Dünnnackiges Beil?

Begonnen von Danske, 12. März 2016, 15:00:24

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Danske

Moin zusammen,

dieses Beil habe ich in den 80ern beim "wilden" Zelten (natürlich mit Genehmigung des Grundstückseigentümers) auf Seeland gefunden. Beim Anlegen eines "Flutgrabens" um das Zelt herum kam dieses schöne Teil zum Vorschein. Das Beil ist vollständig geschliffen. Es ist zwar auf einer Breitseite und am Nacken beschädigt, ansonsten aber ganz gut erhalten. Auch die Schneide hat etwas gelitten. Mir kommt es vor, als hätte der Besitzer die vielleicht beschädigte Schneide durch ein paar Schläge wieder nachgeschärft. Zu einem Schliff der Schneide und der verunstalteten breitseite ist es dann nicht mehr gekommen.

Hier die Maße:
Länge: 161 mm
Breite Schneide: 72 mm
Breite Nacken: ca. 50mm (mit Ergänzung der abgeplatzen Seite)
Dicke Nacken: 19 mm
Größte Dicke: 30 mm
Dicke der Schmalseiten: 20 mm
Schmalseitenwinkel: 7 Grad

Ich tippe mal auf ein Dünnnackenbeil, Typ V (PVP S. 108, Nr. 161) Das Material könnte Senon-Flint sein, oder?

Was meint ihr?

LG
Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

Steinkopf

Hallo Holger,

für so ein Beil würde ich mich auch noch mal eine Nacht ins Zelt legen!
Mit den Senonflint liegst Du richtig.
Deine Zuordnung zum Typ 161 kommt ihm wohl am nächsten.

Es wäre interessant, wenn man die gesamte Biographie eines solchen
zu seiner Zeit technologischen Spitzenproduktes herausfinden könnte!

LG

Jan

Danske

Hallo Jan,

ja, das ist ein richtig schönes massives Teil mit einem Gewicht von über 500 Gramm.

Man kann aufgrund des Befundes versuchen, das Leben oder die letzten Tage eines Stücks zu rekonstruieren. Leider bleibt das Meiste spekulativ. Manchmal wünsche ich mir, die Steine könnten reden.

LG
Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

Siebenpapagei

Hallo Holger,

ein wunderschönes Beil hast du da gefunden. :prost:

Beim Flint handelt es sich um Falster-Flint. Die typische Bänderung lasst sich gut auf dem ersten Bild erkennen.
Die Falsterknollen haben an den äußeren Schichten den sehr glasigen Bereich, zur Mitte hin werden sie zäher und die Färbung geht ins gräulich bis weißliche. Das Beil könnte gut aus einem großen Abschlag aus dem äußeren Knollenbereich hergestellt worden sein.

Beim Schneidenschlag, so scheint es, hat der Steinschläger etwas zu viel Gas gegeben. Im geschliffenen Zustand geht das Material ab wie Schmitz Katze.
Im Schneidenbereich sieht es so aus, als ob das Beil noch sekundär als Schlagstein, bzw. Klopfstein Verwendung fand.

Vielen Dank für's zeigen.

VG
Ralf

Danske

Hallo Jan, hallo Ralf,

danke für eure Hilfe bei der Bestimmung. Bei der Flintart tue ich mich immer schwer.

Wie gesagt, die Schneide sieht nicht aus wie bei einem "normalen" Beil, recht kurz und stumpf. Auf eine mögliche sekundäre Verwendung als Schlag- oder Klopfstein wäre ich nicht gekommen, dafür ist das Beil für mein Empfinden noch "zu intakt". Ich denke, wenn man die Schneide schleifen würde, hätte man, abgesehen von den Absplitterungen an der einen Breitseite, wieder ein ganz ordentliches Beil.

LG
Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.

steinwanderer

#5
Moin Holger,
das Beil war mit Sicherheit viel größer. Auf dem Bild 2i sieht man das Ende der Bruchfacette verlängerst Du diese, kommt man auf das ursprüngliche Maß.
Um aus diesem Unfall wieder ein schlagkräftiges Beil zu schaffen, bedurfte es aber einige Vorarbeiten. Da reichte das Schleifen nicht.
Es gibt ein Mindestmaß  von ca. 15 cm. Da runter lassen sich dünnnackige Beile nicht mehr ordentlich schäften.
Die Bearbeitung hätte sich somit nicht gelohnt.
Es wurde daher noch, wie Ralf schon erkannte zu anderen Zwecken benutzt.
Gruß Klaus
Lewer duad üs Slav

Danske

Moin Klaus,

die Bruchfacette ist mir gar nicht als solche aufgefallen. Weil der Nacken auf der anderen Seite unregelmäßig und muschelig gebrochen ist hatte ich angenommen, dass die Bruchstelle auf der einen Seite glatt geschliffen wurde. Also ist es eine glatte Bruchstelle = Bruchfacette.
Habe mal versucht, den Beilkörper entsprechend der Schmalseitenkonvergenz zu verlängern. Bei einer Mindestnackenbreite von 40 mm wäre das Beil 22 - 25 cm lang gewesen. Ist natürlich ungenau, aber deine Ausführungen zur ursprünglichen Beillänge überzeugen.
Hätte auch das Mindestmaß dünnnackiger Beile für eine Schäftung niedriger angesetzt, wieder was dazugelernt.

Auch dir Dank für deine Hinweise.

Gruß
Holger
Et nunc reges intelligite, erudimini, qui judicatis terram.