Kratzer und Flintenstein

Begonnen von rolfpeter, 05. September 2007, 18:17:42

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rolfpeter

Servus Freunde,
heute habe ich endlich noch mal was gefunden. Zuerst einen Kratzer aus Rijckholt-Flint, Länge 60 mm. Ist wohl jungneolithisch.





Dann gibt es noch diesen Kerl, 32*22*7mm, ich tippe auf Flintenstein. Aber das Material ist nicht der sonst so typische mittelfranzösische transluzide Flint, sondern ein brauner opaker Feuerstein guter Qualität. Kennt jemand das Material?





Beste Grüße
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Silex

Servus , RP!
Schöne Fundstücke!!
Wenn Du  hier  eine Kratzerdatierung wagst.... was  bringt Dich zu einer endneolithischen Datierung? Sind es die Beifunde ...weil Du schon bestimmte Geräte  und Keramik gefunden hast? Oder kannst Du anhand der Art der Bearbeitung , Rohstoffvorlieben und der Form des Kratzers auf typische, datierende Merkmale "zurückgreifen".
Bei meinen  früh-und endpaläolithischen Fundstellen  bin ich ein beschränkter Fachidiot...aber wehe etwas schlägt aus der Reihe (früher oder später) -  schon bin ich ziemlich ratlos und auf Hilfe angewiesen (ja - das ist man bei Steinartefakten fast immer...und eine Fachberatung ist bei jedem Gerät  notwendig und durch die Meldung auch gegeben), aber man will eben selber wissen. Außerdem ist die Steinzeitkompetenz bei den Ämtern hier rückläufig....
Kennst  Du Literatur die spezielle Bearbeitungstechniken einem gewissen Kulturhorizont zuweisen kann?
Bei meinen Deutungsversuchen  abweichender Fundstücke versuche ich (bisher) immer den Wust an regionalen Altfunden abzuklappern.  Dies ist immens zeitaufwendig und selten "zielführend"....außer dass man langsam hinzulernt...


Den "Flintenstein" hätte ich als Kratzer mitgenommen...außer an der Unterseite wären noch ganz deutliche Abplatzungen zu erkennen

servus , RP
bis bald
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

rolfpeter

Servus Edi,

danke für die Antwort! Jung- nicht Endneolithikum, eine endneolithische Fundstelle fehlt mir leider noch.
Wie komme ich zu der Datierung?
1. Der Ort: ich habe dort schon einen großen Klopfstein aus Lousberg-Flint gefunden. Nach neuesten Forschungen wird der Feuerstein-Bergbau am Lousberg auf 3800 bis 2800 v.Chr.angesetzt. Es gibt von dort auch große Rijckholt - Klingen, die typisch für MK sind. MK geht etwa von 4400 bis 3500 v.Chr.
Das Material: Der Kratzer besteht aus gutem Rijckholt- Feuerstein. Der Untertagebergbau von Rijckholt ging in seiner Blüte wohl von 3950 bis 2650 v.Chr. Natürlich hat es vorher und nachher auch Artefakte aus Rijckholt-Flint gegeben aber die waren dann meistens kleiner, man konnte nicht so verschwenderisch mit dem Zeugs umgehen.
Die Form: Typisch für das Jungneolithikum sind bei uns runde, halbkreisförmige Kratzerkanten, die sehr steil, fast 90 Grad, stehen. Beide Merkmale weist der Fund auf.
Wenn ich das oben geschriebene in meinem Oberstübchen schüttle, nicht rühre und über ein Sieb in die Tastatur fließen lasse, kommt es zustande, daß ich jetzt eben gerade....späte Michelsberger Kultur tippe!
An der Fundstelle existiert auch älteres Neolithikum, habe eine flache Dechselklinge von dort, aber aus o.a. Gründen paßt das nicht.

