Flintenstein und Feuerschlagstein-Verdacht

Begonnen von rolfpeter, 04. August 2008, 21:26:49

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rolfpeter

Servus,
die Funde z.Zt. sind zwar keine echten Knaller, aber ich möchte sie trotzdem zeigen.
das erste Fundstück scheint ein Flintenstein mittelfranzösischer Herkunft zu sein:



Beim 2. Stück bin ich mir nicht sicher. Prinzipiell handelt es sich um einem Korrekturabschlag vom Klingenkern aus Rijckholt-Feuerstein. Die Oberfläche ist irgendwie besonders glänzend, wie ordentlich abgegriffen. Besonders am Proximalende gibt es Schlagmarken, die aber nicht so scharfkantig wie bei Klopfsteinen sind, eher abgerundet, gefühlsecht  :zwinker: . Könnte das ein Feuerschlagstein sein?







HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Silex

Und immer wieder rast das Herz.... wenn man dieses Material in den Händen hält....ein Traumkratzer... ist schon fast eingesackt.... und dann denkt man an die letzte Schlacht hier oder an ein Jagdrevier......und  die Zeit perlt ab in Jahrtausenden...
das zweite Ding kann eigentlich nur ein Feuerschläger sein, RP....jedwede anderweitige steinzeitliche Andersnutzung scheint mir ausgeschlossen.....
aber ich hatte noch keinen "eindeutigen"....
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

kees

nice looking items rolfpeter  :super:
my girlfriend found ein feuerschlagstein a few months ago..you don't find them to often at this size  :super:

Khamsin

#3
Salaam!

Flintartefakte, deren Funktion mit "Feuerschlagstein" vermutet wird, tauchen immer wieder im Forum auf. Das wirft im übrigen einen - ausgesprochen bezeichnenden - Blick auf die in der europäischen Steinzeit, aber auch in allen nachfolgenden archäologischen und historischen Epochen, und zwar ausschliesslich, angewandte Methode des Feuermachens durch Schlagen (Perkussion) von Feuerstein auf Schwefelkies bzw. kohlenstoffreichen Stahls auf Feuerstein und nicht durch Reiben zweier Hölzer (auf welche Weise auch immer)!

Und hier eine Bitte an all jene, die das nicht glauben wollen: Verschont uns jetzt mit Beiträgen, zum Feuerbohren, - pflügen, -hobeln etc. Dass es diese Methode in diversen Varianten auf der Welt gegeben hat, ist unbestreitbar. Aber eben nicht in Europa, egal was die Schulbücher dazu - leider noch immer - sagen, von der Sekundär-/Trivialliteratur ganz abgesehen!

Wie man schon längere Zeit hört, soll zu diesem Thema Dein Ampf, RP, ja in dem noch im Verlaufe dieses Jahres erscheinenden Werk von H. Floss einen Beitrag veröffentlichen. Darauf bin ich sehr gespannt! Nun zurück zu den Feuerschlagsteinen.

Weil das ein wiederkehrendes Thema ist, habe ich gedacht es sei vielleicht hilfreich, einmal grundsätzlich etwas zu den Merkmalen solcher Stücke zusammenzustellen. Dazu habe ich meine Feuerdatei und meine Bibliothek durchforstet, und hier ist das Ergebnis meiner Recherche:

1. Literatur

Wie nicht anders zu erwarten, gibt es eine unübersehbare Zahl an Einzelarbeiten aus diversen Epochen, in denen Feuerschlagsteine beschrieben und abgebildet werden. Übersichtsarbeiten dagegen, lassen sich an zwei Händen abzählen:

