Eine rückenretuschierte Spitze

Begonnen von thovalo, 13. September 2017, 19:24:26

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thovalo



Hallo!  

Am vergangenen Samstag habe ich mich über vier Stunden hinweg in engen Bahnen auf einem spätpaläolithischen Federmesserfundplatz in mehr als Fußballplatzgröße darum bemüht unter schlechten Verhältnissen Artefakte aufzulesen. Dabei habe ich etwa ein Drittel des Platzes im Zeitlupentempo prospektieren können.

Im Verlauf der Begehung kamen 27 Silices zutage, darunter Kernreste, Abschläge, Belege von Lamellen und Klingen, zwei kurze Kratzer, das hier mit gezeigte größere Rückenmessers und die eigenartige und recht großformatige Spitze mit gebogen retuschierten Rücken

Länge 4.6 cm; max. Breite 1.8


Der patinierte Silex ist keine mir aus der Maasregion geläufige Varietät. Der Silex ist entlang der Randverläufe leicht transluzid und wirkt dann beigefarbig wie viele der "baltischen Feuersteine".

Die Grundform bildet eine leicht gebogene Klinge die von der Distalpartie des Artefakts aus geschlagen worden ist und gegen Ende (der Proximalpartie der Spitze) ventral in Wallnerlinien ausläuft. Die Grundform ist im Bereich der Spitze kräftiger und im Bereich der Basis dünn ausgeprägt. Im unteren Drittel liegen zwei größere seitlich eingeschlagene flächige Negative.

Ventral weist der Längsverlauf der rechten Längsseite eine feine geperlte Retusche auf die ggf. durch den schneidenden Gebrauch der Spitze in der Art eines "Messers" entstanden sein können. Aufgrund der Feinheit, Regelmäßigkeit und Oberflächenbeschaffenheit sind das wohl alte (Gebrauchs ?) Spuren. Der retuschierte Rückenverlauf scheint die Spitze auch ursprünglich überlaufen zu haben, sodass es sich zwar im Gesamteindruck um Merkmale der Machart einer spätpaläolithischen "Rückenspitze" handelt. Die Retuschierung ist jedoch nicht abrupt steil, sondern schräg ausgeführt.

Es wäre schön wenn ihr Eure Eindrücke wieder geben könntet. Bei den Fotos habe ich mir viel Mühe gegeben, die Merkmale auch in Details und Übersichten wieder zu geben.


lG Thomas  
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo



Noch ein paar weitere Eindrücke. Erste Bild die in einer hinge fracture ausgelaufene Direktansicht der Basis und im zweiten eine direktansicht der Spitze.


Bin mal gespannt und freue mich darauf welche Ideen ihr dazu habt.


lG Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Furchenhäschen

Hallo Thomas,
sapperlot nochmal, jetzt lässt Du es aber krachen. :super:
Ein wunderbares Stück, dazu muss ich noch was sagen,
kam aber eben vom Laufen zurück und muss noch unter die Dusche.

Super Thomas hast Du vielleicht etwas mehr Geschmack an Älterem gefunden?
Jedenfalls häufen sich bei Dir die Funde in diesem Altersspektrum.

Grüße
Peter :winke:

thovalo

Zitat von: Furchenhäschen in 13. September 2017, 20:50:34
Hallo Thomas,
sapperlot nochmal, jetzt lässt Du es aber krachen. :super:
Ein wunderbares Stück, dazu muss ich noch was sagen,
kam aber eben vom Laufen zurück und muss noch unter die Dusche.

Super Thomas hast Du vielleicht etwas mehr Geschmack an Älterem gefunden?
Jedenfalls häufen sich bei Dir die Funde in diesem Altersspektrum.

Grüße
Peter :winke:

Hallo Peter!

Ich freue mich darauf wenn du noch mehr von Deinem Eindruck sagen wirst. Ich bin von dem Fundbeleg ein wenig irritiert. Das Artefakt hat formal so manches von einer Rückenspitze ist aber sehr ausführlich und umfassend zugearbeitet worden, was im späten Paläolithikum nicht allzu üblich gewesen ist. Da war Vieles recht "lässig" und rein bedarfsorientiert zugearbeitet.

Der Platz ist sehr groß nur selten besser begehbar und abgeregnet und ich habe verstanden, dass ich, wenn der Platz schon mal halbwegs begehbar ist, schnell dort und sehr gründlich sein muss.


