Größe von Kernsteinen in Bezug zu setzen mit der Seltenheit des Rohstoffes?

Begonnen von Levante, 10. Februar 2014, 21:36:12

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Levante

Huhu,

durch neue Funde stellen sich mir wieder mal neue Fragen.

Wie klein können Kernsteine oder auch Reste von nordischem Flint eigentlich sein?

Ich dachte bislang immer, dass diese meist doch recht groß sind.

Allerdings habe ich nun, auf einer neuen Fundstelle, einige Stücke gefunden welche recht klein sind. Die ich aber als Abschlagsrest-Steine oder anders ausgedrückt als Kernsteine ansprechen würde.

Hängt die Ausnutzung des Materials eventuell nicht nur mit dem Werkzeug zusammen welches man abschlagen wollte sondern auch mit der Seltenheit des Materials bzw. der Entfernung des Herkunft Ortes des Rohstoffes?

Oder eher ein Anhaltspunkt für die zeitliche Verwendung?

Das bei uns typische Material für Beile, Klingen und weitere Tools ist Kieselschiefer, dieses Material kann im Werra-Becken "gesammelt" und verwendet werden.  

Bilder folgen morgen und bitte schimpft nicht wieder zu sehr über meine Qualitativ minderwertigen Fotos.  :zwinker:
Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

Steinkopf

Hallo Patrick,

die Größe der Kernsteine kann durch verschiedene Faktoren determiniert werden.

Für mein 'Schweifgebiet' in NW-Deutschland mit der daran hängenden zimbrischen Halbinsel

kann man feststellen, dass in den meisten Stufen des Mesolithikums für die Herstellung von Mikrolithen kleine Klingen, Lamellen benötigt wurden.
Dabei blieben kleine Kerne übrig.

Dabei spielt auch das zur Verfügung stehende Rohmaterial eine Rolle. In DK und SH sind die 'kleinen' mesolithischen Kerne noch recht beachtlich.
Auf dem Gebiet der Altmoräne im Weser-Ems-Gebiet zum Beispiel ist der Rohstoff knapp und qualitativ nicht gut. Hier finde ich Kerne, die kleiner
sind als das Endglied des kleinen Fingers.

Die Neolithiker bevorzugten größere Klingen. Dies spiegelt sich dann auch in den Kernen als Produktionsabfall wieder.

Für die noch später einsetzende Vorliebe für Klingendolche wurden extrem lange Klingen genommen. Dabei blieben auch recht große Kerne zurück.

So würde ich es grob zusammenfassen.

LG

Jan

Levante

Hallo Jan,

vielen Dank für die verständliche und ausführliche Antwort.

Also in etwa wie ich es mir gedacht habe, auch wenn ich schon mal nicht an Mesolithikum gedacht habe. Aber dies wird bei meinen Stücken wohl nicht zutreffen.

Anbei mal die ersten Bilder, damit wird der Begriff Reststücke sicherlich auch verständlicher.
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Levante

weiter....
Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

Levante

Die letzten beiden Stücke würde ich eigentlich versuchen als Werkzeuge oder zumindest als bearbeitete Stücke zu bestimmen.

Auf dem Acker liegt nebst dem Gräberfeld der RKZ und den Flintfragmenten sicherlich noch mehr, aber er hat eine Größe von 15 Hektar.  :nono:
Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

Levante

Auf anderen Flächen liegen bei mir eher solche Brocken als Reststücke.

Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

teabone

Hallo Patrick,

IMG_2027 bis IMG_2031 halte ich für einen Flintenstein französischer Herkunft!

LG Augustin
Such- und Fundgebiet: Weinviertel, Nö.

thovalo

Zitat von: teabone in 11. Februar 2014, 18:40:07
Hallo Patrick,

IMG_2027 bis IMG_2031 halte ich für einen Flintenstein französischer Herkunft!

LG Augustin


Das sind Flintensteine!

Gut gecheckt!  :super:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

CF

Hallo Patrick,

ehrlich gesagt erkenne ich außer dem Flintenstein keine Artefakte. Die als Kerne bezeichneten Stücke haben auf den Spaltflächen Schlagaugen, die Grate sind zerrüttet, das deutet auf Gletschergeschiebe oder Bestoßungen im Schotter hin. Zudem sind die Negative wild verteilt, normalerweise sind Schlag- und Abbauflächen deutlich zu erkennen (außer bei opportunistisch abgebauten Kernen). Den beiden klingenförmigen Stücken fehlten die Schlagflächenreste, ebenfalls ein Hinweis auf gequetschte Geofakte.
"Toleranz ist die Fähigkeit, jeden in seiner Umgebung zu dulden."

