Ein spätatlsteinzeitlicher Doppelstichel an parallaleren Endretuschen

Begonnen von thovalo, 27. August 2024, 12:47:18

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thovalo

Moin!


Die Feldflur mit einem spätaltsteinzeitlichen Lagerplatz bei Düsseldorf ist bislang nur abgeerntet worden. Dabei wurde auch die Bodenoberfläche "gebrochen" aber nicht in die Tiefe umgelagert. Der Boden ist knallhart und flächendeckens mit gesplissenen Planzenresten überlagert.

Das sind vollkommen unpassende Umstände für eine intesive Prodpektion. Dennoch kenne ich den Platz In- und auswendig und weiß, dass es sich dennoch lohnen kann sich dort müde und platt zu laufen.

Gestern hatte ich einfach perfektes Glück. Nach zwei Stunden NICHTS, fand sich dann ein vollständig und perfekt erhalten gebliebenes patiniertes durch die gebrochene Oberfläche aufgeworfenes Artefakt.

Es handelt sich um einen Doppelstichel an jeweils schräg retuschierter Endretusche.

Der Fundbeleg misst 3.4 cm Länge und ist an seinen beiden Schmalenden parallel schräg endretuschiert. Auf einer Seite läuft der Stichelschlag vollkommen durch und auf der anderen Seite konnte ist die Stichelbahn über ein kürzeren Stück angelegt worden. Das Ende mit der kurzen Stichelbahn ist deutlich abgearbeitet und verrundet, die Seite der durchlaufenden Stichelbahn ist dagegen noch scharfkantig. Demzufolge dürfte es sich hierbei eher um eine Nachschäfung gehandelt haben.

Es fanden sich zudem noch ein Kernstein aus einem Maasei, eine Stichellamelle, ein Abschlag der möglicherweise gleichfalls als Stichel zugerichtet gewesen war, aber sehr stark beschädigt ist und ein sehr kleiner weiß patinierter Feuerteinrest mit einer hinge fracture.

Bei einem nicht abgestimmten Bodeneingriff der Stadtwerke im Bereich des Fundgeländes, konnte eine dünne graue Bodenschicht identifiziert werden, bei der es sich möglicherwiese um die Bodenbildung aus dem Erdzeitalter des Alleröds handelt. Wenn dies zutrifft hätten wir bereits die Idee bis zu elcher tiefe man mit dieser Bodenschicht rechnen kann. Sie läge dann gar nicht weit unter dem klassischen Pflughorizont. Die Artefakte kämen dann tatsächlich, wie schon vermutet, aus einer angeschnittenen Bodenschicht in Hanglage, in der die Erosion und landwirtschaftliche Eingriffe stärker und tiefer einwirken konnten.

um die chrakteristischen Pfeilspitze der Federmesserkultur ist dieser Stichel gleichfalls dem späten Paläolithikum zuzuodnen und liegt bei einem Alter um 14.000 vor Heute.

lG Thomas    :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo

Zumächst noch eine schematische Zeichnung zur Entstehung eines Stichelendes an einer geraden (!) Endretusche, damit das Verstehen leichter möglich ist.

Sie dürfen diesen Dateianhang nicht ansehen.
Abbildung 1: Technique of Burin blow - sample burin on a truncation (Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/55/Techinque_of_Burin_Blow.png, abgerufen am 31.08.2024)
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo



Bilder des linerar gerade retuschierten Schmalendes und dem in diesem Fall vollkommen durchgelaufenen Stichelschlag. Das Fuktionsende ist noch scharf schneiden, sodass ich annahme, dass es sich in diesem Fall bereits um eine Nachschrfrung gehandelt hat.
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo


Hier Ansichten des zweiten Stichelendes. In der ebenfalls durchgehenden schrägen Endretuscher lag der Buckel der zwar nicht beseitigt werden konnte, aber für die funktionelle Zurichtung keine Rolle gespielt hat.

Es war sicher eine Sekundensache an einer Grundform ein Stichelende anzulegen. Man musste das allerdings auch präzise können, sonst ging es schief. Bei groben Fehlschlägen konnte die Grundform durchgeschlagen werden, das beabsichtige Stichelende brach weg usw.

