Dreieckige Pfeilspitze

Begonnen von Steinkopf, 09. Mai 2014, 21:35:27

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Steinkopf

Hi,

nach den gut spülenden Regenfällen der letzten Tage konnte ich diese
Pfeilspitze von einem Fundplatz im Weser-Ems-Gebiet aufheben.

Diese Spitze wurde von einem recht planen dünnen Abschlag gearbeitet.

Der Fundplatz liegt ca. 6 m über NN und lieferte Funde, die zeitlich ab dem Mesolithikum datieren.

LG

Jan

Siebenpapagei

Hallo Jan,

Herzlichen Glückwunsch zu dem tollen Fund!

schöne kleine Spitze und gute alte Währung!  :-)
Es sieht auf den Fotos so aus, als ob der Flint ins weißliche geht oder täuscht das?

Viele Grüße

Ralf :winke:

Steinkopf

Danke 7P,

die farbliche Wiedergabe ist bei meiner Digitalfotografie ein 'Näherungswert'.

Die Spitze hab ich noch mal sanft mit der Kombizange vor ein Licht gehalten:

diese Aufnahme trifft den Ton schon besser.

LG

Jan

thovalo



Nicht näher datierbar ......  ansehnlich und in der Übersicht bemerkenswerter weise ...... gar nicht so selten wie man glauben mag!


glG Thomas   :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Steinkopf

#4
Danke für die Einschätzung Thomas,

eine Spitze, die opportunistisch aus einem Abschlag gefertigt wurde, der zur Basis sehr dünn ausläuft.

Soweit das Material dieses zuließ wurde hier eine leicht eingezogene Basis angestrebt.
Aber wo kaum noch was ist, lässt sich auch durch Retusche nicht mehr viel gestalten.
Dies wird auch auf der grob retuschierten Seite mit der 'Zacke' sichtbar.
Im Fundspektrum dieses Platzes sehe ich sie als bronzezeitlich.

LG

Jan

thovalo

#5

In Relation zu den extrem vielen Pfeilspitzen aus Stein, die insgesamt gefunden werden, ist die Überlieferung von noch in ihren Pfeilschäften erhalten gebliebenen Projektilen enorm selten dokumentiert.

An den wenigen erhaltenen Pfeilen erstaunt mich immer wieder, wie weit die steinernen Projektile, seien sie mit wenig Aufwand oder technologisch hochfein ausgearbeitet worden, in die Nut der Schäftung eingesetzt und mit Birkenpech eingefasst, bzw. manchmal regelrecht "ummantelt" worden sind. Es kam in Bezug auf die Funktion zuletzt immer "nur" auf die Spitze und die abfolgenden schneidenden Lateralverläufe an.

Die Basis musste lediglich so dünn sein, dass sie stabil in der Nut passte. Wenn ein verwendetes Materialstück das schon natürlich vorgegeben hatte war es dann auch so gut geeignet. Bei umlaufend formend flächig retuschierten Pfeilspitzen wurde auch eine weitergehende Bearbeitung der Basis notwendig um das Projektil auf einen (ein)passenden Durchmesser reduzieren zu können.


Erstaunlich ist, dass manchmal ein vergleichsweise extrem hoher Aufwand betrieben worden ist. Dabei spielte vielleicht auch handwerklicher Ehrgeiz, manchmal ein eigener ästhetischer Anspruch und nicht ganz unwahrscheinlich auch "kulturelle Identität", in Bezug auf die Art der Herstellung und die Formbildung der Pfeilspitzen, eine für uns heute kaum mehr zu erschliessende Rolle!


Besonders eindrücklich wird das z.B. durch die einheitliche und fein-aufwändige Machart der Projektile aus der Bestattung des "Amesbury archers"!


lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Birk

Moin Jan. Schöne Fund und gutes Auge. :super: Wurde aber auch echt zeit , daß es mal vernünftigen regen gab bevor alles grün ist. :zwinker: Dann mal noch viel Glück und vor allem Spass bei der Suche.
Thomas hast du zufällig ein bild von solch erhaltenen Pfeilen mit Spitze?

  Gruß
  Thomas

thovalo

#7
Zitat von: Birk in 10. Mai 2014, 07:52:43
Moin Jan. Schöne Fund und gutes Auge. :super: Wurde aber auch echt zeit , daß es mal vernünftigen regen gab bevor alles grün ist. :zwinker: Dann mal noch viel Glück und vor allem Spass bei der Suche.
Thomas hast du zufällig ein bild von solch erhaltenen Pfeilen mit Spitze?

