Ein Projektil vom Wochenende

Begonnen von thovalo, 22. März 2017, 20:35:06

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thovalo


Auf dem Gelände am rechten Rheinufer war am Wochenende kaum ein Fleck begehbar. Der Fundbeleg stammt von einem kleinen abgeernteten Stück Gemüsefeld. Dazu noch etliche sonstige Silices, darunter zwei Belege von größeren Kratzern.

Das noch 3.5 cm lange Projektil besteht aus qualitätsvollen dunklen Feuerstein vom Rijckholttyp. Die Spitze ist verloren gegangen, ob bei einem Treffer oder später. An einer Seite ist eine Stelle im Lateralverlauf rezent eingeschlagen oder eingedrückt. Die Basis ist gerundet, die Machart orientiert sich nicht an einem bestimmten Typ und die Retuschen gehen erst zur Spitze hin in die Fläche über.

In der Kombination von Material und Machart sehe ich am ehesten eine Entstehung ab der Zeit des Spätneolithikums als wahrscheinlich an. In dieser Zeit bestand am Ort ein Höhepunkt menschlicher Aktivitäten im Verlauf der regionalen Siedlungsgeschichte und der Bezug von Rijckholtfeuerstein war in dieser Zeit auch noch gegeben.

Die Zahl der Pfeilspitzen und Pfeilschneiden auf dem Fundgelände ist für das Rheinland insgesamt einzigartig hoch und deren Fundaufkommen erhöht sich bei fast jeder Begehung.

Nun war es mal wieder eine Pfeilspitze!


lG Thomas    :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Birk

Moin Thomas.   Gratulation zu dieser " Gurke". :-D  Von der retuschierung her echt schön gemacht.  :-) Nur die Form hat den Herrsteller ja nicht so interessiert. Egal Hauptsache sie erfüllte ihren Zweck.  Trotz allem ein klasse Stück. :super:

Gruß
  Thomas

Steinkopf

Moin Thomas,

ein  sorgfältig gearbeitetes Stück und Beispiel für das breite Formenspektrum.

LG

Jan

thovalo

#3


Im späten Neolithikum löst sich zumindest hier am Niederrhein der Formenkanon der Projektile zunehmend auf. Die reine Funktionsfähigkeit tritt zunehmend in den Vordergrund. Die Retuschen werden zweckmäßig angelegt um eine dünnere Spitze, linear durchlaufende Kanten und eine der Breite des Pfeilschaftes angepasste dünnere Basis zu schaffen. Wie das im Ergebnis ausgesehen hat war dann nicht mehr so normiert wie zuvor. Allgemein scheint es kein einheitlich kulturell gebundenes Konzept in der Sachkultur mehr gegeben zu haben, sondern ein breites Spektrum kultureller Phänomene und Einflüsse auf die Sachkultur, worunter insbesondere an diesem Platz das massive Aufkommen von Pfeilschneiden auf- und aus dem Rahmen fällt..

Nach dieser Periode wird es am Niederrhein mit den dann regelmäßig auftretenden geflügelten Pfeilspitzen mit Schäftungsdorn in Bezug auf Projektile formtypologisch wieder sehr einheitlich und normiert.


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

StoneMan

Moin,

eine Spitze ist immer ein besonderer Fund. :Danke2:
Auch wenn sich diese nicht mit vielen anderen in Deiner Sammlung messen kann,
es ist ein besonderer Fund.  

Du schreibst:
Zitat von: thovalo in 22. März 2017, 20:35:06
[...] Die Basis ist gerundet, die Machart orientiert sich nicht an einem bestimmten Typ ...

Wo ist sie denn an der Basis gerundet/retuschiert? Ist es noch zu erkennen welche Seite oder gar
beide Seiten (dorsoventral) retuschiert wurden?

Erwin Cziesla hat zu diesem Thema 2015 auf einer Tagung etwas vorgestellt,
das könnte Dich interessieren.
"Vier Jahrtausende ,,Se-Sa-Rhe-Traditionsraum"(8900–4900 calBC) in Mitteleuropa".
Zitat:Die dorsoventrale Basiszurichtung bei Mikrolithen – also die von beidenSeiten erfolgte
Retuschierung dort, wo die Pfeilspitzenbasis einst am Pfeilschaft eingeklemmt, angebunden
oder geklebt wurde – ist ein sicher anzusprechendes Merkmal".

[...]
Zitat Ende

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Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

thovalo



Danke für den Tip.  :winke:
Das werde ich mir heute Abend näher ansehen!
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.