Das hier gezeigte Stichelende mit einer kurzen Stichelbahn ist im übrigen stark vereundet und abgearbeitet.
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo


In diesen beiden Ansichten erkennt man, dass die auf der rechten Seite verlaufene kurze Stichelbahn an einer Lateralen angelegt worden ist, die zuvor durchgehend anretuschiert worden war. Das kurze Stichelnegativ liegt auf den beiden Bildern unten rechts.
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Furchenhäschen

Hallo Thomas,
ein Klassefundstück, ein zweifelsfreier Stichel und herausragend beschrieben!
Zu dem Fund kann man nur noch gratulieren denn Du hast ja schon alles perfekt beschrieben.
Was mich noch interessieren würde, wie ist die Fundkonzentration, Fundmenge auf diesem Platz? Nur eine kurze Raststarion oder wahrscheinlich immer wieder aufgesucht worden.
Grüße Peter

thovalo

Zitat von: Furchenhäschen in 27. August 2024, 15:27:21Hallo Thomas,
ein Klassefundstück, ein zweifelsfreier Stichel und herausragend beschrieben!
Zu dem Fund kann man nur noch gratulieren denn Du hast ja schon alles perfekt beschrieben.
Was mich noch interessieren würde, wie ist die Fundkonzentration, Fundmenge auf diesem Platz? Nur eine kurze Raststarion oder wahrscheinlich immer wieder aufgesucht worden.
Grüße Peter

Lieber Peter!

Das ist bislang noch nicht zweifelsfrei zu klären. Bislang scheint es sich um einen einmal über einen längern Zeitraum hinweg belegten Platz zu handeln. Die Stichel haben mit nun 26 Exemplaren eine recht hohen Anteil unter den bearbeiteten Fundbelegen, die bislang ausschießlich von der Oberfläche aufgelesen worden sind.

Die Stadtwerke haben aktuell, ohne Rückmeldung an die Bodendenkmalpflege, einen Kabelgraben im Bereich des Geländes gezogen. In diesem konnte eine dunkelgraue, etwa 15 cm breite Schicht festgestellt werden, bei der es sich möglicherweise um den Bodenauftrag aus der Zeit des Alleröd und damit aus der Zeit des auf dem Gelände bestandenen Lagers handelt.

Es ist der bislang der einzige komplexe Federmesserfundplatz am rechten Lauf des Niederrheins.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

RockandRole

Hey Großer,

Wirklich ein tolles Teil. Du hast ja schon alles super beschrieben. Was ich mich noch frage ist, gab es bei diesen Stücken schon Nachweise von Kerbbruchtechnik und die Stichel auf die richtige Länge zu bekommen. Da hätte man ja fast schon 2 Fliegen mit einer Klappe geschlagen, eine optimale Länge zum Werkeln und eine Plattform für die Stichelschläge.
An der einen Seite sieht es fast wie eine halbe Mulde aus  :glotz:

Liebe Grüße Daniel

gefährliches Drittelwissen

thovalo


Moin mein Lieber!

Das ist der vorletzte großemKulturhorizont in dem im Rheinland Stichel als Werkzeuge intentionell hergestellt worden sind. Danach kommt noch die Stielspitzengruppe.

Es gab bereits zuvor und auch im späten Paläolithikum Stopkerben. Diese Technik scheint auf dem Platz aber nicht durchgeführt worden zu sein. An diesem Fund ist erkennbar, dass die Seite mit einem kurzen Stichelschlag eine komplett durchretuschierten Kantenverlauf hat. Das sollte die Laterale verstärken. Da verlief der Stichelschlag nur über ein kurzes Stück.

Der Typus und die feine Art der Ausführung gehören "eigentlich" noch in die Zeitstufe des Magdalenién. Bislang ist noch offen, ob auf dem Gelände nicht auch noch ein älterer Fundhorizont mit im Boden liegt. Anderseits war so eine Werkzeugtradition auch lange anhaltend. Da es der erste rechtsrheinisch gelegene größere Lagerplatz ist braucht es noch Zeit Alles näher einzuordnen.


Die feine und klare Ausführung fällt allerdings etwas aus dem "Rahmen" des hier Üblichen!



lG  Thomas  :winke:

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Steinkopf

Hi Thomas,

ein bemerkenswertes Fundstück hier fein dargestellt!

Meinen Glückwunsch!

Jan