Eigenartiger Zufall: Bipolarer Kern mit Retuschierungen

Begonnen von Jondalar, 22. November 2024, 09:54:05

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Jondalar

Hallo Zusammen,

da wir es ja gerade mit den Kernen haben, nachfolgend eine Ergänzung.

Der ausdauernde Regen der vergangenen Tage brachte selbst auf einen schon mehrfach begangenen Feld wieder neue Funde zu Tage.
Als ich gestern diesen bipolaren Kern (52 / 44 / max. 16mm) aufhob, muss ich wohl gegrinst haben, denn ich hatte ja zwei derartige, flache, allerdings kleinere Kerne, erst letzte Woche eingestellt (s. Materialmangel? ). Im Gegensatz zu diesen weist er jedoch Retuschierungen auf (siehe rechtes Foto, rechte Seite (besser bekomme ich sie leider nicht fotografiert)) und könnte wohl noch als Kratzer gedient haben. Die Retuschierungen sind, sicherlich aus praktischen Erwägungen, auf der Seite und nicht, wie ich es 'formal' eigentlich erwartet hätte, an der breiteren 'Basis' ausgeführt worden.
Viele Grüße

Jondalar

thovalo


Moin!

Zunächst ist das ein Abschlag mit dorsalen Negetiven des Abbaus von Grundformen. Eine Retuschierung hat zwei wesentliche Aufgaben. Entweder formt sie ein Stück in Umriss und Fläche aus oder sie verstärkt eine Kante. Wenn eine Kantenretusche vorliegt, dann ist der Rand dennoch durchgehend gerade ohne vorstehende Ecken/Kanten. Das ist hier aber nicht der Fall, denn der Kaantenverlauf ist unregelmäßig. Das würde einem bearbeitetes Werkstück, ob Haut oder Holz, nicht gut tun.

Von daher kann man hier eher mit einer Beschädigung, in welcher Zeit und in welchen Zusammenhängen auch immer, rechnen!


lG Thomas   :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

steinwanderer

Moin Jondular,
das ist kein ganzer Kern. Sondern ein Abschlag davon, ein so genannter Korrekturabschlag. Da an dem 2 seitigem kern zu viele Steckenbleiber entstanden waren musste Dieser gesetzt werden damit wieder um eine glatte Abschlagskante entsteht. Die Retusche ist die Präparation der einen Abschlagsseite.
Gruß Klaus
Lewer duad üs Slav

RockandRole

Servus,

also ein herausgestellter Schlagpunkt
 :super:

Liebe Grüße Daniel
gefährliches Drittelwissen

Jondalar

Hallo zusammen,

vielen Dank für Euere Einschätzungen. Ich bin ganz überrascht ob der Reaktion, da ich das Stück wegen der Ähnlichkeit zu den in dem erwähnten Beitrag gezeigten zwei Funden für eindeutig gehalten habe. Aber umso besser! Da gibt es etwas zu lernen...

@Thomas: wie immer hast Du die Art der denkbaren Retuschierung systematisch dargestellt, aber auf dem gezeigten Stück gibt es an der verdächtigen Seite mindestens 15, recht gleichartige, von der Patinierung mit den Nachbararealen identische Druckstellen (man kann sie zugegebenermaßen auf dem Foto seeeehr schlecht erkennen), alle von der glatten Rückseite her... Die Eiszeit kann man als Täter ja wegen der anderen eindeutigen Bearbeitungsspuren, in die diese 'eingreifen', ausschließen. Der Untergrund ist sandig... So viele gleichartige Beschädigungen durch landwirtschaftliche Geräte halte ich daher für eher unwahrscheinlich... Dass der Kantenverlauf unregelmäßig ist, habe ich mir auch gesagt, aber anderseits ist die Bearbeitung der an dieser eng begrenzen Stelle gefunden Kratzer bestenfalls als oberflächlich zu bezeichnen. Wäre es nicht denkbar, dass die Retuschierung lediglich für eine kurzzeitige, wie auch immer geartete Nutzung ausgeführt wurden?

@Klaus: Es ist kein Abschlag von einem Kern. Die glatte 'Rückseite' ist die Außenseite des Ausgangsstein. Sie hat eine ganz andere Oberfläche als der Rest des Stückes. Rechts oben auf dem mittleren Foto (zugegebenermaßen so gut wie nicht zu erkennen) gibt es ein kurzes Negativ, dass die gleiche Oberfläche zeigt wie die bearbeiteten 'Vorderseite'...

Als was also kann man das Stück, auch in Abgrenzung zu den in dem Beitrag  Materialmangel? gezeigten Funden, die ja auch keine 'ganzen' Kerne sind, ansprechen?
Viele Grüße

Jondalar

thovalo


Guten Morgen Jondala!

Es ist, wie Kkaus das schon geschrieben hat, ein Korrekturabschlag zur Neuanlage der Abbaufront an einem Kernstein.

Ich habe die Funktion von Retuschen deshalb noch einmal so deutlich beschrieben, weil das die Grundlagen ist, eine intentionelle von einer scheinbaren Retusche abzugrenzen. Das ist eine Regel nach der sich alle richten können.

Solange ein Fundbeleg nicht klar als Kratzer oder altsteinzeitlicher Schaber usw zu identifizieren ist, sind Retuschen eher späteren Beschädigungen, die etwa durch Auftreten auf das Stück noch zur Entstehungdzeit, Beschädigung durch die Bewegunge im Boden oder bei der Bearbeitung am Kernstein usw. zu sehen sind.

HIer im Rheinland gibt es gelegentlich Angebote der Au´ßenstellen zur Schulung in Beug auf das Erkennen und einschätzen von aRtefakten. Vielleicht findest Du so ein Angebot auch mal in Deiner Region. Das ist insofern hilfreich, alsdass man dann direkt an Originalen nachvollziehen kann as gemeint ist. Es ist auch klasse, wenn man einen moderenen flinknapper zusehen kann. Dann erschließen sich Technik und Spurenbilder viel leichter.


lG Thoms  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Steinkopf

Moin Jondolar,

es ist zwar schon alles gesagt - aber noch nicht von mir.

Das mittlere Bild, so wie ich es sehe, zeigt oben (auf dem Foto dunkler) eine Schlagfläche (Plattform),
mit der dieses Teil von einem größeren Etwas abgeschlagen wurde.
Wie sehr sich darunter ein Bulbus wölbt, ist auf keinem der drei Bilddokumente zu sehen
Die Fläche bei 003 ist nach der Farbe eine Spaltfläche und sieht mir nicht nach Cortex aus.

Schau es Dir noch mal genau an - mit den Augen und mit dem Däumchen.

LG
Jan



Jondalar

Hallo zusammen,

vielen Dank für Euere neuerlichen Einschätzungen. Ich habe nun auf jeden Fall, auch Dank Jans neuen Beitrag, eine Vorstellung von einem Korrekturabschlag.

@Jan: auch wenn ich das Däumchen  ;)  zu Hilfe nehme, lässt sich an der fraglichen Stelle kein Bulbus oder Wallner-Linien ertasten, stattdessen nur eine raue Fläche... Wie dem auch sei...
Viele Grüße

Jondalar