Ein Klinge aus Rijckholtfeuerstein als Grundform: Teil II

Begonnen von thovalo, 22. Januar 2012, 22:55:59

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thovalo

 :-)

Gestern fand sich im strömenden Regen das alt gebrochene Stück einer nicht weiter bearbeiteten Feuersteinklinge der Varietät "Rijckholt".

Auf dem Fundplatz ist diese Klinge als Grundformen von einer Rohgesteinknolle geschlagen worden.
Bei diesem Herstellungprozess kann sie bereits in zwei Teile gebrochen sein.

Jedenfall liess sich das gestern aufgelesene Fragment (die Distalpartie der Klinge) an die etwa vor fünf Jahren bereits aufgelesene Proximalpartie anpassen.


Dazu hier einige Bilder


glG thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Steinkopf

Wie ich heute schon sagte:

            "Manchmal haben Objekte der Vorgeschichte ihre eigene Geschichte(n)
             in mehreren Kapiteln."

Das macht es nur noch spannender!

Jan

thovalo

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

psearch

Hallo Thovalo,

eine Materialfrage: könnte es sich bei diesem graubraunen, sehr transparenten Silex nicht
auch um nahezu unpatinierten Kreidefeuerstein des Typs "Spiennes" handeln  :kopfkratz: ?

-> http://www.archeobase.be/fiche-silex-spiennes.pdf

MFG PSearch

thovalo

#4
 :-)

Der Feuerstein von Spiennes ist auf den Fotos des links dem Stück hier sehr ähnlich.
Die bräunliche Färbung wird von Eisenoxiden bedingt die sich im Silex eingelagert haben.
Das trifft für beide Vorkommen zu.

Spiennes liegt in Belgien und damit sehr weit vom Fundort dieser Klinge am Niederrhein entfernt.
Deutlich näher gelegen ist Rijkholt in den Niederlanden (von hier aus sind das schon etwa 8 Tagesreisen Hin- und Rückweg zu Fuß).
Dort wird diese Variante als qualitätsvollste Ausprägung des Rijkholtfeuersteins der "Schicht 10" zugeordnet.

Auf diesen Fundplatz sind offenbar vollständige Rohknollen transportiert und zerlegt worden an denen, wie auch an dieser Klinge, der Kortex erhalten ist.

Grundsätzlich hast Du recht! Der Rijkholtfeuerstein scheint einzig dunkle runde Inklusen als eigenständiges Charakteristikum aufzuweisen
das ihn von Silex aus Spiennes unterscheidet. Wo solche Einfärbungen fehlen bleibt die Frage nach der tatsächlichen Herkunft zuletzt offen.

Weil in diesem Fall aber die ganze enorme Spannweite der Ausprägung des Feuersteins aus Rijckholt vorhanden ist und der Fundplatz Rijckholt deutlich näher gelegen ist, wird das mit großer Wahrscheinlichkeit Rijkholtfeuerstein sein!

Der Zeithorizont in dem diese Klinge auf dem Platz entstanden ist und auch die anderen Stücke aus diesem Material an den Ort gelangt sind, muss in der Abbauzeit von Rijckholtfeuerstein gelegen haben. Das ist nach C14-Daten der Zeitraum zwischen 3.950 - 2650 v. Chr.
Da der Platz insbesondere intensiv gebrauchte größere Abschlagkratzer aus diesem Material überliefert, kommt die jüngere Michelsberger Kultur als Kulturgruppe gut in Frage. Die steht insbesondere mit dem Abbau bei Rijkholt und dem Austausch dieser Feuersteinvarietät in Beziehung wie die Grabung im Bereich eines Abschnitts des Erdwerks Inden 9 in der Niederrheinischen Bucht gezeigt hat. Allerdings übertrifft das Fundaufkommen des Siedlungsgeländes hier im Niederrheinischen Tiefland in Bezug auf das Vorkommen dieser Feuersteinvarietät schon allein im Oberflächenfundaufkommen bei Weitem das Fundaufkommen von Inden 9 und jedem anderen Michelsberger Fundplatz in Deutschland.


glG thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Levante

Hallo Thomas,

so schön deine Steinwerkzeuge auch sind, zeig uns bitte auch mal wieder etwas Keramik.  :zwinker:
Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

thovalo

Zitat von: Levante in 23. Januar 2012, 12:39:53
Hallo Thomas,

so schön deine Steinwerkzeuge auch sind, zeig uns bitte auch mal wieder etwas Keramik.  :zwinker:

Muss sich ja erstmal wieder was finden .... allerderdings findet sich immer wieder was......    :kopfkratz:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

psearch

Hallo Thovalo,

auch der Kreidefeuerstein aus Spiennes wurde auch zur Zeit der Michelsberger Kultur abgebaut und
über weitere Strecken gehandelt (so wie Rijckholt).
In einem Aufsatz zu einem Michelsberger Erdwerk habe ich kürzlich gelesen, dass die Verbreitung
von Maasfeuerstein nicht unbedingt immer "zu Fuß" geschehen mußte, sondern teilweise auch über Boote
entlang der Wasserwege denkbar gewesen ist, mit denen sich größere Mengen dieses Materials
problemlos transportieren lassen. Bleibt dann nur noch der Transport per "Fuß" von der Abbaustelle zum
nächsten Wasserweg und dann zum Endabnehmer.

MFG PSearch

thovalo

Zitat von: psearch in 24. Januar 2012, 06:45:15
Hallo Thovalo,

auch der Kreidefeuerstein aus Spiennes wurde auch zur Zeit der Michelsberger Kultur abgebaut und
über weitere Strecken gehandelt (so wie Rijckholt)
.
In einem Aufsatz zu einem Michelsberger Erdwerk habe ich kürzlich gelesen, dass die Verbreitung
von Maasfeuerstein nicht unbedingt immer "zu Fuß" geschehen mußte, sondern teilweise auch über Boote
entlang der Wasserwege denkbar gewesen ist, mit denen sich größere Mengen dieses Materials
problemlos transportieren lassen. Bleibt dann nur noch der Transport per "Fuß" von der Abbaustelle zum
nächsten Wasserweg und dann zum Endabnehmer.

MFG PSearch


Auf jeden Fall,

die Verbreitung der beiden Rohsilexvarietäten hat sich von den Lagerstätten ausgehend in die angrenzenden Regionen ausgebreitet und das über weite Räume hinweg. Da Rijkholt dem Fundplatz hier räumlich am nächsten liegt und zwar in erheblichem Abstand östlich von Spiennes, wird Feuerstein der Varietät Rijkholt hier dominieren. Weil das Fundgelände hier am Fluss gelegen ist ist ein Flusstransport eine absolut nahe liegende Möglichkeit. Allerdings ist das Fundaufkommen hier bislang eine absolte Ausnahmesituation.
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.