Tja der Flintenstein, ist es einer oder ist es ein 270 Grad Kratzer. Keine Ahnung. Wenn es dann ein Kratzer sein sollte, dann würde ich ihn älter ins Neolithikum stellen. Wenn es ein Flintenstein ist, dann ein recht wenig genutzter, es gibt kaum Beschädigungen an der Ventralseite. M.E. war der dann so eingesetzt, daß die auf dem Foto obere Kante die Schlagseite wäre. Die Beschädigungen unten kämen dann von der Schraube. Wie auch immer, ein Kratzer wär mir auch recht.
Vielleicht stolpert Khamsin ja über das Posting und hilft weiter.

Beste Grüße
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Khamsin

Salaam Jungs!

Gestolpert, aber wieder aufgerappelt! Bei sowiel Erfahrung von Edi zählt unbedingt auch das Gefühl. Und da schliesse ich mich ihm gerne vorbehaltlos bei dem vermeintlichen Flintenstein an.

Auch mein Gefühl rät mir: Eher ein Kratzer denn ein Flintenstein. Das liegt zum einen an der "allgemeinen Form" des Stückes, dann an der retuschierten Schmalseite, die nicht so recht zu einem Flintenstein, indes sehr wohl zu einem Kratzer (Kratzerkappe) passt und last but not least am Material. Flintensteine im Rheinland bestehen zu 99.99% aus zentralfranzösischem Flint.
Gut RP, da sind noch die 0,01%, aber vor diesem Hintergrund erscheint es mir schlicht unwahrscheinlich, dass dieses Stück doch ein Flintenstein ist.

Freilich - und das gilt für ganz Deutschland - ist niemals vollständig auszuschliessen, dass ein Landmann mit knapper Kasse aus einheimischem Flint/Hornstein oder aus einem auf dem Feld gefundenen prähistorischen Klingen-/Abschlagbruchstück "ad hoc" einen Flintenstein hergestellt hat. Mir sind bislang solche Stücke noch nie untergekommen, was auch nicht gegen diese Möglichkeit spricht. Ehrlich gesagt wäre ich nur zu froh, endlich einmal solche Stücke zu sehen.

In diesem Zusammenhang übrigens merkwürdig, ist der Umstand, dass z.B. aus dem rheinisch-niederländisch-belgischen Feuersteinrevier mit ungeheuer grossen Flintvorkommen bislang keine einzige Flintensteinmanufaktur bekannt geworden ist! Klar, Valkenburg scheidet aus, aber Rijckholt, Rullen und Lousberg wären von der Qualität her, weil sehr zäh, gut geeignet. Lousberg andererseits scheidet letztlich aber auch aus, da es sich um einen Plattenflint handelt, der sich nicht gut zur Klingenproduktion eignet. Blieben noch Rijckholt und Rullen.
Tatsächlich sind die nächstgelegenen Flintensteinmanufakturen erst aus Südbelgien bekannt, das seinerzeit zu Frankreich gehörte. Dort wurde Spiennes-Flint verarbeitet.

In Deutschland sind bislang solche Manufakturen nur aus Südbaden (sog. Blutjaspis aus der Region von Kandern) bzw. vom Dinkelberg am Oberrhein und schliesslich und bestens zeitgenössisch dokumentiert (von Hohenhausen) aus Burglengenfeld, nördlich von Regensburg, bekannt. Einem on dit zufolge soll es eine solche Industrie auch auf Rügen gegeben haben, was ich jedoch bezweifele. Warum? Hört sich komisch an, ist aber so: Der dortige Flint ist qualitativ zu gut, d.h. er ist zu glasig und deshalb zu spröde. Ein solcher Flintenstein fliegt dem Schützen nach dem zweiten Schuss um die Ohren (wenn er Glück hat) oder in die Augen, wenn er Pech hat. Die französischen Stücke dagegen hielten (mehrfach belegt getestet!) bis zu 50 Schuss aus.   

Die vollständigste Behandlung des Themas "Flintenstein" liefert übrigens ein Manuskript von RPs AmV, das seit Jahren der Veröffentlichung in einem Sammelwerk von der Uni Tübingen harrt und mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurde. Wie man hört, soll das aber spätestens 2008 erscheinen. Das Buch soll den Titel "Steinartefakte vom Altpaläolithikum bis zur Neuzeit" tragen und soll herausgeben werden von Dr. Harald Floss. Was man immer zu Steingeräten fragen kann, soll darin von gut 30 Archäologen beantwortet werden. Wer weiss, vielleicht ist das die von vielen ersehnte "Bibel" für Steinartefakte... 

Beste Empfehlung K.I.S.
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

nox

Moin, zur Ergänzung / Thema Flintensteine: Vor kurzem war ich in der Festung Bourtange in Holland, wo Flintensteine ausgestellt waren. Hänge ich mal an. Anscheinend wurde sie in den umliegenden Dörfern auch hergestellt.

Khamsin

Salaam nox!

Auf der Seite des Museums habe ich nichts gefunden. Kannst Du Dich noch erinnern, wie die Steine aussahen und/oder welche Farbe sie hatten? Schwarzgrau, honiggelb, oder?

Danke für die Information und beste Grüsse
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

nox

Hell bräunlich bis ockerfarben, ohne erkennbare Einschlüsse und ziemlich transparent war der Flint - siehe Fotos. Wenn ich hier (Unterweser) Flint dieser Farbe finde, dann ist der weder so fehlerlos noch so durchsichtig. Mist, ich hätte die alten Fotos von der Produktion auch noch fotografieren sollen.

HTH, nox

Silex

RP!!! Kannst Du mir das  "BUCH" mit vorbestellen. Bei deinen Kontakten!!!!
Ich zahle im VORAUS
untertänigste Grüße
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Khamsin

Salaam!

Danke nox für die Bilder, aber genau das hatte ich erwartet. Es sind die typischen Steine aus zentralfranzösischem Flint. Tatsächlich wurden Flintensteine in den Niederen Landen niemals hergestellt! Wenn überhaupt, dann hätte das nur im südlichsten Niederländisch Limburg geschehen können. Denn Flintensteinmanufakturen wurden grundsätzlich immer in unmittelbarer Nähe der Flintvorkommen betrieben. In den nördlichen Provinzen in NL gibt es keinen primär anstehenden Flint. Sekundär gelagerten Flint gibt es zwar, aber die Suche danach hätte die Ausbeute bei weitem überschritten, so dass es sich nicht lohnte, abgesehen von dem Qualitätsproblem der durch Gletschertransport "gequälten" Flintgerölle.

Befasst man sich näher mit Flintensteinen, dann stolpert man in einer us-amerikanischen Grundsatzarbeit von John Witthoft über die Herkunftsangabe "Seeland", womit die niederländische Provincie Zeeland gemeint ist. Aus den oben genannten Gründen ist das natürlich blanker Unsinn. Aber man weiss ja, wie peinlich genau us-Amerikaner es mit geographischen Angaben halten! Witthoft u.a. haben geflissentlich übersehen, dass es auch noch eine dänische Insel mit dem Namen Seeland gibt. Und dort, am Ostkliff, wurde Flintensteinherstellung betrieben! Das nur zu "niederländischen Flintensteinen".

Beste Empfehlung K.I.S.     
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

rolfpeter

Servus Freunde,
hab den Flintenstein in Kratzer umbenannt. Ihr habt mich überzeugt! Endlich kommt wieder Fachkunde ins Amateurzirkelchen  :zwinker: Danke Khamsin!
@Edi: Ich vermute ja ganz bestimmt, daß das Buch eine ISBN-Nummer kriegt. Wenn nicht, werde ich natürlich alles daransetzen, für uns beide je ein Exemplar zu erwerben.
Vorkasse also NEEEE, sind doch nicht beim Ebayern.
Beste Grüße
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert