Ein seltsames Stück Beil

Begonnen von rolfpeter, 22. Oktober 2008, 23:15:48

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

rolfpeter

Servus Freunde,

manchmal findet man ja sonderbare Stücke! Heute ging mir dieser Kerl in die Tasche:
wenn man seiner Phantasie den Lauf läßt, erinnert der Stein an ein Stück Rinderfilet. Eine schöne rötliche Farbe, und überall wo die Oberfläche geschliffen ist, hat das Bruchstück den weißlichen Schimmer der Filethaut, die man vor der Zubereitung ja entfernen sollte.
Wenn man allerdings die Tatsachen sprechen läßt, kommt schnell Ernüchterung auf. Es handelt sich wohl um das mediale Bruchstück einer geschliffenen Beilklinge aus Feuerstein. Die rote Farbe stammt wohl von Verbrennungen 3. Grades. Und zu Lebzeiten war das Beil keine Augenweide. Trotzdem ist es nicht uninteressant. Der Querschnitt ist rechteckig, eigentlich untypisch im Rheinland, die hatten es lieber rundlich. Eine Lateralseite ich vollständig mit Rinde bedeckt, man hat sich nicht die geringste Mühe gemacht, dort zu schleifen.
Ich drehe den Stein nun schon geraume Zeit von links nach rechts, von oben nach unten und komme zu keinem Ergebnis bei der Einordnung in eine mir bekannte Kulturschublade. Ich kann mir noch nicht einmal vorstellen, wie das vollständige Gerät wohl ausgesehen hat!
Bitte bringt mich auf die zündende Idee!







Am Fundplatz gab es übrigens prima Kartoffeln! Der Bauer war bei der Ernte und ich frug ihn, ob ich auf dem Acker Steine und Scherben sammeln dürfe. Er: "Prähistorische???" Ich: "ja klar!" Er: " Neee, he jiddet nix, dat wohr doch fröher alles Wald!" Ich: "darf isch mir dann er paar Ährpele oprahfe?" Er: " Ja Jong, wenn de Honger häst, dann sach dat doch jleisch!"
Für Nichtrheinländer: "Nein hier gibt es keine Scherben, hier war doch früher überall Wald!" Ich:"darf ich mir denn einige Kartoffeln aufsammeln?" Er: " Ja Junge, wenn Du Hunger hast, dann sag' das doch direkt!"
Also gab es Steine und Kartoffeln!
In Zeiten drohender Wirtschaftskrisen will ich euch dann auch noch einige Tips zum Kartoffelsammeln geben:
1. Geht auf kleine Äcker die peu à peu geerntet werden. Das sind gute Einkellerkartoffeln, die gehen auf den Markt. Besser noch sind Felder, wo ordentlich Unkraut steht, das sind wahrscheinlich sogar Bio-Kartoffeln. Kartoffeln von großen Feldern, die von Riesenmaschinen abgeerntet werden, sind Industriekartoffeln, gedacht für Fritten-, Chips- oder Pürree-Produktion, also für den Menschen ungenießbar!
2. Grüne Kartoffeln nicht mitnehmen, die sind unbekömmlich, sogar giftig.
3. Immer die Druckprobe machen. Die Kartoffel muß hart sein, wenn sie weich ist, dann ist der Bauer mit dem Trecker drübergefahren, Haltbarkeitsdatum bereits überschritten!
Hier das Kartoffelstilleben mit Hundleine:



Schönen Abend noch, und denkt mal drüber nach!

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Levante

Hm...

wenn ich mir die Bilder anschaue bekomme ich zwangsläufig Huner  :kopfkratz:

Ob das nun an dem Schönen "Stück Fleisch" liegt oder an dem "Kartoffelstilleben" vermag ich nicht zu sagen  :kopfkratz:

Zu dem Brocken kann ich leider nichts sagen.

Zum Rest: Rheinländisch finde ich klasse. Und es war mir eine große Freude vor dem schlafengehen deinen Bericht zu lesen :-)


Gute Nacht
Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

Khamsin

Hi there!

Junge, Junge, RP!

Material: Das grosse zentrale Negativ auf dem zweiten Bild erinnert mich doch sehr an Lousberg-Flint, allerdings nicht an die klassische Variante!

Querschnitt: Obwohl diese Flintart in der Regel in Platten vorkommt, besitzen Lousberg-Beilklingen in der Regel einen, dem "westischen Schema" folgenden spitzovalen oder rhombischen Querschnitt (je dicker, desto rhombischer). Das liegt selbstverständlich an der von den Schmalseiten, d.h. im Falle von Lousberg-Flint den natürlichen Sprungflächen, ausgehenden bifaziellen Zurichtung der Längsseiten.

