Eine Beilklinge mit bemerkenswerten Schäftungsspuren

Begonnen von rolfpeter, 02. Januar 2008, 09:40:47

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rolfpeter

Servus Freunde,

das ist mein Fund zu Silvester, Fundort ist ein steiniger Acker, weit weg von Fließgewässern. 20m ab habe ich vor 2 Jahren schon ein Bruchstück einer Feuerstein-Beilklinge gefunden. Auf der Hochebene ist das gesamte Neolithikum vertreten, bevorzugt LBK, aber das hier ist sicherlich jünger. Es handelt sich um eine walzenförmige Beilklinge aus Felsgestein, wie sie für das Jung- und Spätneolithikum im Rheinland typisch ist. Das Gewicht ist 300g, die Maße sind 107*57*36 mm. Der Querschnitt ist relativ dick oval, die Längsseiten sind als flache Facette ausgearbeitet. Die gesamte Oberfläche ist formgebend gepickt, nur der Schneidenbereich ist geschliffen. Dort sind auch einige Ausbrüche, die teilweise rezent sind. Sonst ist die Beilklinge unbeschädigt. Im Ursprung war die Klinge größer, sie ist an der Schneide nachgeschliffen worden, der Schneidenwinkel ist schon stumpfer als bei einer Neuklinge.
Das eigentlich bemerkenswerte an dem Fund sind die sehr deutlich zu erkennenden Schäftungsspuren. Parallel geschäftete Beilklingen dieser Größe wurden offensichtlich in relativ präzise gearbeitete, durchgehende Schaftlöcher eingepaßt, wobei durch die Keilform der Klinge auf Befestigungsbindungen verzichtet werden konnte. Mit jedem Schlag setzte sich die Beilklinge fester in den Holm. Durch einen Schlag auf den Beilnacken ließ sich die Klinge mühelos ausschäften und nachschleifen. Das ist m.E. ein gewaltiger Fortschritt gegenüber den quergeschäfteten Dechseln des Alt- und Mittelneolithikums, die ja in den Holm gebunden werden mußten, solche Befestigungen sind bei stoßartiger Belastung nicht dauerfest und müssen nachgezogen werden. Dechsel wurden während des gesamten Neolithikums verwandt, allerdings nach dem Mittelneolithikum nicht mehr zum Fällen von Bäumen, sondern für feinere Spezialarbeiten, fürs "Grobe" nutze man dann parallel geschäftete Beile
Sieht man sich die "schäftungspolierten" Bereiche der Klinge genauer an, so fällt auf, daß die facettierten Längsseiten auf einer Fläche von ca. 50 * 20 mm sehr stark geglättet und glänzend sind, die Dorsal- und Ventralseiten jedoch nur kleine polierte Punkte besitzen. Das kommt nicht von ungefähr! Die tragenden Flächen sind nur auf den Längsseiten, der Beilholm ist nämlich nur in Faserrichtung des Holzes belastbar. Wenn die Schlagkräfte in die Dorsal- und Ventralseite eingeleitet würden, wäre ein Aufplatzen des Holmes die Folge. Die Neolithiker wußten also sehr gut, worauf es ankam!





Die grau zusammenhängenden Flächen sind die schäftungspolierten Zonen, an den Längsseiten flächendeckend, dorsal nur punktuell.





Auf dem letzten Foto sieht man, daß an den Längsseiten jeweils nur der linke Teil poliert ist, eine Begründung dafür fehlt mir in meinen Theorien! Schäftungsloch unsymmetrisch oder ungleichmäßige Abnutzung beim Arbeiten? Hinweise sind willkommen!



Es ist nicht die schönste, aber eine der interessantesten Beilklingen, die ich bisher aufgelesen habe. Ein Schmankerl zum Jahresabschluß 2007

Herzliche Grüße
RP

Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

insurgent

Hallo RP  :winke:

Sehr schönes Stück mit viel sichtbarer Geschichte. Ich habe auf meinem Beil vom letzten Jahr http://www.sucherforum.de/index.php/topic,26535.0.html auch genau diesen Schäftungsglanz festgestellt und konnte ihn mir nicht so genau erklären, deshalb vielen Dank für die Erläuterung :super:

Frohes neues Jahr noch und schöne Grüße vom Insurgenten
Meine Bodenfunde werden gemeldet

Silex

Danke für die "Beilkunde", RP
und "Glück Auf"
an Rhein und Naab ...und sonst auch
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.