Furchenhäschen

Zitat von: CF in 11. Februar 2014, 22:27:11
Hallo Patrick,

ehrlich gesagt erkenne ich außer dem Flintenstein keine Artefakte. Die als Kerne bezeichneten Stücke haben auf den Spaltflächen Schlagaugen, die Grate sind zerrüttet, das deutet auf Gletschergeschiebe oder Bestoßungen im Schotter hin. Zudem sind die Negative wild verteilt, normalerweise sind Schlag- und Abbauflächen deutlich zu erkennen (außer bei opportunistisch abgebauten Kernen). Den beiden klingenförmigen Stücken fehlten die Schlagflächenreste, ebenfalls ein Hinweis auf gequetschte Geofakte.

Servus Patrick,
genau so ist es,
da schliesse ich mich ohne wenn und aber an.
Grüße
Peter

Steinkopf

Hallo in die Runde,

Im Wesentlichen sehe ich es genau so wie Augustin, Thomas, Christian und Peter es gepostet haben.
Allerdings kann es sich bei dem auf den Bildern ..2023, ..2025 und ..2026 gezeigten Stück
sehr wohl um ein Artefakt handeln.

Es ist zwar selten, aber es kommt gelegentlich vor, dass eine Schlagfläche kollabiert.
Wenn der 'impact' auf eine zu kleine Schlagfläche trifft, kann es vorkommen,
dass diese zersplittert.

Solche 'Klingen ohne Bulbus' hatte ich schon einmal hier vorgestellt. Ich habe noch einige
weitere dazu gefunden, die in einem eigenen Thread zeigen werde.

LG
Jan

Levante

Guten Morgen,

ok, bei dem einen Stück handelt es sich wieder mal um einen Flitenstein.

Die nicht zu definierenden Stück werden wohl kaum auf natürlichem Wege nach Nord Ost Hessen gelangt sein. :kopfkratz:

Also muss doch wohl eine Verwendung zu Grunde gelegen haben, da der Transportweg doch recht weit war?

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Furchenhäschen

.........aber wie schon gesagt,
m.E. sind keinerlei eindeutige artifizielle Merkmale erkennbar, leider.

Grüße
Peter :winke:

Levante

Zitat von: Furchenhäschen in 12. Februar 2014, 11:41:49
.........aber wie schon gesagt,
m.E. sind keinerlei eindeutige artifizielle Merkmale erkennbar, leider.

Grüße
Peter :winke:

ich habs schon fast befürchtet.  :-D


Aber mal im Ernst, ich muss mich wohl doch mal bei einem von euch zum Kaffee einladen und mir an Beispielen, die ich in der Hand halten kann, alles erklären lassen.  Irgendwie will das alles nicht in meinen Kopf und schon gar nicht anhand von Bildern im Netz.

Leider bin ich in dieser Beziehung ein Haptiker der alles befühlen muss um es zu verstehen.  :nixweiss:

Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

CF

Zitat von: Levante in 12. Februar 2014, 17:38:23
... ich muss mich wohl doch mal bei einem von euch zum Kaffee einladen und mir an Beispielen, die ich in der Hand halten kann, alles erklären lassen...

Wenn dir Mönchengladbach nicht zu weit weg ist, schreib mir ´ne PM. :winke:
"Toleranz ist die Fähigkeit, jeden in seiner Umgebung zu dulden."

mc.leahcim

Könnte 2027-2031. jpg nict ein Feuerstein für einen Vorderlader sein?

fragenderweise Michael
Gum biodh ràth le do thurus. = Möge deine Suche erfolgreich sein (Keltisch/Gälisch)
Die soziale Kälte hilft nicht die globale Erwärmung aufzuhalten!!

Steinkopf

Um auf Paticks Frage zu Beginn des Threads:

                 "Wie klein können Kernsteine oder auch Reste von nordischem Flint eigentlich sein?"

zurückzukommen, habe ich zwei Beispiele abgelichtet:
Gefunden auf einem mesolithischer Siedlungsplatz auf der mit Rohstoffen schlecht versorgten Geest der Altmoräne.
Es sind nicht die 'Schönsten' und auch nicht die Allerkleinsten aber sie tragen deutlich die Merkmale des Kernsteins.
Das links abgebildete Exemplar ist 'bipolar' - hier wurden von zwei gegenüberliegenden Flächen aus abgeschlagen.
Bei dem rechts stehenden Exemplar wurde nur in eine Richtung abgebaut.

LG

Jan

thovalo


 :-)


(Ist) die Größe von Kernsteinen in Bezug zu setzen mit der Seltenheit des Rohstoffes?


Eigentlich verwunderlich die Frage, da sie ganz modern ist und auch so erklärt werden kann wie Wirtschaftsmodelle heute noch funktionieren

Dort wo Silex ein rarer Rohstoff gewesen ist wurde damit umgegangen wie heute noch mit knappen Ressourcen umgegangen wird:
möglichst ökonomisch und weit ausschöpfend.

Das mesolithische Kernsteine oft sehr kleinformatig sind kommt auch in rohstoffreichen Regionen vor. Es wurden ohnehin nur kleine Grundformen benötigt und alles was man brauchte, musste auch mitgeführt werden können.

Wenn der mitgeführte Silex eine qualitativ hohe Güte besass, wurde er bevorzugt und eher auch weitgehend kleinformatig abgebaut. Im Mesolithikum wurden ohnehin nur kleine Grundformen benötigt was die Formate und die Menge des mit zu führenden Rohmaterials und Kernsteine zusätzlich deutlich reduziert hat.


Interessanter ist die Frage insbesondere in Bezug auf die systematisch weiter entwickelte jungneolithische Silexindustrie. Da finden sich an den Rohlagerstätten mit teils extrem großformatigen und sehr großformatigen Rohstücken (auf eine wichtige Grundvoraussetzung für die Formate von Kernsteinen) wie z.B. bei Spiennes und Grand-Pressigny sehr große bis riesige Kernsteine, weil man die einfach nicht mit schleppen wollte, konnte und brauchte. In den Austausch gingen die von den großen Kernsteine gewonnenen Grundformen die weithin ausgetauscht worden sind.

In dieser Zeit ist es die Regel: je weiter Fundplätze von der Rohmaterialquelle entfernt liegen, das beginnt ab mehr als einer Tagesreise Abstand zum Rohmaterialvorkommen, um so seltener finden sich Kernsteine aus Material diesen Abbauzentren und umso kleiner werden sie.

Grundsätzlich war das eine Frage der Verfügbarkeit und des Bedarfs zu allen Zeiten.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Levante

Huhu,

ich sehe jetzt schon mal einen ganz klaren Unterschied zu meinen Stücken.

Morgen werde ich mal weitere Bilder einstellen.

Es gab schließlich noch einige wenige weitere Funde von der Stelle.

Unter anderem ein Stück welches ich vorsichtig als Klinge oder Klingenfragment ansprechen würde.
Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

Levante

Huhu,

entschuldigt bitte die Unmenge an Bildern aber es geht weiter.

da wir auf dem Gräberfeld mal alles eingesammelt haben, was oberflächlich zu finden war, gab es noch einige Funde.

besonders bemerkenswert finde ich die dunklen Flint, welcher sehr stark abgerollt ist, eventuell ein direkter Beleg für ein Rohstück?

Wenn es noch zu einem Stück eine Ansprache als Werkzeug gibt, bitte zügelt euch nicht.  :-D
Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

Levante

Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

Levante

anbei noch ein Gesamteindrück von allen bislang gefundenen Fragmenten auf der Fläche, mit dem Flintenstein.

Ach ja, meine Hände sind etwas aufgeweicht vom endlosen waschend er Funde.  :zwinker:
Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

Steinkopf

Hallo Patrick,

Das helle stück mit den Bildern 2090 bis 2094 ist das mittlere Teil einer kantenparallelen Klinge.
Vom Format her ähnlich einem 'Flintenstein. Eindeutige Spuren und Retuschen an den Bruchenden
kann ich aber nicht erkennen.

Das Teil auf den Bildern 2084 bis 2089 müsste ich schon genau betrachten können, um intentionelle
Retuschen von möglichen Pflugretuschen unterscheiden zu können. In Gebieten mit schlechter Rohstoff-
versorgung können kratzende Arbeitskanten auch an geeigneten kleinformatigen 'Trümmerstücken'
gearbeitet werden. 

Die anderen Funstücke sind 'naturrein' mit Gütesiegel!
Ob sie aber als Rohstoff von Menschen verschleppt wurden, wird man wohl nie wissen.

LG

Jan