In seltenen Fällen trifft man allerdings auf Beilklingen mit einem mehr oder weniger rechteckigen Querschnitt. Das ist dann der Fall, wenn a) die Platten nicht zu dick waren und b) sich der Hersteller dazu entschlossen hat, mindestens eine der natürlichen Längskanten nicht durch bifazielle Bearbeitung zu brechen, sondern als "natürliche" Seitenfacette zu belassen und lediglich mehr oder weniger intensiv zu überschleifen (deshalb immer dünnere Platten!). Die gewünschte Breite und der Umriss der zukünftigen Beilklinge wurde dann über die Bearbeitung der gegenüberliegenden Längskante (natürlichen Sprungfläche) eingestellt, so dass diese Kante bei Rohlingen dachartig gearbeitet ist und am späteren fertigen Stück eine Schmalseitenfacette geschliffen wurde.
Je nach Intensität des Schliffs dieser Facette, d.h. der Abarbeitung des "Dachwinkels" sowie der Tatsache, dass von der natürlichen, nur überschliffenen Schmalseitenfacette sowohl die Dorsal- als auch die Ventralfläche NICHT flächig überarbeitet worden ist (!), weist die geschliffene Klinge immer einen markanten rechteckigen Querschnitt auf. 

Betrachtet man nun RPs Fund, dann fällt indes auf, dass eine Längskante noch erkennbar über die gesamte erhaltene Länge Rinde aufweist, während der erhaltene Abschnitt der gegenüberliegenden Längskante deutlich überschliffen ist. Bei den Platten aus Lousberg-Flint findet sich Rinde aber immer auf der Dorsal- und Ventralfläche der Platten, niemals an den natürlichen Sprungflächen (Schmalseiten)!

Unter der Annahme, dass RPs Fund aus Lousberg-Flint besteht, ergibt sich somit folgende Erklärung:

Als Rohstück stand eine - nach dem Maßstab rd. 5 cm - dicke Platte zur Verfügung. Da es - unbeschadet anderer Meldungen - Lousberg-Platten bis zu 8 cm Dicke gibt, wäre das also kein Problem (Ich habe solche Stücke selbst in Händen gehalten). Dafür würden auch die beiden länglichen hellgrauen und rauhen Einschlüsse auf Bild 2 recht unten weisen sowie eine schwache Bänderung/Schlierung auf Bild 1 Mitte bis links, die erwartungsgemäss annähernd parallell zur Rinde verlaufen, wie das beim Lousberg-Flint der Fall ist und zu sein hat. Es bleibt aber noch das Problem der Rindenposition an dem Artefakt.

Das löst sich freilich dann von selbst, wenn man davon ausgeht, dass der Hersteller nicht eine Platte, sondern einen Abschlag von einer entsprechend dimensionierten Platte als Ausgangsstück wählte. Dabei muss natürlich klar sein, dass dieser Abschlag nicht horizontal zur breiteren Symmetrieebene, also parallel zur Dorsal- oder Ventralfläche abgetrennt worden ist.
Vielmehr müsste die Platte im rechten Winkel zu den Breitseiten durchtrennt, d.h. in Richtung der schmaleren Symmetrieebene, wenn man so will gedrittelt oder halbiert worden sein.
Mit anderen Worten: als Schlagfläche für diesen Teil der Platte (Abschlag) diente eine der natürlichen Sprungflächen am Kopf- oder Fussende der Platte. Im Idealfalle besass dieser Abschlag dann zwei Längskanten, die jeweils einen schmalen Rindensaum aufwiesen. Soweit alles klar?

Anschliessend wurde die Beilklinge von einer dieser rindenbedeckten Längskanten aus flächig zugerichtet und der Umriss angelegt, wobei die Rinde natürlich entfernt worden ist. Die andere rindenbedeckte Längskante wurde weitgehend natürlich belassen und vielleicht/wahrscheinlich nur flüchtig überschliffen (?).

Wie immer ist dies nur eine Hypothese, die aber steintechnologisch problemlos zu begründen ist.
Ob das freilich auch so war, steht und fällt mit der Annahme des Materials.

Was gibt es sonst noch von der Fundstelle, ich meine ausser Kartoffeln...

Danke für die Möglichkeit, wieder mal vor ein herstellungstechnisch spannendes Problem gestellt worden zu sein.

Herzliche Grüsse KIS

 
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

rolfpeter

Zitat von: Khamsin in 23. Oktober 2008, 19:23:49

Was gibt es sonst noch von der Fundstelle, ich meine ausser Kartoffeln...


Khamsin, Du bringst es wie immer auf den Punkt!
Da der Jürgen Weiner, (Archäologe meines Vertrauens) und der Dr. Daniel Schyle beide bekennende Lousberg-Fans und auch -Kenner sind, widme ich diesem Material auch mein besonderes Interesse. Ich sammele inzwischen auch nicht mehr jeden Abschlag auf, Lousberg jedoch immer. Der Fundplatz ist geradezu eine Lousberg-Außenstelle. Auf anderen jungneolithischen oder jüngeren Plätzen überwiegt bei uns der Rijckholt-Feuerstein, hier überwiegt der Lousberg-Feuerstein, zwar nicht in Form von Beilklingen, sondern als Abfall, Abschläge, Absplisse. Nun handelt es sich um eine bekannte Stelle im Weichbild des Jülicher Erdwerkes, es könnte möglich sein, daß die attraktiven Funde bereits von meinen "Vorgängern" aufgelesen wurden.
1000 m weiter gibt es eine ähnliche Stelle, auch von Lousberg und Simpelveld geprägt, auch da ist kaum Rijckholt vertreten.
Spannend, oder?

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert