Erbitte Bestimmungshilfe bei Werkzeug

Begonnen von Tapir, 28. April 2011, 00:54:13

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Tapir

Hallo,

vorneweg: bei der Bestimmung menschlicher Artefakte bin ich völliger Laie. Aus relativ jungen mehrfach (innerhalb der letzten 100 Jahre) umgelagerten Flusssedimenten (die neben recht jungem vor allem neolitisches Material, leider ohne Kontext, enthielten) eines kleinen Aufschlusses im Nahen Osten kam das hier gezeigte Artefakt, das mir irgendwie nicht zum Rest der Funde zu passen scheint. Deshalb meine Frage: ist das etwas älteres (edit: als Neolithikum)? Und wenn ja: kann man es genauer einordnen?

Steinkopf

Hallo Tapir!

Der klingenartige Abschlag ist für eine Datierung zu unspezifisch.

Hier ist in Serie abgebaut worden. Es gab vorher Abschläge und sicherlich hinterher auch noch.
Nach Lage der Fotos kann ich keine spezielle Retuschierung erkennen, die diese Klinge
zu einem speziellen Werkzeug gemacht hat. Das schließt nicht aus, das dieses Artefakt
benutzt wurde.

So ist es mit Feuersteinwerkzeugen. Um ein spezielles Stück herzustellen. fällt eine ganze Menge
an bearbeiteten Abschlägen an, die auch für die Nachwelt erhalten bleiben.
In besonderen Fällen kann man aus diesem 'Abfall' herauslesen, was eigentlich
angefertigt wurde oder werden sollte.

Schöne Grüße
Jan

Tapir

Danke für Deine Antwort. Retuschen sind an dem Stück fast keine, nur im oberen Bereich ist einwenig nachgearbeitet worden (eine geofakt-Retusche in dem Bereich schließe ich mal dem Umgebungssediment nach fast aus)

Wenn ich nächste Woche rankomme kann ich ja mal die etwas eindeutigeren Geräte zeigen....

Glück auf!

Johannes

Steinkopf

Hi Johannes!

Es liegt in der Natur des (spröden) Feuersteins in seinen verschiedenen Variationen, dass seine
scharfen Kanten auch durch die Bewegungen im Boden und den Druck durch Umgebungsgestein
zum Splittern neigen. Man findet nur bei ganz günstigen Lagerungsbedingungen völlig unversehrte
Schneideflächen.

Dadurch stellt sich die Frage, sind es Retuschen oder 'natürliche' Verletzungen?

Als Grundregel kann man davon ausgehen, dass Retuschen mehr oder weniger gleichmäßig
und nur von einer Seite angesetzt wurden. Die 'natürlichen' Verrundungen sind meistens
von beiden Seiten.

Durch besonderen Druck wie Pflugberührung oder den Druck an einer anderen Steinkante entlang
können auch ziemlich gleichmäßig aussehende Retuschen entstehen.
Sogenannte 'Parkplatzretuschen' durch einseitige Druckausübung.

Mal gespannt, was Du uns sonst noch zeigst.

Schönen Gruß
Jan


Tapir

Zitat von: Steinkopf in 28. April 2011, 11:21:58

Es liegt in der Natur des (spröden) Feuersteins in seinen verschiedenen Variationen, dass seine
scharfen Kanten auch durch die Bewegungen im Boden und den Druck durch Umgebungsgestein
zum Splittern neigen. Man findet nur bei ganz günstigen Lagerungsbedingungen völlig unversehrte
Schneideflächen.

Hallo Jan,

hältst Du einen siltigen Ton in dem Molluskenschalen die einzigen weiteren Grobkomponenten sind und in dem einzelne Flinte "schwimmen" für günstige Lagerbedingungen? (ich kann Dir gerne noch nähere Infos per PM zur Fundstelle schicken)
Die eingezeichneten Retuschen (ich setzte da mal ein Fragezeichen hinter) halte ich auch nur für solche weil sie in dem Bereich wo sie auftreten einseitig ausgeprägt sind.
Aber das Stück ist ja auch eher eins mit Fragezeichen gewesen, mit einem "undifferenzierten Abschlag" bin ich auch zufrieden, lieber wenig und richtig bestimmt als zu viel und zu falsch.

Deshalb nochmal vielen Dank

Johannes

Steinkopf

Hallo Johannes!

Immerhin hat das Stück ja schon eine gute Strecke Lebenszeit hinter sich.
Aus der frühen Zeit, geschlagen und irgendwo hingeräumt wissen wir nichts.
Auch aus den Jahrtausenden danach ist das Quartier nicht belegt.
Das es mehrfach umgezogen ist und zuletzt im weichen Modder lag heilt
ja die frühen Wunden nicht.

Ich konnte mehrfach Teile finden, die ca 7000 Jahre in situ unter der Wasseroberfläche lagen
bevor die Stellen erodierten und Klingen etc. frei wurden. Total frisch erhaltene
Artefakte. Die Schneiden konnten sogar noch scharf sein aber der Zahn der Zeit hatte doch schon die
ersten kleinen Macken hinterlassen.

Trotzdem ist es immer ein kleines Wunder, das vom menschlichen Wirken aus so früher
vorgeschichtlicher Zeit klare Belege gefunden werden - - - die uns dann zu weiteren
Fragestellungen verleiten!

In diesem Sinne!
Jan

Tapir

#6
Hallo,

hier wie angekündigt ein paar weitere Lesefunde die ich nicht zuordnen kann:

Der 4. hat auf der (der mit Cortex gegenüberliegenden) Seite eine einseitige Retusche.

edit: Tippfehler


Tapir

Hier noch ein paar eindeutigere Funde :

1-4 Klingen/Abschläge (den 4. habe ich mit dem Fuß an einer Gewässersohle "gefunden", die Spitze etwa 1,5 cm in meiner Fußsohle versenkt)

5 + 6 Bohrer ?

7 (einseitig retuschiert) ?

8?

9?

Tapir

Und hier mal ein Geländebild von der Grabung etwas weiter südlich, nur mal zum Ansehen... (Die Stücken sind natürlich im entsprechenden Land geblieben)

Tapir

Auch bei den anderen gezeigten Stücken wäre ich dankbar wenn mir jemand eine Hilfestellung geben könnte...

Besten Gruß

Johannes

Wutach

O.k.
Bild 7 ist wohl ein Stichel.
Bild 8 Kernkantenklinge.
Bild 5 Lateral retuschierter Abschlag.
Bild 4 Abschlag.
Bild 3 Abschlag mit wegretuschiertem Bulbus. Ich denke kein Bohrer. Es fehlen die beidseitigen Kantenretuschen.
Bild 11 Basalfragment einer Klinge oder eines klingenförmigen Abschlages.
Bild 9 Basalfragment einer Klinge. Sieht auf dem Foto nach Quarzit aus. Kann aber täuschen.
Bild 6 Basalfragment einer Klinge. Könnte auch ein Stichel sein. Foto in dem fraglichen Bereich nicht aussagefähig.
Bild 1 Schöne schlanke Klinge.
Bilder 2 und 13 Abschläge.
Bilder 10 und 12 Artefaktcharakter fragwürdig.

Wenn Du die so aneinander reinstellst, ist es aber auch mühsam, dazu Stellung zu nehmen. Aber gut - das wären meine Vorschläge!

FG Marc.

Tapir

Vielen Dank, Marc.

Die Aneinandereihung bitte ich zu entschuldigen... :schaem:
Zum Material: es sind alles Flinte die in der Gegend vom Turon bis ins Eozän (recht heterogenes) Material geliefert haben. Quarzit scheidet eher/sicher aus.

Mark77

Sieht etwas so aus, als wärs Quarzit, aber wenn man genau drauf achtet, sieht man die feine Körnung des Material bedingt durch den Glanz!
Wo hast du sie denn gefunden, Johannes?

Schöne Grüße,
Markus

Tapir

Zitat von: Tapir in 28. April 2011, 00:54:13
Aus relativ jungen [...] Flusssedimenten [...] eines kleinen Aufschlusses im Nahen Osten

Der Fundpunkt liegt, je nach völkerrechtlicher Betrachtungsweise, in unterschiedlichen Ländern... Sie stammen leider nur aus gestörten Sedimenten, zusammen mit allerlei römischem und neuerem "Kram" und sind daher wissenschaftlich recht "wertlos".


Besten Gruß & einen schönen Abend noch

Wutach

Ach ja, zur zeitlichen Stellung ist es etwas schwer was genaueres zu sagen, da es keine Leitformen gibt (bisher). Der Stichel ist aber in dieser Form eher nicht im Neolithikum zu sehen. Auch die Schlagtechnik scheint mir älter. Also würde ich vermuten, das die Stücke spät- bzw. endpaläolithisch oder mesolithisch sind. Als Leitformen kommen dann Rückenmesser bzw. Mikrolithen in Betracht. Wenn so etwas auftaucht kann man dann näheres sagen. Auf jeden Fall lohnt es sich hier weiter zu suchen - insgesamt ein schönes Ensembe!

FG Marc.

Steinkopf

Guten Abend 'Tapir' Johannes!

Die von Dir vorgestellten Stücke sind alle eher mehr als weniger im Dunstkreis der
Klingenherstellung anzusiedeln. Ganz im Gegensatz zu den drei Stücken der
Grabung, von denen man detaillierte Fotos für genauere Aussagen benötigen würde.

Eine Datierung ist immer im regionalen Kontext zu sehen. Die Begriffe Paleo.., Meso..
und Neo.. sind in unterschiedlichen Regionen mit unterschiedlichen Jahreszahlen hinterlegt.

Die Klingenherstellung begann sicherlich end-paleolithisch. Kam dann erst zur Entfaltung.
Das sicherlich im Mittleren Orient eher als in Zentraleuropa.

Steinartefakte lassen sich nur datieren, wenn es besondere Leitformen sind, die dann im
regionalen Kontext durch ausgegrabene und datierte Funde eingeordnet werden können.

Genauer wird's wohl nicht.

mfg Jan

Tapir

So, in nem Monat gibt es neue Stücken... ;)

Kelten111

Artefakt 1 könnnte ein Zinken mit Stichel sein  :glotz:
Mein Stück würde gestern von einen Archeologen so angesprochen !
Also Jungpaläolithisch  :glotz: :glotz:
Hier mein Stück !!
Sieht doch sehr ähnlich aus oder!???
Bild 7 könnte ein Kielstichel sein  :glotz:

Kelten111