Ein kurioses Artefakt ..... ein Projektil mit drei Retuschiervarianten?

Begonnen von thovalo, 02. Juni 2017, 21:54:42

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thovalo

Das Ausgangsstück dieses Artefakts bildete wohl ein älteres gebrochenes Artefakt.

Der Fundbeleg weist eine abrupt steil retuschierte "Basislinie" auf. Die linke Laterale ist den Randlauf entlang fein geperlt retuschiert und verläuft bogenförmig zu einer Spitze hin, die rechte Laterale wird von der Bruchkante des älteren Artefakts gebildet und wurde in die Fläche hinein retuschiert.


Auf dem große Fundareal rechts des Rheinlaufs finden ich immer wieder außergeöhnliche Artefakte. Dieses zählt bei näherer Betrachtung sicher mit dazu. Drei variierende Retuschen an dem Stück, das im Umriss deutlich an ein Projektil erinnert und die teilweise alte tiefe weiße Patinierung der durchlaufenden steilen "Basis"retusche erinnern an ganz unterschiedliche zeitliche Traitionen.

Neben einer klaren Pfeilspitze fand sich auf dem Platz auch eine Pfeilschneide mit den üblichen steilen Lateralretuschen zu der sich weitenden Schneide hin. Die Steilretusche ist also durchaus eine spätneolithische handwerkliche Tradition auf der Stelle.

Da es sich um ein geologisch gesichert "bodenfestes" Gelände handelt liegen hier Befunde der unterschiedlichsten Zeitstellung direkt nebeneinander und führen zu vermischten Oberflächenfundzusammenhängen.


Dieses merkwürdige Hybridstück kann und wird wohl am ehesten die spätneolithische Variate einer Pfeilspitze sein.


Das letzte Foto zeigt die  "Basisretusche"



lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

RockandRole

Guten Morgen,

das könnte durchaus etwas recyceltes sein. Wäre nur eine steile Retusche von der unpatinierten Art könnte ich da Zweifel haben, aber so. Wurde das in dieser vermuteten Zeitstellung öfter gemacht?

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

thovalo

  

  :-)


Ja, wohl im Verlauf des späten Neolithikums brach zu einem noch nicht näher fassbaren Zeitpunkt und aus noch unbekannten Hintergründen der Bezug von qualitätsvollen Rijckholtfeuerstein ab. Möglicherweise ein Abbruch von Fernbeziehungen durch die regionale Verschiebung oder Expansion von Kulturgruppen, durch die dann der Zugang erschwert oder versperrt worden war. Infolge dessen wurde an dem verkehrsstrategisch wichtigen Ort andere Silexvarietäten eingeführt und auch verwendet was man vor Ort an alten Artefakten finden konnten! Da das Gelände über Jahrtausende begangen und besiedelt wurde fand sich dazu eine Mengen an älteren Relikten.

Beilklingen sind auf dem Platz ganz systematisch gesammelt, zerlegt und die davon gewonnenen Abschläge weiter genutzt worden. Häufig finden sich auch Abschläge und kleinformatige Klingen, resp. Bruchstücke von kleinformatigen Klingen. Die Klingen wurden insbesondere zur Herstellung der spätneolithischen Pfeilschneiden verwendet die sich hier in einer enorm hohen Anzahl finden.


Das Recycling ist für diesen Zeit- und Kulturabschnitt absolut charakteristisch!
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.