"fingerförmige Schlagsteine"

Begonnen von thovalo, 19. Januar 2016, 19:36:34

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thovalo



Unter den hier gezeigten drei Fundbelegen sind zwei sicher ansprechbare langschmale Feuerschlagsteine mit charakteristisch verrundeten Funktionsenden an den Schmalenden der Grundform (das kleinere der drei Stücke links und der Beleg aus dunklen Silex in der Mitte).

Die zweite der größeren Klingen ist hell-grau und zeigt, wie der etwa gleich große Feuerschlagstein aus einer Klingengrundform, ventralseitig zur Basis hin eine Retuschierung zur Reduktion des Bulbus und zur gleichzeitigen Freistellung eines exponierten (Feuerschlag)Punktes am proximalen Ende.

Während der Feuerschlagstein aus dunklen Silex bereits intensiver eingesetzt wurde und an beiden Enden Verrundungen aufweist, ist der hellere Fundbeleg möglicherweise ein fertig gestellter jedoch noch nicht in Gebrauch genommener Feuerschlagstein (beide Exemplare sind bilateral durchlaufend retuschiert).


Hat noch Jemand die Fundbeobachtung einer solchen Zurichtungsweise?


lG  Thomas


Klinge aus dunklen Maasfeuerstein (Mitte): 7.7 cm Länge
Klinge aus hellen   Maasfeuerstein (Rechts) 8.3 cm Länge
Klinge aus hellen   Maasfeuerstein (Links) 4.6 cm Länge
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Steinkopf

#1
Hallo Thomas,

das sieht ja nach standardisierter Ware aus.

Ob diese 'Geräte' wohl schon leicht gebraucht (eingefahren) oder neu und scharfkantig in den Handel kamen?
Ein ungebrauchten Schlagstein ist ja schwer als solcher zu erkennen.

Einen (Zitat)   "...Feuerschlagstein aus einer Klingengrundform, ventralseitig zur Basis hin eine Retuschierung
                     zur Reduktion des Bulbus und zur gleichzeitigen Freistellung eines exponierten (Feuerschlag)Punktes am proximalen Ende"

kann ich hier zeigen. Im Unterschied zu Deinem Sortiment ist hier die Klinge an beiden Seiten scharf belassen.

LG

Jan

thovalo

#2
Zitat von: Steinkopf in 20. Januar 2016, 22:50:41
Hallo Thomas,

das sieht ja nach standardisierter Ware aus.

Ob diese 'Geräte' wohl schon leicht gebraucht (eingefahren) oder neu und scharfkantig in den Handel kamen?
Ein ungebrauchten Schlagstein ist ja schwer als solcher zu erkennen.

Einen (Zitat)   "...Feuerschlagstein aus einer Klingengrundform, ventralseitig zur Basis hin eine Retuschierung
                    zur Reduktion des Bulbus und zur gleichzeitigen Freistellung eines exponierten (Feuerschlag)Punktes am proximalen Ende
"

kann ich hier zeigen. Im Unterschied zu Deinem Sortiment ist hier die Klinge an beiden Seiten scharf belassen.

LG

Jan


Herzlichen Dank Jan, es war meine Hoffnung, dass sich dieses spezielle Merkmal auch an anderen Feuerschlagsteinen beobachten lässt!
Das ist eine hoch effiziente und durchdachte Bearbeitungsweise, die den notwendigen Schlagpunkt an der stärksten Stelle der Grundform frei stellt. Der freigestellte Schlagpunkt ist effizient für einen kontrollierten und punktzentrierten Umgang mit diesen Stücken beim Feuerschlagen.

Die Klinge aus hellgrauen Silex war mir aufgefallen, da sie gegenüber der dunklen als Feuerschlagstein verwendete Klinge identische Bearbeitungsmerkmale aufweist aber noch keine Nutzungsspuren zeigt (zumindest makroskopisch nicht erkennbar).

Da Du ein Exemplar mit derselben Zurichtungsweise zeigen kannst ist es nicht unwahrscheinlich, dass es sich bei dem hellen Stück aufgrund der typologischen Merkmale, tatsächlich um einen noch nicht in Gebrauch genommenen aber auf diesen Gebrauch hin zugerichteten Feuerschlagstein handeln kann. Ein unbenutzter und als solcher ggf. typologisch auch identifizierbarer Feuerschlagstein ist mir zumindest aus der Literatur des Rheinlands noch nicht bekannt. Die zurichtungsweise ist aber offenbar weiter verbreitet.

Auf dem rechtsrheinisch gelegenen Fundgelände ist gerade für die Zeit des späteren Neolithikums Vieles singulär an Beobachtungen und/oder von etlichen kulturellen Aspekten des Niederrheins abweichend. Die Mengen an Pfeilschneiden z.B. entsprechen in ihrem besonders häufigen Vorkommen den Gewohnheiten der TRBK auch wenn sie in westlichen Ausrichtung entlang der Maas über Belgien bis Frankreich ebenso, jedoch nicht so hoch konzentriert vertreten sind.

Kannst Du noch die Maße Deines Feuerschlagsteins mit angeben und sagen aus welcher Region Dein Belegstück stammt?
Sind an Deinem Fundbeleg beide Enden verwendet worden/verrundet?


lG und vielen Dank  :winke:



Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Steinkopf

#3
Moin Thomas,

Der abgebildete Feuerschlagstein hat die Maße: 86 mm / 30 mm / 6 mm.

Am Klingenende wurde er nicht 'zugespitzt', wohl aber benutzt.

Ein zweites Exemplar stelle ich hier noch ein. Es wurde ebenfalls am Bulbusende bearbeitet.
Trotz der Gebrauchs-Verrundung sind die Retuschen sichtbar.

Beide Exemplare stammen aus der Umgebung von Silkeborg.

Da Deine Funde aus einem Feuersteinimportgebiet stammen, wurde sicherlich 'standardisierte Handelsware' herangeschafft.

Die allermeisten Feuerschlagsteine, die ich aus dem Verbreitungsgebiet des Baltischen Flints habe, sind recht opportunistisch
aus geeigneten länglichen Stücken gemacht. Es tauchen eher selten reguläre Klingen dabei auf.

Schöne Grüße

Jan

thovalo

Zitat von: Steinkopf in 21. Januar 2016, 10:14:00
Moin Thomas,

Der abgebildete Feuerschlagstein hat die Maße: 86 mm / 30 mm / 6 mm.

Am Klingenende wurde er nicht 'zugespitzt', wohl aber benutzt.

Ein zweites Exemplar stelle ich hier noch ein. Es wurde ebenfalls am Bulbusende bearbeitet.
Trotz der Gebrauchs-Verrundung sind die Retuschen sichtbar.

Beide Exemplare stammen aus der Umgebung von Silkeborg.

Da Deine Funde aus einem Feuersteinimportgebiet stammen, wurde sicherlich 'standardisierte Handelsware' herangeschafft.

Die allermeisten Feuerschlagsteine, die ich aus dem Verbreitungsgebiet des Baltischen Flints habe, sind recht opportunistisch
aus geeigneten länglichen Stücken gemacht. Es tauchen eher selten reguläre Klingen dabei auf.


Schöne Grüße

Jan


:winke:   Danke für die tollen Vergleichsstücke!


Auch hier sind die "fingerförmigen" Exemplare aus regulären Klingen unter den Feuerschlagsteinen sehr selten, bilden aber mit zunehmender Kenntnis solcher Stücke eine kleine eigene Gruppe. Da ist Dein Hinweis darauf, dass es sich um bereits vorgerichtete Zielprodukte auch für den Austausch handeln kann, wichtig!

Möglicherweise kann man diesbezüglich mit der Zeit auch eine ungefähre chronologische Stellung der Entstehung solcher von Anfang an als Feuerschlagsteine gestalteten Stücke ...... auf die beiden von mir aufgelesenen Exemplare bezogen müsste es in einem Zeitfenster liegen in dem man gleichförmige Klingen im Bereich der Lagerstätte bei Rijckholt in den Niederlanden aus qualitätsvollen bergfrischen Rohstücken gewinnen konnte.

Das bezieht sich insbesondere auf die Zeit der Michelsberger Kultur, die auf dem Fundgelände stark repräsentiert ist und das späte Neolithikum, dass hier anm Ort wohl für den ganzen Niederrhein repräsentativ, am nachhaltigsten und umfangreichsten Artefakte hinterlassen hat.

Klasse, dass Du meine Frage so stark unterstützen kannst!

DANKE Thomas   :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Furchenhäschen

Hallo,
ergänzend zu diesem Beitrag von Thomas möchte ich da es passt darauf hinweisen,
dass im aktuell ausgegebenen Jahrbuch "Das Archäologische Jahr in Bayern 2018"

auf der Seite 36 ein ergrabener Glockenbecherzeitlicher  Feuerschlagstein, geschäftet im Hirschhorngriff mit Lochung abgebildet ist.
Die Lochung in der Geweihspross diente sicherlich dafür um den Feuerschlagstein an einer Sehne oder einem Seil umgehängt zu tragen.

Ein Foto aus dem Buch setze ich wegen etwaiger Urheberrechtsverletzungen nicht hier rein.

Grüße
Peter :winke:

thovalo

Zitat von: Furchenhäschen in 15. November 2019, 17:28:24
Hallo,
ergänzend zu diesem Beitrag von Thomas möchte ich da es passt darauf hinweisen,
dass im aktuell ausgegebenen Jahrbuch "Das Archäologische Jahr in Bayern 2018"

auf der Seite 36 ein ergrabener Glockenbecherzeitlicher  Feuerschlagstein, geschäftet im Hirschhorngriff mit Lochung abgebildet ist.
Die Lochung in der Geweihspross diente sicherlich dafür um den Feuerschlagstein an einer Sehne oder einem Seil umgehängt zu tragen.

Ein Foto aus dem Buch setze ich wegen etwaiger Urheberrechtsverletzungen nicht hier rein.

Grüße
Peter :winke:

Das ist ein toller und sehr rarer Fundbeleg!  :super:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.