- Franz,L. 1929: Feuerschlagsteine. Wiener Prähistorische Zeitschrift VI, 103-105.
- Friedrich,T. 2004: Vom Funken zum Feuer - Vorgeschichtliche Feuerzeuge aus Norddeutschland.   Unveröff. Magisterarbeit, Universität Hamburg.
- Johansen,L. & Stapert,D. 1995: "Vuur-Steenen" in het Late Paleolithicum. Paleo-actueel 6, 12-15.
- Lamesch,M. 1980: Pièces en silex à extrémités et bords écrasés et polis par l´usage. Bulletin de la   Société Préhistorique Luxembourgeoise 2, 45-60.
- Langenbrink,B. & Siegmund,F. 1989: Feuersteine aus merowingerzeitlichen Gräbern: Feuerschlagsteine?   Archäologische Informationen 12, 67-75.
- Paulsen,H. 1976: Die vorgeschichtlichen Feuerzeuge in Schleswig-Holstein. Die Kunde 83, Heft 4/5.   Sonderheft IV, 108-113. 
- Roussel,B. 2005: La production du feu par percussion de la pierre. Préhistoires 11. (Montagnac).
- Runnels,C. 1994: Tinderflints and Firemaking in the Historical Period. Lithic Technology 19, 1, 7-16.

Wer sich näher mit Feuerschlagsteinen befassen will, kommt an Lamesch 1980, Paulsen 1976 und Roussel 2005 nicht vorbei (alle sind vergriffen, selbst Roussel 2005!).

2. Material

Sieht man einmal von einer nur in Nordeuropa und Norddeutschland/Polen vorkommenden, hochspeziellen Form aus Quarzit/quarzitischem Sandstein sowie (feinkörnigem) Granit (!) ab, bestehen alle sonstigen Exemplare aus Feuer- bzw. Hornstein. In Österreich, Ungarn und Italien mag es auch welche aus Radiolarit geben, da es dort Radiolaritvorkommen gibt: Österreich: Mauer bei Wien, Ungarn: Szentgal, Italien: Valle Lagorara), aber das habe ich nicht weiter überprüft.

3. morphologische Merkmale

Schaut man sich die Abbildungen an, dann fällt auf, dass die überwältigende Mehrheit der Exemplare immer ein Längen/Breiten-Verhältnis von grösser/gleich 2:1 aufweist. Die Länge überschreitet nur in Ausnahmen 10 cm. Diese Stücke sind meistens auch relativ schmal, wobei es durchaus auch breitere Exemplare gibt. Daraus resultiert ein überwiegend langschmal/langrechteckiger Umriss, und nicht umsonst werden endneolithisch-bronzezeitliche Stücke auch "fingerförmig" genannt. Die Dicke der Stücke überschreitet nur in Ausnahmefällen 2 cm.
Hand in Hand damit geht, dass sie sehr oft Reste einer Ventralfläche sowie zwei oder drei Reste parallel und längs verlaufender Negative, aber auch unregelmässig verlaufender Negative auf der Dorsalfläche tragen. Dies zeigt, dass sie aus ehemaligen Klingen (nicht selten aus Kernkantenklingen) oder massiven Abschlägen angefertigt worden sind. Sehr oft treten umlaufende und steile Randretuschierungen auf, bei denen es sich zweifellos um Handhabungsretuschierungen für die bessere Führung beim Gebrauch handelt (sog. accomodation retouch). Die Querschnitte solcher Exemplare sind trapezförmig bis subquadratisch. Neben randretuschierten Exemplaren kennt man auch seltene flächenretuschierte Stücke, die dann einen spitzovalen Querschnitt aufweisen. Fallweise können auch auf der Dorsalfläche Rindenreste vorhanden sein.

Es gibt auch unregelmässige Formen aus Abschlägen mit und ohne Schlagflächenrest, aber die sind selten.
Im Spätpaläolithikum wurden die Enden mancher Geräteformen zum Feuerschlagen genutzt. Aber bereits im früheren Magdalénien (Jungpaläolithikum) finden sich "fingerförmige" Exemplare aus Klingen!
In Norddeutschland gibt es in der Bronzezeit Feuerschlagsteine in Form sog. Minaturdolche (selten über 10 cm Länge), aber auch das ist eine Ausnahmeerscheinung.   

4. Makroskopisch erkennbare Gebrauchsspuren

Die mit blossem Auge erkennbaren Gebrauchsspuren lassen sich in zwei Gruppen einteilen:

a) an einem, zumeist jedoch an beiden Enden, seltener an den Längskanten, je nach Intensität, d.h. Dauer der Benutzung charakteristische Ausbrüche und Verrundungen und

b) unterschiedlich deutliche Seidenglanzzonen auf der Ventralfläche und den dorsalen Graten zwischen Negativen bzw. auf den gekappten Negativen von der Handhabung.

Bei den Ausbrüchen an den Funktionsenden handelt es sich um gestaffelte, d.h. gekappte Negative, die zumeist in Längsrichtung vom Funktionsende auf die Dorsal-, Ventral- und beide Seitenflächen verlaufen. Manchmal finden sich grössere Negativreste, fallweise auch als hinge-fracture ausgebildet, was auf die Schlagenergie und (bei hinge-fractures) auf einen falschen Schlagwinkel zurückzuführen ist und selbstverständlich ungewollt war.
Bei länger gebrauchten Exemplaren weisen die Grate zwischen den gestaffelten Negativen deutliche Verrundungen auf. Dies kann soweit gehen, dass die Funktionsenden aus wenigen, aber sehr stark verrundeten Facetten bestehen. In solchen Fällen sind sogar metallisch glänzende Residuen vom Schwefelkies unter dem Mikroskop zu erkennen!

Eigentlich sollte man annehmen, dass total verrundete Exemplare, weil nicht mehr scharfkantig, nicht zum Funkenschlagen geeignet seien. Dagegen spricht aber die intensive Verrundung, die ja nur durch längeren Gebrauch zu erklären ist. Und das ist ein schlagender Beleg für die Verwendung von feinkristallinem und nicht monokristallinem Schwefelkies (Pyrit)! Denn während von den glatten Seiten eines Pyritwürfels solche Funktionsenden schlicht abgerutscht wären, konnten sie von den Flächen feinkristalliner Aggregate nach wie vor feinste Partikel lösen, die durch die Reibungshitze zu Funken wurden.

Dies wiederum zeigt, dass die Partikel mangels scharfer Kanten nicht aus der Fläche der Schwefelkiesknolle herausgehobelt/-gekratzt wurden, sondern dass die blosse kinetische Energie am Auftreffpunkt die feinen Kristalle zermalmte und so aus ihrem Verband löste. Das ist der Grund, warum auch mit völlig verrundeten Funktionsenden noch immer erfolgreich Funken geschlagen werden konnten!

Sind Feuerschlagsteine noch nicht lange in Gebrauch, so weisen ihre Funktionsenden klassische Zerrüttungszonen auf, wie sie von Klopern oder ausgesplitterten Stücken bekannt sind. Bei zunehmendem Gebrauch verrunden diese Zonen immer mehr.

Wenn man sich vor diesem Hintergrund RPs fragliches Stück anschaut, dann sollte man zu dem Ergebnis kommen, dass es sich um einen noch nicht lange in Gebrauch befindlichen Feuerschlagstein handeln könnte.

Herzliche Grüsse KIS 
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

rolfpeter

Herzlichen Dank für den ausführlichen Beitrag, Khamsin! Ich denke, daß der uns wirklich weiter gebracht hat.

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Khamsin

Salaam!

RP, wie immer my pleasure!

Herzliche Grüsse KIS
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

Silex

Druckreif und wohltuend "erschöpfend" - ferner Staubbefreier - wo Du drüberfegst wirds klarer,
Khamsin!
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Khamsin

Edi!

Es macht halt immer wieder Spass, an dieser Stelle des Forums was einzustellen. Und das liegt daran, dass das auch gelesen und verstanden wird. Wüsste ich das nicht, dann tendierte meine - ohnehin nicht starke - Präsenz gegen zero. So aber könnt Ihr auf mich zählen, so, wie ich auf Euch!

Herzliche Grüsse KIS
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"