Materialquelle und Artefakt ...... hellbeige-transparenter "nordischer" Silex

Begonnen von thovalo, 03. Dezember 2010, 21:25:32

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thovalo

 :-)

Im Kreisgebiet Mettmann befindet sich die am weitesten südlich gelegene Lagerstätte glazialer Geschiebe. Im Gegensatz zur alt tradierten und immer wieder abgekupferten Lehrmeinung befindet sich diese nicht im Kreisgebiet Krefeld, auch wenn da das geologische Landesamt seinen Sitz hat (vielleicht lag die "Kurzsichtigkeit" ja daran! Man wollte und musste eben nicht so weit laufen, so direkt vor der Haustüre! Inzwischen ist dem Landesamt die Situation aber gut vertraut! Denen die Abschreiben allerdings noch lange nicht!  :winke: )


Die Silices des Krefelder Raumes sind zudem bereits stark verwittert und insbesondere durch Frosteinwirkung stark zermürbt.


Andere Erhaltungsbedingungen hatte offensichtlich die Lagerstätten im Kreisgebiet Mettmann.

Heute habe ich eine Auswahl von Rohgesteinen aus der letzten Aufsammlung gereinigt und dabei ist mir ein patiniertes Rohsilexbeleg besonders aufgefallen. Nach den ersten Bilder habe ich ihn angeschlagen und war reichlich "verblüfft", denn es handelt sich um die höchste denkbare Qualität des "nordischen "Feuersteins:

glasartig homogener hellbeige-transluzider Silex, weitgehend frei von Einschlüssen (also auch nicht der erwartete, fein mit Fossilien durchsetzte "Bryozoenfeuerstein" !)


Aus eben diesem seltenen homogen klaren Material ist auch das feinste Artefakt gefertigt worden, das ich bislang gefunden und überhaupt jemals in der Hand gehalten habe.

Die in etwa 17 Kilometer von dessen Fundort entfernt gelegene sekundäre Lagerstätte ist nicht unwahrscheinlich der Herkunftsort des verwendeten Silex, vielleicht sogar der Herstellungsort des Artefakts selber. Diese Hypothese unterstützt der Fund eines zweites extrem fein gearbeitetes Artefakt in vergleichbarer Ausarbeitungsweise. Das  Projektil fand sich inmitten der weitläufigen vollkommen mit Geschiebe durchsetzten sekundären Lagerstätte (aus dem Umfeld des Fundpunktes stammen auch einige Beilklingenabschläge  .... ).

Nach diesem außergewöhnlichen "Zusammentreffen" weiß ich wo ich die nächste Zeit prospektieren werden! Aber GANZ GENAU!  :zwinker:


(Um Missverständnissen vorzugreifen: Die Fundstellen liegen eng benachbart in Nordrhein-Westfalen und nicht in Skandinavien!)


GlG  thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

 :-)

Oben der Rohsilexbeleg ganz und dann angeschlagen und danach das Silexartefakt aus dieser feinsten "nordischen" Silexvarietät!
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

 :-)

Und zuletzt die Gegenüberstellung des Materials von Rohsilex und Artefakt im Gegenlicht!


LG   thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Mark77

Moin Thomas,

super!!!! :super: :super:

Schau mal bei Flintsource.net nach dem Fundpunkt 'Hvideklint'. Könnte das Zeugs sein.

Schöne Grüße,
Markus

steinwanderer

Moin Thomas,
hätte nicht gedacht,das der nordische Flint so weit gerutscht ist. Aber deine Lagerstätte zeigt dies ja. Ist es vielleicht möglich das dort der hochwertige Flint sogar im Tagebau abgebaut wurde (Steilhänge u. Halden).
Das passt ja auch gut zu einigen Deiner gezeigten Artefakte. Kann mir gut vorstellen das dort der Flint gewonnen wurde und auf deinem vermeintlichen Handelsplatz für den Export weiter bearbeitet wurde.
Gruß aus dem Norden.
Klaus
Lewer duad üs Slav

thovalo

Zitat von: steinwanderer in 04. Dezember 2010, 13:10:51
Moin Thomas,
hätte nicht gedacht,das der nordische Flint so weit gerutscht ist. Aber deine Lagerstätte zeigt dies ja. Ist es vielleicht möglich das dort der hochwertige Flint sogar im Tagebau abgebaut wurde (Steilhänge u. Halden).
Das passt ja auch gut zu einigen Deiner gezeigten Artefakte. Kann mir gut vorstellen das dort der Flint gewonnen wurde und auf deinem vermeintlichen Handelsplatz für den Export weiter bearbeitet wurde.
Gruß aus dem Norden.
Klaus



Lieber Klaus!

Ich habe die Fundstelle in Hanglage Bahn für Bahn begangen und dann alle Silces am Ende einer Spur abgelegt. So hatte ich ein Raster mit unmittelbar zuzuordnenden Fundbelegen. Bei der Auswertung stellte sich ein vermeintlicher Kernstein als an der Spitze gebrochener mittelpaläolithischer Faustkeil heraus.

Auf dem Weg zum Auto bin ich dann in der Dämmerung auf die Pfeilspitze mit Flügelenden und Schäftungsdorn gestossen...... s p r a c h l o s ........


Ja, ich denke man hat hier in den Hanglagen, die teils recht steil sein können und von Bachrinnen durchzogen sind den Silex gezielt gesucht. Aber die werden es kaum so leicht gehabt haben wie wir Heute auf den gepflügten Äckern. Sie mussten mit Sicherheit "Pingen" anlegen und Hanglagen und Bachläufe absuchen!

Von einer anderen Stelle, unmittelbar im Bachlauf gelegen, stammt eine große wunderschön geschlagene großformatige Klinge aus nordischem Feuerstein! Die Gegend ist erst nur wenigen Geologen und kaum einem Archäologen bekannt......  !

Von einer der Lagerstätten blickt man in unglaublich "erhabener Lage, durch einen natürlichen steilen Geländeeinschnitt, unmittelbar hinunter auf den Ruhrlauf ...., wenn dort eine Rentierherde entlang ziehen würde, wäre kein Paläolithiker wirklich erstaunt über deren Anblick ....   

GlG    thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

steinwanderer

Moin Thomas,
wie ich sehe, war die Lagerstätte auch schon im Mittelpaläolithikum beliebt. Wurde dann aber erst im Spätneolithikum /Glockenbecherkultur wieder aufgesucht. Oder gibt es Anzeichen dafür das sich dort noch andere Gruppen bedient haben, wie z.B. die Mesolithiker.
Die Pfeilspitze ist echt einmalig, alleine schon durch die Farbe des Steines. Ist das andere Stück auch ein Projektil oder ist es ein kleines, flächig bearbeitetes Scheibenbeil?
Gruß Klaus
Lewer duad üs Slav

thovalo

Zitat von: steinwanderer in 04. Dezember 2010, 20:52:46
Moin Thomas,
wie ich sehe, war die Lagerstätte auch schon im Mittelpaläolithikum beliebt. Wurde dann aber erst im Spätneolithikum /Glockenbecherkultur wieder aufgesucht. Oder gibt es Anzeichen dafür das sich dort noch andere Gruppen bedient haben, wie z.B. die Mesolithiker.
Die Pfeilspitze ist echt einmalig, alleine schon durch die Farbe des Steines. Ist das andere Stück auch ein Projektil oder ist es ein kleines, flächig bearbeitetes Scheibenbeil?
Gruß Klaus


Lieber Klaus!

Ja, ein vom Endpaläolithikum bis zum Mesolithikum immer wieder genutzter Platz auf einem Flugsanddünenareal befindet sich direkt auf dem Übergang der Mittel- zur Niederterasse des Rheinlaufs und liegt auch noch im unmittelbaren Nahbereich der Vorkommen! Der schönste Fundbeleg auf diesem Platz ist ein so genanntes "Federmesser" aus "nordischem" Bryozoenfeuerstein.

Der größere durchscheinende Fundbeleg ist ein absolutes Unikat.

Tatsächlich ist dieses Artefakt bifaziell feingliedrig flächig retuschiert und besitzt kurioser weise eine abgerundete Spitze. Selbst in der Anlage der Abschläge entspricht es im Querschnitt und der Umrißbildung im Grunde absolut einer MINIATURBEILKLINGE. Die "Basislinie" ist durch vertikale Abdrücke ausgedünnt um das Stück dort zu schäften oder eine Schneidenpartie anzulegen.

Dann wäre es allerdings zweifelsohne ein "Amulett" oder "Votiv". Miniaturen von spitznackigen Beilklinge gibt es im Rhein-Maasgebiet bislang nur in geschliffener Felsgesteinausführung.

Der Fundplatz ist der erst zweite bekannte neolithische Siedlungshügel in Deutschland und von dort stammt z.B. auch eine gleichfalls vollkommen einzigartige sichelförmig gebogene Klinge aus Rijkholtfeuerstein, die vollkommen plan überschliffen worden ist und entlang des eingeschwungenen "Innenbogen" fein lateral durchretuschiert wurde. Entlang der gewölbten Rückenlinie war dieser ungewöhnliche Geräteeinsatz der Länge nach geschäftet, worauf intensiv ausgeprägte Schäftungspolituren hinweisen. Dann noch die wohl sekundär zu einer Miniaturbeilklinge umgearbeitete Schneidenpartie einer Prunkbeilklinge des Typs "PUY" aus Jadeit.

Vielleicht sind das Stücke die auf Beziehungen zu "Ritus" und "Kult" hinweisen ......   in Italien und Südfrankreich finden sich solche Besonderheiten ausschließlich in exzeptionell ausgestatteten Grabanlagen und in kultischer Deponierung.....    schaun wir mal, was dort noch so vorkommt .....     :glotz:

GlG  thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

steinadler

schönes stück ! könnte ich auch son teil haben (fragezeichen)

gruss
fränkie
ich glaube an gott , aber keine bestimmte religion !

schaut mal rein : http://yggdrasil-online.de/cms/

steinwanderer

Moin Fränkie,
dein gezeigtes Stück ist ein klassisches Scheibenbeil mit retuschiertem Nacken. Ist als Dechsel verwendet worden.
Das von Thomas gezeigte Stück ist über die ganze Fläche retuschiert. Es ist auch viel zu filigran um als Dechsel Verwendung zu finden.
Gruß Klaus
Lewer duad üs Slav

thovalo

 :-)

Steinwanderer hat recht. Das helle ungewöhnlich geformte Artefakt aus transparenten "nordischen" Feuerstein ist vollständig auf beiden Seiten flächig retuschiert und entspricht eher der Miniatur einer spitznackigen flachen Beilklinge ............   was auch immer das Stück einmal war und zu welchem Zweck auch immer es hergestellt worden ist ..... weiss Heute ja keiner mehr!


Die beiden Stücke unterscheiden sich im Ergebnis recht deutlich voneinander!    :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

steinadler

das ist mir auch aufgefallen mit den retuschen , ich meinte die form und die grösse !
trotzdem vielen dank !

gruss aus fl

fränkie
ich glaube an gott , aber keine bestimmte religion !

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