agersoe

das war sehr interessant....
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Der Wikinger

Zitat von: Silex in 23. März 2007, 22:47:31
wahnsinn, agersoe...die zweite Spitze auf Deinen Fotos  ist genau das Material (soweit ich das beurteilen kann)  mit einer minimalen Farbabweichung  ...aber genauso durchscheinend..auch die Art der Fertigung ist frappierend ähnlich... ich bin irgendwie geneigt mein Fundstück in den nördlichen Kulturkreis zu stellen...
Danke fürs Raussuchen und Zeigen...das muss ich meiner Archäologin zeigen....


Wie nennt man das Material  der zweiten Pfeilspitze ......
Servus, agersoe

das war sehr interessant....

Hallo wieder Edi !!  :-)

Das ist schon alles sehr kompliziert, weil es so viele Varianten gibt.

Bei diesem Stück bin ich mir aber ganz sicher. Er stammt aus den massiven gemischten Flintschichten der (Schreibe-) Kreide-Vorkommen auf Ost-Seeland bei Stevns und Møn.

Die Achäologen nennen das Material Senon-Flint.

(Mein Stück mit 99,9 % Seeländische Senon, zu unseren Stränden vom Eis der letzten Eiszeit gebracht)

Jedoch ist das geologisch gesehen misweissend.
Der Flint kommt aus den oberen Kreidezeit-Schichten, und wird von den Geologen: Die Maastricht-Sekvenz genannt !!

:super:

Silex

Danke agersoe für Deine unermüdliche Hilfsbereitschaft, Deine Kompetenz   und diese kleine "Zweierkonferenz" im Steinzeitunterforum.
bis bald
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Der Wikinger

Zitat von: Silex in 23. März 2007, 23:17:21
Danke agersoe für Deine unermüdliche Hilfsbereitschaft, Deine Kompetenz   und diese kleine "Zweierkonferenz" im Steinzeitunterforum.
bis bald
Edi

Ist ja wie immer ein Vergnügen, Edi !!!  :winke:

Der Wikinger

Hallo Edi !!  :-)

Als Ergänzung habe ich mal einige Stücke Senon-Flint aus meinem Flinthaufen ausgesucht, damit du sehen kannst wie der Flinttyp in Natura aussieht.
Die Stücke sind auf unseren Stränden gesammelt, und von mir weiterverarbeitet.
Die früher von mir gezeigte Pfeilspitze ist braunpatiniert, von eisenhaltiger Umgebung. Deine Pfeilspitze scheint nur ganz leicht braunpatiniert zu sein.

In poorer Form ist der Flint so Koks- bis Antracit-grau, mit Partien, die heller bis weiss sind, durchscheinend, oft mit kleinen dunklen Teilen im Flint, die jedoch überhaupt keinen Einfluss auf die Eigenschaften des Flints haben. Dieser Flint ist, zusammen mit dem ganz schwarzen Flint aus tiefergelegenen Schichten der gleichen Fundstellen auf Ost-Sjælland unter den absolut besten zur Herstellung von Flintgeräten. Vielleicht erkennt man auf den Fotos wie rein und extrem scharf der Flint spalltet !!

Senon Flintknolle, dieser ist aufgesammelt,weil er ein "Lochstein" ist, bringt Glück !!  :zwinker:


Grosse Abschläge aus meinem Flinthaufen:


Hier sieht man die ganz reinen, scharfen Linien der Kanten:


Die leichte Cortex-Schicht, die typisch für die Strandknollen ist:


Die Durchscheinbarkeit einer Klinge: (das Grüne auf der Oberfläche sind Algen, weil es draussen gelegen hat !!)
Die Farbe des Flints scheint, wenn durchleuchtet eine leicht braune "Unterton" zu bekommen.


Und noch ein Bild davon:


Hoffe dies war einigermassen Illustrativ !!  :winke: