Recyclingbeilklinge

Begonnen von Siebenpapagei, 15. April 2013, 21:31:38

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Siebenpapagei

Hallo Leute,

gestern mal wieder in SH unterwegs gewesen.
Einige Äcker konnte ich noch begehen. Dabei fand ich diese Beilklinge. Besonders finde ich, dass der Steinschläger den Nacken neu zugerichtet hat um es nach dem ursprünglichen Nackenbruch neu zu schäften. Er hat also die Beilklinge dem Holm angepasst und nicht umgekehrt.
Demnach stand wohl ein fertiger Holm schon zur Verfügung. Was nicht passt, wird halt passend gemacht :smoke:

Die Schneide ist auch noch komplett erhalten, keine rezenten Aussplitterungen. In der heutigen Zeit ein seltener Glücksfall wie ich finde.
Die Klinge misst 108 x 49 x 15 mm.
Meine Freude natürlich riesig :prost: Beilfinderglück :irre:

Viele Grüße
Ralf

Siebenpapagei

...und noch Seiten und Nacken

Marienbad

ein super Fundstück mein Lieber :super:
Genau diese umgearbeiteten Stücke haben ihren besonderen Reiz.
Danke fürs Finden und Zeigen  :Danke2:

Steinkopf

Bingo! Ein feines Fundstück mit viel Geschichte!
Wurde es bei der kompletten Schneide denn wohl noch benutzt
oder reichte das Vorhandensein?

LG

Jan

Silex

Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

CF

 :super:

Gebrochene Beilklingen wurden neu geschäftet, wenn sie noch lang genug waren, oft wurden sie in ein Zwischenfutter eingesetzt. Vermutlich wurde diese Klinge erneut direkt geschäftet, da sie lang genug war; ein Zwischenfutter aus Hirschgeweih könnte den Nackenquerschitt wahrscheinlich nicht aufnehmen.
"Toleranz ist die Fähigkeit, jeden in seiner Umgebung zu dulden."

Siebenpapagei

 :-)

Ob die Beilklinge nach der Umarbeitung noch benutzt wurde kann ich nicht sagen. Bei der gut erhaltenen Schneide :kopfkratz: Die Schneide weist allerdings auf einer Seite glanz auf. Entweder durchs Polieren beim Schleifen oder durch den Gebrauch. Es findet sich auch zum Nacken hin partiell Glanz. Was darauf schliessen lässt, dass die Klinge im Schaft gewackelt hat.

Zu der Schäftung, denke ich auch, dass die ohne Zwischenfutter im Holm saß. Ich könnte mir vorstellen, dass die Klinge ursprünglich in einem Vollholm mit ausgemeißeltem Schaftloch saß. Nach dem Nackenbruch wurde sie wohl in einen kleineren Holm mit Vorschaft eingesetzt, welcher wahrscheinlich mit Lederriemen umwickelt war, ähnlich dem Beilholm vom Ötzi, wie der Link hier zeigt:

Ötzis Beilholm

Viele Grüße

Ralf :winke:



thovalo

 :-)

Ich pflichte Manfred absolut bei: solche Fundstücke mit einer so klar erkennbaren "vita"
die die pragmatische Arbeitsweisen der Menschen in ihrer Zeit überliefern sind auch
wissenschaftlich die interessantesten Stücke, weil sie viel mehr überliefern als einen perfekten Ausgangszustand.

Ein "redender" Fundbeleg.


Bislang hatte ich nur einmal das Glück eine solchen Umarbeitung zu finden, allerdings in einem sehr kleinen Format.
Diese Miniaturbeilklinge konnte dann, wie bereits weiter oben schon geschrieben worden ist, nur noch in ein Zwischenstück
aus Geweih eingesetzt verwendet werden.

Der Fundbeleg stammt vom rechten Niederrhein und gehört zu einer Siedlung der Michelsberger Kultur.


lG thomas   :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Siebenpapagei

Hallo,

Mich würde zu dem Beil noch interessieren, in welche Phase des Neolithikums ihr das Beil einschätzen würdet.
Ich kenne mich noch zu wenig aus. Ich würde vorsichtig Trichterbecherkultur sagen, ein umgearbeitetes ehemals dünnackiges Dünnblattbeil.
Ich würde mich da noch sehr über eure Expertenmeinung freuen.

Viele Grüße

Ralf


Sprotte

Zitat von: Siebenpapagei in 22. April 2013, 22:32:07
Ich würde vorsichtig Trichterbecherkultur sagen

Auch wenn die Datierung von Flintbeilen - insbesondere Bruchstücken und umgearbeiteten Stücken wie diesem - immer nur unter Vorbehalt erfolgen sollte, würde ich mich in der Datierung anschließen. Anhand der Bruchfläche (typischer Scharnierbruch als Folge einer unzulässig großen Biegespannung) und des Beilhabitus ist von einem ursprünglich deutlich längerem Beil auszugehen. Die relative Beilgröße in Verbindung mit der Machart (z.B. guter Schliff) sind als Argumente für die gegebene Einordnung zu werten. Weiterhin möchte ich anmerken, dass ich selbst zwei (ehemals sehr große) trichterbecherzeitliche Beile gefunden habe, die nach einem Scharnierbruch kernbeilartig umgearbeitet weiterhin benutzt worden sind.

Viele Grüße
Sprotte

steinwanderer

Moin Ralf,
ich hab eben nachgelesen, daß die Schmalseiten der dünnblattigen Beile in der TBK nie geschliffen waren in der EGK dagegen des öfteren.Bei Deinem ist das der Fall.
Außerdem sind die Flachbeile der EGK sehr flüchtig gearbeitet, was im Widerspruch zu Deinem Beil steht.
Allso kann das Beil nur ein Dünnnackenbeil sein und kein Flachbeil und gehört somit der jüngeren TBK an.
Gruß Klaus
Lewer duad üs Slav

Siebenpapagei

Ich danke euch vielmals für die Bestimmung :Danke2:

Eure Einschätzungen und Erfahrungen sind für mich Goldwert! Das kann keine Literatur ersetzen :super:

Viele Grüße
Ralf