Lesefund von Hörnum / Sylt

Begonnen von hepfm, 16. September 2008, 02:02:52

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hepfm

Hallo,

dieses Stück habe ich in der Archäologischen Staatssammlung in München vorgelegt. Dort sagte mir ein Mitarbeiter, dass es sich wahrscheinlich um ein neolithisches Werkzeug z.B. zum Aufschlagen von Muscheln oder Spalten von Knochen handelt. Er hat mir gezeigt, wie es korrekt in die Hand genommen wurde. Tatsächlich passt es wie angegossen: Mulden für Zeigefinger, Daumen und Mittelfinger lassen den Stein sehr gut festhalten. Vorne seien Abnutzungsspuren erkennbar. Über weitere Meinungen würde ich mich freuen. Zum Beispiel zur möglichen Datierung. Plusminus 100.000 Jahre würde mir schon reichen... :-)

Viele Grüße
nic

chabbs

Ich kann Dir leider dabei nicht helfen... Steine sind Expertensache :super: Mir fiel nur der Satz ins Auge: Datierung plus minus 100 000 Jahre seien schon in Ordnung... und dann musste ich mich eben fragen, warum das niemals jemand so im Münzforum schreiben würde :narr: :narr: :narr:

Schönr Fund und liebe Grüße

hepfm

#2
Danke für die Antwort. Es dürfen auch gerne +/- 10.000 Jahre sein. Leider hatte ich vergessen, das zu fragen. Der Fund (nicht von mir) ist übrigens erst zwei Wochen her. Ich habe vorhin mal die Anleitung für Anfänger gelesen. Jetzt sehe ich auch die Retuschen, von der der Fachmann gesprochen hatte. Die sind zum Teil genau an den Stellen gemacht worden, um die Mulden für die Finger zu ermöglichen. Die Finderin hatte den Stein übrigens nicht mitgenommen, weil er neolithisch bearbeitet ist, sondern weil er ihr einfach gefallen hat. Der lag dann mit anderen bunten Steinen als Deko auf dem Tisch im Esszimmer. Ich fand, dass er irgendwie erstaunlich gut in der Hand lag und habe ihn deshalb zu einem Fachmann gebracht. Die Antwort hat mich dann nicht mehr so ganz überrascht. Jetzt muss ich mal nachfragen, wo genau der Stein lag.

Mit Steinzeit habe ich eigentlich nichts am Hut. Ich sammle übrigens eher so antikes Zeuch, auch Münzen. Mein bisher ältestes Artefakt ist eine 4.000 Jahre alte Tonschüssel. Mein "Spezialgebiet" ist das unauffällige Absuchen längst ausgegrabener antiker Stätten.

Dank der aufklärenden Hinweise im Forum habe ich noch ein paar Detailbilder eingefügt.

Bild1: Arbeitsfläche
Bild1a. Rückseite
Bild2: Mit diesem Abschlag liegt der Stein optimal am Handballen. Da sind wohl auch zwei Fehlschläge dabei? Oder wurde die Fläche an dieser Stelle eingeebnet (edit: Da liegt nämlich die Handinnenfläche drauf; jede Erhebung würde dort stören)?
Bild3: Der winzige Schlag in der Bildmitte sorgt dafür, dass der Zeigefinger optimal aufliegt. Die Fingerkuppe befindet sich exakt in der Kerbe.

So, nun ists aber genug der Bilder.

Nochmal die Bitte: kann jemand etwas zum ungefähren Alter des Flints sagen? Vielleicht gibt es ja auch eine andere Meinung zum Gebrauch...

Besten Gruß
nic     

arriba

Hallo  :-)

Ich erkenne an dem Stein leider nichts von Menschenhand gemachtes!  .... bisschen was fossiles ist drin. Zum Alter : Baltischer Flint der vor  etwa 60 millionen Jahren entstand ..... Las mich aber gerne belehren  :zwinker:

:winke: Rikke

hepfm

#4
Das ist das Dumme, wenn man nur Bilder hat. Der Archäologe hat zuerst gesagt, es sei gut möglich, dass der Stein ein reines Naturprodukt ist. Dann hat er ihn genau angesehen, immer wieder in die Hand genommen und hat sich am Ende korrigiert. Es sei sich jetzt sicher, dass dies ein Werkzeug ist. Ich würde ihn ja zu gerne herumreichen. Ich habe die letzten Bilder reingestellt, um zu zeigen, dass genau an den Stellen Kerben hineingeschlagen sind, wo es nötig ist, den Stein passgenau in der Hand zu halten.

