Ein großer massiver Kratzer der jungneolithischen "Michelsberger Kultur"

Begonnen von thovalo, 12. Juli 2015, 15:48:42

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thovalo



Leider kann ich aktuell keine Bilder vom Handy über die Dropbox auf den Laptop laden. Von daher fehlen die Momentaufnahmen der Fundsituation mitten auf der abgeernteten Feldflur.

Es sind auf dem großen Fundgelände am rechten Niederrhein einige Flurstücke abgeerntet worden. Bei der Ernte werden partiell auch breitere Wurzelpartien des Getreides mit hochgerissen die in seltenen Fällen auch oberflächennah liegende Artefakte mit an die Oberfläche befördern können.

Auf dem bis Gestern nicht abgeregneten Fundgelände, dass inzwischen weit über zehntausend lithische Artefakte überliefern konnte, weiss man nie was möglich ist und so gelang während einer vierstündigen systematischen Begehung unter anderem der Fund des hier gezeigten großformatigen und äußerst markant ausgebildeten jungneolithischen Kratzers.

Der Fundzustand des massiven Fundbelegs auf der intensiv bewirtschafteten Fundstelle ist unglaublich. Alle Kantenverläufe sind heute noch schneidend scharf und wirken fast wie frisch geschlagen. Der Kratzer ist dem Eindruck der Erhaltung nach kaum im Boden bewegt worden, sondern wohl sehr unmittelbar aus seinem bisherigen Einlagerungshorizont herausgelöst worden. Diese Beobachtung gilt ja für alle neolithischen Fundstellen auf der 80 Hektar umfassenden Gesamtgrundfläche.

Der Neufund gehört wohl zu den insbesondere auf dieser Stelle mehrfach beobachteten Belegen für die Herstellung massiver Kratzer aus durch-geschlagenen Kernsteinen. Es handelt sich daher nicht um den Beleg eines standardmäßigen Abschlags "von" einem großen Kernstein, sondern um die Teilpartie eines  durchgeschlagenen Kernsteins. Im Querschnitt entstanden dabei proportional bemerkenswert massive Grundformen.

Auf dem Flurstück finden sich auch die für eine solche Werktätigkeit vorauszusetzenden Schlagsteine. Gestern fand sich räumlich sehr nahe zum Kratzer auch ein bipolar verwendeter Schlagstein aus einem Flussgeröll.

Die Auftrennung des Kernsteins von dem dieses Teilstück dann als massiver Kratzer zugerichtet worden ist erfolgte durch einen äußerst stark ausgeführten "direkt harten Schlag".


Das vorletzte Bild lässt am ehesten die Herkunft der verwendeten Grundform von einem durchgeschlagenen Kernstein erkennen (ist schwierig das im Foto darzustellen).

Das letzte Bild zeigt die Ansicht der Schlagfläche.



Länge:  6.6 cm
Breite:  5.2 cm
Höhe:   2.3 cm
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo



Die Arbeitskante zeigt umlaufend gröbere bis feine Ausbrüche durch den Gebrauch unter Druckeinwirkung auf einem am ehesten wohl hart-flexiblen Material wie Holz, Knochen oder Geweih.


Zur Herstellung des Artefakts wurde an den Ort ausgetauschter grauer gemaserter Feuerstein vom Rijckholttyp aus den Niederlanden verwendet
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo



Sieht man sich en Größenvergleich mit dem Gestern ebenfalls auf dem Flurstück mit aufgelesenen Zehenknochen eines Rindes an  .... könnte auch die Verwendung bei der Zerlegung eines geschlachteten Tieres gut zu solchen Gebrauchsmerkmalen passen.
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.