Ich will den Fund auch M. Heinen als dem hier entscheidenden Kenner dieser Zeitstellung und insbesondere der Federmesserkultur im Rheinland mal unmittelbar vorlegen. Vielleicht habe ich im Oktober mal die Gelegenheit dazu.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Furchenhäschen

#4
Hallo Thomas,

ich hoffe ich liege nicht gänzlich daneben aber ich nehme an das es sich um
eine Rückenspitze mit gebogenem Rücken und angedeuteter Basisretusche  handelt.

Martin Heinen wird evtl. sagen ein parallel retuschiertes Federmesserchen.

Schau`n wir mal aber ein excellentes Stück!  :super:
Grüße
Peter :winke:

Merle2

Hallo Thomas,
ein toller Fund! ganz herzlichen Glückwunsch. Als Ich beim hiesigen Archäologen war und ihm ein vermutliches, dann duch ihn bestätigtes spätpaläolithisches Projektil vorlegte, war er ganz interessiert ob es eine retuschierte Basis aufweist. Er sagte dies wäre dann eine Malauriespitze vom Übergang Spätpal ins Mesolithikum. Nur ein Gedanke...und weiterhin viel Erfolg auf dem tollen Platz! :super:
Viele Grüsse

RockandRole

Morsche Großer,

da freue ich mich aber mit, dass dein Platz dir so viele Funde beschert ;)

Die extreme Krümmung dürften auf einen direkten harten Schlag zurückzuführen sein. Anscheinend war der Bogen für die spätere Verwendung nicht hinderlich. Funktional - sicher ja!

Das mit dem Hinweis auf die retuschierte Basis ist  :super:  again what learned

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

thovalo

Zitat von: Merle2 in 13. September 2017, 23:09:06
Hallo Thomas,
ein toller Fund! ganz herzlichen Glückwunsch. Als Ich beim hiesigen Archäologen war und ihm ein vermutliches, dann duch ihn bestätigtes spätpaläolithisches Projektil vorlegte, war er ganz interessiert ob es eine retuschierte Basis aufweist. Er sagte dies wäre dann eine Malauriespitze vom Übergang Spätpal ins Mesolithikum. Nur ein Gedanke...und weiterhin viel Erfolg auf dem tollen Platz! :super:
Viele Grüsse




Guten Morgen!

Ja, die Basisretusche würde für eine Malauriespitze sprechen die dann den Platz einer späten Phase der Rückenspitzenkulturen zuordnen würde. Doch ist die Basis nicht retuschiert und entspricht ganz der unbehandelten Basispartie des dort bereits gefundenen Federmessers.

Im Gesamteindruck entspricht der Fundbeleg dem Duktus der Rückenspitzen. Jedenfalls ein sehr glücklich gut erhalten gebliebener Fund, denn das Artefakt ist äußerst zerbrechlich und wird wohl ganz aktuell aus dem Boden gelöst worden sein.


Bei Jan Kegelrs Typologie der Rückenspitzen gibt es den Typ 15 (messerartig) der diesem besonderen Rückenspitzentyp eher die Funktion als Messer zuordnet. In diese Richtung könnte es ggf. auch gehen.

Das Azilien von Mas d'Azil. Der chronologische und kulturelle Kontext der Rückenspitzengruppen in Südwesteuropa.
Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades an der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln

Institut für Ur- und Frühgeschichte; Köln April 2007


Abb. 34:
Formen der Rückenspitzen und Rückenmesser eine eigenständige Gruppe 15: partiell retuschierte Klinge (Messer)
Kegler hat diesen Rückenspitzentyp als Sonderform unter den Rückenspitzen herausgestellt (im Text u.a. S14 ff.)

Die "partiell retuschierten Klingen" die er als Rückenspitzentyp 15 (Messer) aufgenommen hat sind großormatiger als die klassischen Rückenspitzen haben eine die Spitze überlaufende bogenförmige Retuschierung gegenüber der langen Schneidenpartie die messerartig verwendet worden ist oder vielmehr so verwendet worden sein kann.


lG Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Furchenhäschen

Hallo Thomas,

die bogenförmige Retusche wurde ordentlich ca. 1/4 herumgezogen,
sie weiter zu führen war wohl nicht als sinnvoll
bzw. als nicht unbedingt notwendig erachtet worden.
Jedenfalls meine ich zumindest einen Ansatz dahingehend erkennen zu können.(Basis)

Was solls jedenfalls ein toller Fundbeleg und dazu beglückwünsche ich Dich.

Gruß
Peter :winke:

thovalo


Lieber Peter!

Vielen Dank für Deine Einschätzung!


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.