Frage an die Rheinländer?

Begonnen von a.k.a. rentner, 03. Juni 2010, 23:33:07

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a.k.a. rentner

Liebe Rheinländer!
Ich bin irgendwie von der La-Hoguette-Gruppe fasziniert.
Habt Ihr eigentlich Erfahrungen damit (ein)sammeln können?
Ist der Begriff bei Euch und allgemein eigentlich gebräuchlich?
Würde mich echt interessieren!
Bei Euch müsste es ja in linienbandkeramischen Fundzusammenhängen zu Überschneidungen gekommen können sein......
Eigentlich ein super spannender Moment, in dem die Ackerbauern auf halbmesolithische Nomaden treffen.
Gibt es in anderen Regionen ähnliche Phänomene?


Kurze Antworten befriedigen mich auch, erwarte von niemandem ne Vorlesung!
Danke im Voraus
Michi

rolfpeter

Servus Michi und alle Ineressierten,

wer sich näher mit dem frühen Neolithikum beschäftigt, der sollte auch schon mal was von der La-Hoguette-Gruppe (erstmalig definiert von Jeunesse 1986) gehört haben. Bei Wikipedia ist die Sache recht gut beschrieben.

Bei der Erfassung von La-Hoguette Funden aus Oberflächenaufsammlungen wirds dann aber auch schon schwieriger.
Die Hoguette-Leute haben keine Gruben hinterlassen und so ist es für uns Augensucher schwierig, reine Fundplätze dieser Kultur zu entdecken. Aber es gibt sie, z.B. Stuttgart Bad Cannstatt, wo der Platz von einer Travertinschicht überdeckt war. Da bist Du ja bei A. Tllmann in Bayern bestens aufgehoben, denn der hat 1991 die Altfunde von 1963 neu bestimmt und Hoguette zugeordnet.
Die Keramik taucht aber regelmäßig in LBK-Gruben auf. Östlich des Rheins gibt es La-Hoguette wohl nur in Verbindung mit ältester Bandkeramik, westlich des Rheins aber bis in die jüngere LBK.

Die Keramik ist aus Tonwülsten aufgebaut, oft knochengemagert, oxydierend gebrannt und von guter Qualität.

Verzierte Gefäße sind oft von, ich nenn's mal "girlandenförmigen Wulstbändern", bedeckt, die wiederum von Doppelstichen, hergestellt mit einem zweizinkigen Gerät, begleitet werden. Neben dieser klassischen La-Hoguette-Keramik gibt es noch die sog. Begleitkeramik, bei der sind die Wülste von einer einfachen Stichreihe begleitet.
Ein verdächtiges Scherbchen dieser Begleitkeramik habe ich auf einer LBK-Stelle gefunden. Eine Bestätigung meiner Vermutung konnte mir allerdings kein studierter Archäologe liefern. Außer ...hmhm, jaja, könnte sein...ist nix bei rumgekommen, ist vielleicht auch ein wenig speziell. Oder ich liege völlig daneben und hmhm ist 'ne Höflichkeitsfloskel.

Beim Steinmaterial wirds auch nicht einfacher: kleinformatig, schlanke Klingen, manchmal mit sekundär präpariertem Schlagflächenrest, steil retuschierte Trapeze, Bavansspitzen. Sowas kann man immer mal finden, als Einzelfund aber keiner Kultur zuordnen - wenn man's seriös sieht.

Dann gibt's noch die von Moddermann erstmalig 1970 beschriebene Limburg-Gruppe, vermutlich auch endmesolithische Hirtenbuben mit LBK-Kontakt. Außer der Keramik, die in LBK-Gruben westlich des Rheins vorkommen kann, ist von den Limburgern wenig bis überhaupt nichts bekannt. Die Keramik ist aber schon damals in Köln-Lindental von Buttler und Haberey als "Importgruppe I" und somit als Nicht-LBK erkannt worden.

Die flächendeckende Verzierung besteht aus mit Schraffur ausgefüllten Winkelbändern oder Rechteckflächen. Die Gefäße sind auch aus Wülsten aufgebaut und mit Knochengrus gemagert. Die Qualität der oft rötlichen Scherben ist aber schlechter und weicher als die von LBK oder La Hoguette.

Auf dem ersten Bild ist links Limburger- und rechts La-Hoguette-Keramik abgebildet (aus De steentijd van Nederland, 2004).
Das 2. Bild zeigt die Silices aus Bad Cannstatt (Strien, Tillmann, Die La-Hoguette-Fundstelle von Stuttgart-Bad Cannstatt. In: Zeit-Räume, Gedenkschrift für Wolfgang Taute, Bonn 2001)
Das 3. zeigt die Geweihgeräte und Scherben von dort.  (Strien, Tillmann, Die La-Hoguette-Fundstelle von Stuttgart-Bad Cannstatt. In: Zeit-Räume, Gedenkschrift für Wolfgang Taute, Bonn 2001)
4. Bild: die von mir gefundene Begleitkeramik aus Ellen/Rheinland.

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

a.k.a. rentner

Lieber Rolfpeter!!!!
Vielen Dank erstmals........das war echt super!!!!!!
Bin sehr gespannt, wie es hier weitergeht.
Michi

Pandae

heidiho,
also michi, ich habe grade meine hausarbiet über die la-hoguette-gruppe fertig gestellt, wenn du möchtest, kann ich dir gerne etwas zukommen lassen, falls du immernoch interesse an diesem thema hast.

lg,

die pandae :)

a.k.a. rentner


thovalo

Die La-Hougette und Limburg-Keramik ist in Bezug auf die Böden, zumindest im Rheinland auf die Lößböden fixiert und prägen und spiegeln damit deutlich die in der Bandkeramik gesetzte Tradititon, die besonders fruchtbaren Mineralböden aufzusuchen und zu bewirtschaften. Ob eine spezielle oder spezialisierte Bevölkerung(sgruppe) dahinter steht oder besonders tradierte Wirtschfatsweisen ist nicht näher geklärt.

Auffallenderweise scheint dabei der sonst so dominante Rheinlauf keine Rolle innerhalb der Verbreitungsmuster gespielt zu haben, sondern eben die Zusammensetzung der Böden!

:kopfkratz:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Pandae

Naja, der Rhein fungierte ja in vielerei Hinsicht als natürlich Grenze. Unklar ist, welche Gruppe zuerst dort "ansässig" war und inwiefern es da einen kulturellen Austausch innerhalb der Gruppen gab. Die Limburger- und La-Hoguette-Gruppen sind so gesehen schon als eigenständige Gruppen anzusehen, jedoch zum größten Teil ohne eigenes Siedlungsgebiet, da Funde fast nur im linearbandkeramischen Verbund gemacht werden und es ausserdem keine Hinweise aufs Siedlungswesen (wie zb. Pfostensetzungen etc) gibt, da diese Gruppen wohl eine andere Technik hatten, oder halb-nomadisch lebten und nur saisonal Plätze aufsuchten. Anhand der Keramik definieren sie sich jedoch eindeutig als eigenständige Gruppen.

thovalo

Zitat von: Pandae in 30. Juli 2010, 14:06:29
Naja, der Rhein fungierte ja in vielerei Hinsicht als natürlich Grenze.

Der urgeschichtliche Rhein war NIE der Fluss der er Heute ist, ein breit dahin fliessender tiefer Strom, sondern ein in viele mehr oder weniger breite und oft sehr flache und zusandende, verlandende Nebenarme aufgeteiltes Fliessgewässer, dass eine Verbindungslinie zwischen Norden und Süden bildete.

Dieser Fluss war viel mehr ein "verbindendes" Element als eine Grenze.

Die GRENZVORSTELLUNG und konkrete Funktion als solche prägte sich erst in römischer Zeit aus und ist seit dieser Zeit ausschließlich als politische und nicht als kulturelle oder "natürliche" Grenze zu verstehen. Immer wieder offen, immer überwindlich, immer den Ansiedlungen an seinen Ufern Leben und Fruchtbarkeit spendend.

Hier vermischten sich Kulturen und grenzten sich nicht gegeneinander ab!


:winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.