Beste Grüße
nic

P.S.: allein der rechteckige Abschlag auf der glatten dunklen Fläche sieht doch recht unnatürlich aus. Zumindest diese Stelle kommt als Foto ganz ordentlich rüber. Die anderen sehen in 3D besser aus...

Poseidon1

Also beim besten Willen, ich habe auch größte Probleme das Teil als Artefakt anzuerkennen  :kopfkratz:

Waldemar

Sei nicht böse,aber Archäologen können auch irren.
Es ist und bleibt ein Geofakt. :prost:

Khamsin

#7
Moin und merhaba!

Herzlich Willkommen im Forum hepfm! Deine unbeschwerte Bitte um eine Zeitangabe innerhalb eines Schwankungsbereiches von 200000 Jahren ist schlicht erfrischend. Wenn man schon derart "laid back" an die Sache rangeht, dann sollten wir den Zeitrahmen ruhig erhöhen, sagen wir um +/- 10 Millionen Jahre.
Rikke war so frei, sich schon - und völlig richtig - in diesen Dimensionen zu bewegen, so dass wir nun von einer Datierung zwischen 50 und 70 Millionen Jahren reden können. Wie Du siehst, sind wir hier im Forum alles andere als knauserig!

Spass beiseite "and now for something completely different", wie ein Mitglied von Monthy Python(...) einmal zum Besten gab.

Dein Beitrag, hpfm, gehört nach meinem Dafürhalten in die Forum-Rubrik

"Reingelegt und abgezockt, Unstimmigkeiten im Netz ? Ob Online-Mark oder sonstiges. Hier sollten Warnungen für unsere User stehen!".

Dass Dein Beitrag in der Rubrik "Steinartefakte" gelandet ist, ist natürlich nicht Dein Fehler und vor dem Hintergrund Deiner dankenswerten Schilderung nur zu verständlich!

Warum der Beitrag aber doch in die "Reingelegt..."-Rubrik gehört, will ich im Folgenden begründen:

Es ist grundsätzlich immer ratsam, sich als archäologischer Laie hilfesuchend zur Bestimmung an Fachleute zu wenden. Das kennen wir hier im Forum ja alle. Auch wenn es merkwürdig anmutet, dass ein Fund von "meiner Insel" (ich lebe auf Sylt) nicht sinnvollerweise etwa im Museum Schloss Gottorf/Schleswig, zur Bestimmung vorgelegt wurde, sondern ganz weit im Süden der Republik, in München. Immerhin in einem bestens reputierten Hause, dem Bayerischen Landesmuseum für Vor- und Frühgeschichte in München.

Dort aber scheint jedoch etwas geschehen zu sein, das mich mehr als verwundert und mich zu meiner obigen Einschätzung gebracht hat.

Du schreibst in Deiner ersten Meldung:"Dort sagte mir ein Mitarbeiter, dass es sich wahrscheinlich um ein neolithisches Werkzeug z.B. zum Aufschlagen von Muscheln oder Spalten von Knochen handelt. Er hat mir gezeigt, wie es korrekt in die Hand genommen wurde."

Nun gibt es in allen Museen zahlreiche Mitarbeiter, und man fragt sich, wer das war, der Dir so freundliche und hilfreiche Informationen zu dem Fund geliefert hat.

In Deiner zweiten Meldung wird der Mitarbeiter nun zum "Fachmann", woraus man schliessen könnte, dass es sich um einen Archäologen handelt.

Nun ist der Moment gekommen, sich dem von Dir vorgestellten Fund näher zu widmen. Das geht aber ganz schnell, keine Sorge.

Rikke hat es ja schon mit den Worten:"Ich erkenne an dem Stein leider nichts von Menschenhand Gemachtes!" auf den Punkt gebracht. Dein Fund ist ein Naturspiel, eventuell ein natürlich entstandener Abschlag. Menschen waren da nicht beteiligt!

Das "leider" zeugt übrigens von Rikkes Höflichkeit und vor allem Mitgefühl. Ist das Mitgefühl unter steintechnologisch-sachlichen Aspekten bezüglich des Feuersteines auch nicht angebracht, so ist es das auf jeden Fall für Dich, hepfm!      

Hier schliesst nun argumentativ der Kreis zu meiner Eingangsfeststellung hinsichtlich der anderen Rubrik. Hepfm, hier bieten sich mehrere Erklärungsmöglichkeiten:

A) der freundliche Mitarbeiter ist kein Archäologe:

1. entweder wusste er es nicht besser, wie das verständlicherweise oft bei archäologischen Laien anzutreffen ist, und er hat Dir seine Sicht vorgetragen.
2. oder er hat Dich bewusst reingelegt und Dir ein Märchen erzählt von wegen Handhabung etc., was dann bei Dir im "wishful thinking" resultierte: "Jetzt sehe ich auch die Retuschen, von der der Fachmann gesprochen hatte. Die sind zum Teil genau an den Stellen gemacht worden, um die Mulden für die Finger zu ermöglichen." Das ist natürlich Kaffeesatzleserei bzw. Spökenkiekerei!

B) der freundliche Mitarbeiter ist Archäologe:

1. Das war nie und nimmer ein Steinzeitarchäologe und damit wirklicher Fachmann! Dass es unter den (restlichen) Archäologen solche geben mag, die bei der Beurteilung von Feuersteinen (echten Artefakten, aber auch und vor allem Naturspielen) grosse Probleme haben ist bestens bekannt und durchaus nicht ungewöhnlich.
2. ich kann mir nun sehr, sehr schwer vorstellen, dass ein Archäologe egal welcher Richtung einen hilfesuchenden Laien bewusst reinlegt, aber auszuschliessen ist in dieser Welt bekanntlich nichts.

Fazit: Ich entschliesse mich für die Lösung B) 1.

Das ist natürlich ein Trauerspiel für das Renommée des Münchener Museums, denn der Archäologe, der Dir da "geholfen" hat, hätte besser den Mund gehalten und Dir gegenüber ehrlich und offen eingestanden, dass er sich dazu nicht äussern kann.

Das verstehe ich unter seriösem Verhalten, und zwar einem Kunden gegenüber einerseits und der jeweiligen Institution, bei der man arbeitet gegenüber, anderseits.
Auch wenn dieser Archäologe Dir gezeigt haben will, wie "das Werkzeug korrekt in die Hand genommen wurde", so hat er sich Dir gegenüber prinzipiell unkorrekt verhalten!

Aber es ist tatsächlich so bei vielen, vielen deutschen Archäologen: Sie sind nicht in der Lage, einfach einmal zuzugeben, dass sie nicht weiter wissen! Eine Art Berufskrankheit denke ich.

Jedenfalls hat sich jener "Fachmann" mit einer völlig haltlosen Auskunft zu einem Nichtartefakt bodenlos blamiert und zugleich wissenschaftlich disqualifiziert!
Aber, wer weiss, das Forum ist offen, und er liest vielleicht meinen Beitrag...

Unterstellen wir ihm aber hochhehre Absichten, dann hat er Dich, hepfm, unwillentlich doch "reingelegt". Denn Du bist ja nur aufgrund dessen "Hilfe" mit Deinem vermeintlichen "Artefakt" in der Rubrik "Steinartefakte" und nicht bei "Reingelegt" gelandet.

Und so sage auch ich "leider", aber nur wegen Dir, nicht wegen des Feuersteinstückes, dessen Verwandte zu Millionen und Abermillionen nicht nur auf "meiner" schönen Insel herumliegen.

Herzliche Grüsse KIS






   





 






"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

Khamsin

#8
Salaam!

Waldemar, wer wollte bezweifeln, dass Archäologen auch irren können. Es sind ja Menschen, und die irren ohne Unterlass!

Freilich, wer sich bei einem völlig verrollten Stück mit natürlicher Dorsalfläche und übersteilten Kanten ("Quetscholith") derart verhaut, auch wenn er anfangs an ein Naturspiel glaubte, bei dem sind die Pferde durchgegangen. Und wer dann noch bei einem solchen Stück behauptet, zeigen zu können, "wie es korrekt in die Hand genommen wurde"...! Da zeigt sich der Mut der Verzweiflung.

Ach ja, es ist ja nicht das erste Mal, das vermeintliche Artefakte von Sylt (Rust´sche "Nasenschaber") Furore gemacht haben. Aber die sind im Dunst der Geschichte genauso wieder verschwunden, wie ein an der Erde vorbeirasender Komet.

Herzliche Grüsse KIS

"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

hepfm

#9
Hallo,

und vielen Dank für die ausführliche Ausführung. Jetzt habe ich also zwei unterschiedliche Meinungen, die des Fachmanns und die von versierten Forumsmitgliedern. Patt.
Also, ein Beschiss liegt nicht vor, da ich nicht um eine Expertise, sondern um eine Einschätzung gebeten habe. Mitgefühl (trotzdem danke!) ist nicht nötig, dafür hatte ich fast schon zuviel des Sammlerglücks in meinem Leben. Die Nachricht von einem speziellen Fund ging sogar um den ganzen Globus. Und die Steinzeit ist ohnehin nicht mein Beritt. Mir persönlich ist es egal, ob der Stein bearbeitet ist oder nicht. Als Begrenzung des Gartenbeets schaut er in jedem Fall ganz hübsch aus.  :-D

Ich schmeiß jetzt mal die Zeitmaschine an...

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Wir befinden uns in Hörnum und schreiben das Jahr 10.000 vor Christus

Vater uns Sohn gingen am Strand sapzieren. Der Sohn hüpfte aufgeregt von einem Bein aufs andere.
"Schologora Hagalil Badabobo Sörfsörf."
Der Vater stöhnte auf. "Bubulaba koko Granida blubb"

Oh, pardon, hier die Übersetzung:

Vater uns Sohn gingen am Strand sapzieren. Der Sohn hüpfte aufgeregt von einem Bein aufs andere.
"Papa, baust du mir ein Surfbrett?"
Der Vater stöhnte auf. "Schon wieder? Das letzte, das ich dir aus Granit geschlagen habe, hat sich ja nicht allzulange über Wasser gehalten."
"Ach, Papa, bitte, dann nimm doch dieses Stück Baum da. Holz schwimmt wenigstens. Hat jedenfalls Mama gesagt."
Der Vater hatte keine Lust. Auch wenn das Ding schwimmen sollte, der Sohn hätte nur kurz Freude daran, dann würde es wieder irgendwo in der Ecke landen. Wie auch das andere Spielzeug. Er suchte nach einer Ausrede. "Ich habe kein Werkzeug dabei. Tut mir leid."
Der Sohn grinste und deutete mit dem Finger in Richtung eines Steinhaufens. "Kein Werkzeug? Liegt doch überall rum. Schau doch."
Der Vater wusste, er hatte so gut wie verloren. Er wühlte lustlos zwischen den Steinen. Der Sohn suchte mit. "Papa, schau, damit kannst du prima arbeiten."
Der Bub drückte seinem Vater einen Stein in die Hand. Dieser kratzte sich in seinem Bart und setzte an zum letzten Gefecht im Kampf um einen arbeitsfreien Nachmittag.
"Wie? Mit diesem verrollten Stück? Das hat übersteilte Kanten und ist völlig verhaut. Der ist mindestens 49 Millionen und 990.000 Jahre alt. Quetscholith ist noch ein netter Ausdruck dafür..."
"Quatsch, Papa." Der Sohn nahm den Stein und schlug ein paar Ecken ab. Nach zwei Minuten drückte er ihn seinem Vater abermals in die Hand. "Und jetzt?"
Der Vater staunte. Der Stein sah fast unverändert aus, aber lag jetzt fantastisch in der Hand. "Okay, Sohnemann. Von mir aus." Er machte sich mit einem lauten Seufzer ans Werk.
"Oh echt geil, Papa!"

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Und so, Leute, hat dieser Stein das erste Surfbrett der Menschheit geschnitzt.

Störtebecker





vor 100000 Jahren war dort schätze ich mal kein Strand  :kopfkratz:

hepfm

okayokay, ich habs mal um den Faktor 10 verändert... :winke:

Loenne

Mundus vult decipi, ergo decipiatur
www.scheibenknopf.de                

Störtebecker

hi michael, da habe ich schon drauf gewartet. auf dich ist eben verlaß  :belehr:

michael  :frech:

steinsucher

Hallo Forum,

Micha und Micha, die Sylter Connection?  Moin Moin aus dem Rheinland.

Aber zurück zum Thema.

Wer sich nicht ausdrücklich mit dem Thema "Steinartefakte" beschäftigt, interpretiert das Aussehen eines Feuersteinknollens oder -fladens oder -fragments bestimmt mit viel mehr Fantasie. Deshalb hat hepfm das Ganze im guten Glauben hier eingestellt. Besonders nach der Beratung durch den Kassierer der Staatssammlung in München (die Sammlung schätze ich sehr). Es hätte noch viel schlimmer kommen können. Stellt euch mal vor, es wäre behauptet worden, es wäre die, von einem Altsteinzeitler hergestellte, plastische Darstellung eines leprakranken Tigers....

Soll ja so eine richtungsweisende Bewegung geben.

Nichts für ungut, mir war heute danach.

Fritz.

Trebron

Hallo alle,

ich habe dieses Forum heute erst entdeckt und bin begeistert.

Zum Fund. Ich denke auch, dass das ein Feuersteinbrocken ist und sonst nix. Ich war im Juni auch auf Sylt und habe jede Menge solcher Steinchen gesammelt, auch in Hörnum. Es ist nicht einfach, vor lauter Begeisterung etwas NICHT hinein zu interpretieren.

Trebron