 Gruß
 Thomas


Ich hab jetzt erstmal ein Bild von zwei von Ötzis Pfeilen gefunden.    :-)

Ob die so bereits fertig gewesen sind und alles vom Birkenpech erhalten geblieben ist ....... die Basis ist hier jedenfalls fett verklebt.

Ein Unterschied ist auch, dass es sich hier um große Pfeilspitzen gegenüber Deiner sehr kleinen handelt.


lG Thomas  :winke:


Bei Projektilen wie denen des "Amesbury archers" bildeten die Flügelenden Widerhaken.
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo




Hier noch ergänzend ein Bild mit Resten der originalen Schäftung einer Pfeilschneide!  :glotz:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Kelten111

Durfte schon länger keine mehr finden  :besorgt:

Mfg

Birk

Moin Thomas . Dank dir für das Bild.  :super: Sieht echt interessant aus. Die sollten ja wohl auch ein wenig halten und nicht im Köcher schon wieder abfallen. :-D

  Gruß
  Thomas

  Kopf hoch Kelten. Um so größer ist die Freude , wenn es dich mal wieder " trifft". :zwinker:

Steinkopf

Vielen Dank für interessante Beiträge!

Aus den spülenden Regenfällen,über die ich mich noch freute, wurden Fluten.
Es wird immer schwieriger, die Stiefel wieder aus dem Schlamm zu ziehen und
ich sollte eigentlich eine Schwimmweste über die Regenjacke ziehen.

Thomas bringt die Pfeilspitze in Bezug zur >Bestattung des "Amesbury archers"<
trifft damit eine Überlegung, die mich schon länger beschleicht, wenn ich diese Stücke auflese.

Der Landwirt, auf dessen Feld mein Suchacker liegt, machte mich vor einigen Jahren darauf aufmerksam, dass
er den Acker in Richtung Wasserlauf um ca. 20 Meter vergrößern würde. Damit wurde ein Grünland-Bereich
zum ersten Mal gepflügt. Es kam wie er es schon geahnt hatte: aufgepflügte Keramik, Leichenbrand
und auch mehrere Pfeilspitzen.

Die in der Nähe der Siedlungsplätze gefundenen Projektile können zum großen Teil aus Bestattungen stammen?

LG

Jan

thovalo

#12



    :-)


Lieber Jan, lieber Thomas!

Bei den calzinierten Knochen ist es die Frage: sind das menschliche Überreste oder Reste der Zubereitung und Verwertung von Zuchtvieh und/oder Wild. Denn die großen Langknochen wie auch das Gehirn wurden, als wichtige Nahrungsquelle genutzt, das Mark den Knochen und das Hirn dem Schädel entnommen. Markklößchen und Hirn werden selbst noch heute als schmackhaft empfundenl und sind besonders nahrhaft! Die aufgebrochenen Knochen gelangten ins Feuer oder wurden ggf. sogar erst durch die Hitze zum Öffnen vorbereitet. Calzinierte Knochen können vielfältige Entstehungsgeschichten aufweisen.

In Zusammenhang mit der Ernährung ist in den Befunden in der Regel ein mehr oder weniger deutlicher Anteil von Wildtieren  :elch: vorhanden. Zumindest die fleischreichen Teile des erlegten Wildes wurden in die Siedlung eingetragen und dort verarbeitet. Damit kamen auch tief eingeschossenen Pfeilspitzen, insbesondere wenn sie in den Knochen fest eingeschossen waren, in die Siedlungsstellen "zurück".

Da das  Projektil selber nicht unbedingt der wertvollste Teil eines Pfeiles gewesen ist, sondern der Schaft, der idealer weise in der Siedlung wieder neu bestückt worden ist, blieben Pfeilspitzen, auch im Knochen steckend, zurück, insbesondere wenn die deutlich beschädigt gewesen sind.

Beschädigte Projektile wurden wohl überwiegend in den Siedlungen ausgewechselt. In den Siedlungen sind sicher auch neue Projektile hergestellt worden. Fehlgeschlagene Werkstücke, wie sie im Fundbestand gegenüber gelungenen Projektilen proportional nicht allzu häufig vorkommen, blieben am Ort zurück. Gelegentlich wurden sie, als Projektile unbrauchbar, dann als Bohrer genutzt oder zu sonstigen Zwecken "ritzend", "schabend" oder "schneidend" weiter verwendet.

Als ein weiterer Hintergrund für die Beschädigung, das Auswechseln und Hinterlassen von Projektilen in Siedlungszusammenhängen ist auch die Beschädigung von geschäfteten Projektilen im Köcher vorstellbar. Kippte der Köcher um oder fiel von der Aufhängung an der Wand, konnten die Beschädigungen entsprechend ausfallen.

Möglicherweise gehörte die Herstellung von Projektilen, mit dem Ziel der Sicherung eines festen Grundbestandes, auch zu den Saisonarbeiten, z.B. in der Winterzeit, wenn die Tage kalt und kurz gewesen sind   :teufel2:   und die Jagd sicher auch höhere Bedeutung für die Nahrungssicherung hatte.

Es gab zweifelsohne einen hohen Anteil von Projektilen die in ganz alltäglichen Zusammenhängen in den Siedlungen verblieben sind, weit mehr als die Stücke die in Gräber gelangten.


Pfeile aus Bestattungen sind entweder Teilbestand der Beigaben, in der Form mehr oder weniger umfangreicher Sets von Pfeilen, ggf. in einem Köcher, oder aber, daran denkt man sicher kaum zuerst:

die Pfeilspitzen steckten im Körper des Toten!  
In einem Befund ist das nicht immer klar zu unterscheiden.


Für den Grabkeller von Stein in den Niederlanden sind die Überreste mehrerer Tote und eine Anzahl von über 100 verbrannten Pfeilschneiden überliefert. Für diesen Befund ist genau diese Frage nicht abschließend zu klären. Wurden Pfeile als Beigabenausstattung mit den Toten verbrannt oder wurden mit Pfeilen getötete Menschen im Ritual der Feuerbestattung verbrannt und die verbliebenen Überreste dann in diesem Kollektivgrab beigesetzt?


So wenig das vielleicht mit eigenen Funderfahrung in Einklang zu bringen ist, sind Pfeilspitzen aufgrund ihres alltäglichen Gebrauchs als Fernwaffe und fester Bestandteil der Sachkultur im allgemeinen Fundaufkommen aus guten Grund alles andere als selten!

Bei vollständig erhaltenen und in besonderer Sorgfalt hergestellten Stücken kann für Oberflächenfundbelege noch am ehesten über einen Bestattungszusammenhang nachgedacht werden. Eine in einheitlicher Machart über die eigentliche Funktion hinaus besonders sorgsam hergestellte Anzahl von Projektilen kennt man ausschließlich aus Bestattungen. Das gilt insbesondere und deutlich auffallend für reich ausgestattete Bestattungen der Glockenbecherkultur. Dazu gehört dann auch das Grabinventar des "Amesbury archer" und das seines Sohnes. Wenn man sich die gezeigt Reihe der Projektile des Amesbury archers ansieht, fallen einige nicht abschließend fertig gestellte Arbeiten auf. Vielleicht sind das in diesem Fall allein zum Begräbniszweck hergestellte Pfeilspitzen, worauf insbesondere auch die einheitliche Machart und "Handschrift" hindeutet.

Auch Befunde anderer "becherzeitlicher" Kulturerscheinungen überliefern in Bestattungen typologisch sorgsam und gleichartig ausgearbeitete Pfeilspitzen. Sie scheinen in einem "Bestattungsset" mit der Identifikation kultureller Eigenheiten und der besonderen Wertschätzung einer verstorbenen Person näher verbunden gewesen zu sein.


Vor diesen Hintergründen werden die meisten Fundbelege von Pfeilspitzen auf ihre eigentliche Zweckbestimmung, den Gebrauch als Bestandteil einer Fern- und Jagdwaffe, zurück zu führen sein. Pfeilspitzen aus Bestattungen werden dem gegenüber im alltäglichen Fundaufkommen die Ausnahmen bilden!


Ich hoffe für Euch nicht zu ausführliche Gedanken zu einem komplexen Thema!


glG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Steinkopf

Hallo Thomas,

es ist schön, dass Du so ausführlich auf meine 'oberflächlichen' Impressionen geantwortet hast!

Als Sucher, der ich über die unterschiedlichsten prähistorischen Bühnen schreite und nur die  Stücke aufhebe,
die es ans Sonnenlicht geschafft haben, mache ich mir aus (Halb)wissen, Eindrücken des Platzes (der landschaftlichen Gegebenheiten)
Echos aus früheren Leben (?) und was sonst noch so mitschwingt, ein Bild davon, was hier und dort früher einmal gewesen sein mag.

Schon wenn ich meine Funde dem Archäologen vorlege, bekomme das Feedback eines Ausgräbers, der aufgrund seiner Grabungs-Erfahrung
die Siedlungen wesentlich kleinräumiger wahrnimmt als ich, der auf den Strukturen des großflächigen Maisanbaus wandelt und alles in eine
Tüte packe, was eigentlich  Jahrtausende auseinander liegt.

LG

Jan