Glücklicher Fund zum Wochenende: ein patiniertes Geschoß

Begonnen von thovalo, 22. Oktober 2011, 22:59:37

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

thovalo

 :-)

Die Begehungsbedingungen am rechten Niederrhein sind aktuell reichlich mies!

Allerdings hatte ich Heute einen glücklichen "Treffer" als ich nach 2 Stunden GARNIX ein Projektil aus weißlich patinierten "nordischen Feuerstein" auflesen konnte!

Länge: 3.35 cm


Von diesem Siedlungsgelände liegen inzwischen mindestens 100 Belege für Pfeilspitzen vor.
Genau so umfassend ist wohl bereits auch die Nachweisdichte von Pfeilschneiden.


Da wurde möglicherweise viel gejagt!


Ein Projektil vom Gelände stammt aus dem mittleren Neolithikum, alle anderen aus dem Jung- (u.a. "tropfenförmig" und zusätzlich bifaziell flächig retuschiert), Spät- (u.a. mit Schäftungsdorn und ohne Flügel) und Endneolithikum (gestielt und geflügelt) .....

glG thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Siebenpapagei

Hallo Thovalo,

wunderschönes Stück und so gut erhalten. Da lag sie einsam auf weiter Flur, die 2 Stunden haben sich dann ja doch noch gelohnt, die wollte zu dir!

Viel Glück weiterhin.

Gruß

7Papagei :winke:

Goatman


Saxaloquuntur


Thovalo:
Von diesem Siedlungsgelände liegen inzwischen mindestens 100 Belege für Pfeilspitzen vor.
Genau so umfassend ist wohl bereits auch die Nachweisdichte von Pfeilschneiden.

Da wurde möglicherweise viel gejagt!


Hallo, ist diese auffallend hohe Fundfrequenz jetzt deiner Meinung nach typisch oder gilt das nur für diesen Fundplatz. Aus der Literatur entnehme ich immer wieder, dass die Jagd eine sehr untergeordnete Rolle gespielt habe, was auch mit der geringen Zahl an Pfeilspitzen korreliert wird. Für meine Fundstellen halte ich da auch eine für meinen Eindruck doch hohe Zahl an Pfeilspitzen dagegen, die auch auf mich eher den Eindruck machen, den Du hier für deine Fundstelle beschreibst. Just for fun wurden diese Projektile ja nicht hergestellt. Ich meine damit nicht den Vergleich der Jagd in der Altsteinzeit mit dem Neolithikum, da hat natürlich ein Rückgang statt gefunden, aber da die älter neolithischen Kulturen ja nicht von heute auf Morgen in großen Stil zu gewandert sind, haben sich ja wohl auch die alten Ernährungsweisen gehalten, die Kulturen erfuhren Assimilation, Anpassung, Übergänge, und Kulturstufenbezeichnungen differenzieren ja nicht diese Tatsachen. Der erste Bauer im Gelände verschmähte ja nicht das wohlfeile Angebot aus der Natur, das Jagen  starb  nicht mit der ersten selbst angebauten Ähre aus, Im Grunde haben wir heute noch diese Mischversorgung. Kennt jemand eine Arbeit über die Bedeutung der Jagd im Neolithikum?
Saxaloquuntur

thovalo

#4
Zitat von: Saxaloquuntur in 23. Oktober 2011, 12:06:51
Thovalo:
Von diesem Siedlungsgelände liegen inzwischen mindestens 100 Belege für Pfeilspitzen vor.
Genau so umfassend ist wohl bereits auch die Nachweisdichte von Pfeilschneiden.

Da wurde möglicherweise viel gejagt!


Hallo, ist diese auffallend hohe Fundfrequenz jetzt deiner Meinung nach typisch oder gilt das nur für diesen Fundplatz. Aus der Literatur entnehme ich immer wieder, dass die Jagd eine sehr untergeordnete Rolle gespielt habe, was auch mit der geringen Zahl an Pfeilspitzen korreliert wird. Für meine Fundstellen halte ich da auch eine für meinen Eindruck doch hohe Zahl an Pfeilspitzen dagegen, die auch auf mich eher den Eindruck machen, den Du hier für deine Fundstelle beschreibst. Just for fun wurden diese Projektile ja nicht hergestellt. Ich meine damit nicht den Vergleich der Jagd in der Altsteinzeit mit dem Neolithikum, da hat natürlich ein Rückgang statt gefunden, aber da die älter neolithischen Kulturen ja nicht von heute auf Morgen in großen Stil zu gewandert sind, haben sich ja wohl auch die alten Ernährungsweisen gehalten, die Kulturen erfuhren Assimilation, Anpassung, Übergänge, und Kulturstufenbezeichnungen differenzieren ja nicht diese Tatsachen. Der erste Bauer im Gelände verschmähte ja nicht das wohlfeile Angebot aus der Natur, das Jagen  starb  nicht mit der ersten selbst angebauten Ähre aus, Im Grunde haben wir heute noch diese Mischversorgung. Kennt jemand eine Arbeit über die Bedeutung der Jagd im Neolithikum?
Saxaloquuntur


Seit Ende 2003 untersuche ich nur ein einziges Siedlungsareal, das bis dahin vollkommen unerkannt geblieben ist. Die geschlossene Gesamtgrundfläche beläuft sich auf 70 Hektar. Dort befinden sich eine flächendeckende allgemeine Fundstreuung und verschiedene Fundschwerpunktkonzentrationen mit bis zu mehreren Tausend Artefakten je Stelle. Die Produktion von Silexgrundformen wurde am Ort selber an über 130 Kilometer hinweg beschafften und nicht vorpräparierten Rohmaterialeinheiten ausgeführt.

Es handelt sich um einen neolithischen Zentralort, wie er bislang nur für Urmitz am Mittelrhein bekannt gewesen ist, mit überregionalen Funktionen zumindest für den Austausch von nachgefragten Materialien. Die weiteste nachgewiesene Entfernung eines Fundgegenstandes liegt aktuell bei 1.100 km. Die Menge der zurück gebliebenen Silexartefakte beläuft sich aktuell bereits auf über 12.000. Dazu kommen noch die Belegstücke von Felsgesteinartefakten. Die älteste sicher datierbare Keramik gehört der "Bischheimer Kultur" an.

Erste Siedlungsaktivitäten liegen damit bereits in der zweiten Hälfte des 5. Jahrtausends. Da die Blütezeit wohl mit der Michelsberger Kultur eingesetzt hat muss mit umfangreichen Rodungen gerechnet werden. Zumindest in der ersten weitläufigen Erschließung MUSS die Jagd eine dominierende Rolle gespielt haben, denn Getreide wächst ja erst nach Aussaat, Reifezeit und muss noch geerntet werde, bevor es zur Ernährung mit beitragen kann! Also wäre der Rückschluss: am Anfang stand die Jagd und dann erst die erste Ernte. Dann gibt es das geografische Phänomen der Lage des Platzes unmittelbar am Flusslauf. Das bedeutet auch unwillkürliche Kontakte mit vielleicht gar nicht allzu friedliebenden und freundlich gesinnten Flussreisenden, die entweder die Ufer entlang streiften oder den Rheinlauf schon mit Booten befahren haben.

Da hat es vielleicht dann doch das eine oder andere Mal heftiger gescheppert. Somit könnte im Fall des hier gelegenen Großfundareals die geografische Situation auch Anteil an einem exzeptionell hohen Fundaufkommen von Projektilen haben. Dazu treten auch inzwischen deutlich über 1.000 Belegstücke von Silexbeilklingen, vom vollständigen Fundnachweis über Nacken- Medial- Schneidenteilstücke, über Abschläge, Absplisse bis hin zu daraus gefertigten sekundär erstellten Artefakten.

Für die Prospektionen habe ich, trotz voller Berufstätigkeit, bislang etwa 2.000 Begehungsstunden aufgewendet. Wenn Du mal näher recherchierst werden die meisten Plätze weder kontinuierlich noch in besonders hoher zeitlicher Frequenz begangenen. Kleinere Silexstücke werden oft auch einfach übersehen oder willentlich liegen gelassen. Gerade die Kleinfunde, zu denen ja auch die Pfeilspitzen und Pfeilschneiden gehören, sind nicht zuletzt das Ergebnis prospektioneller Fleißarbeit.

Es sind offenbar viele Faktoren die zu einer erhöhten Fundkonzentration von Projektilen führen können!

glG thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Saxaloquuntur

Das war im Grunde, worauf ich ab zielte. Bei dieser intensiven Oberflächenprospektion erscheint doch so ein großes Fundareal in einem völlig anderen Licht! Viele Fundstellen erleben ihre Interpretation aufgrund weit weniger intensiver Absammlung und Beobachtung, bzw. erschließen sich durch Sondagen, bestenfalls durch kleine Grabungsflächen. Die gesamte Fundverteilung in der Fläche will mir scheinen kann eben doch andere Erkenntnisse liefern wie eine hochgerechnete Annahme aufgrund von Teilaspekten. Ich glaube, dass ohne Erfassung ( d.h. dann aber wirklich alles mitnehmen und möglichst alles einmessen) der Gesamtfläche sich solche Aussagen wie "Die Jagd spielte eine geringe Rolle" ergeben. Ich staune über deine großflächigen Ergebnisse, die durch hohe Fundfrequenz ( wirklich Fleißarbeit) ein sicher sehr genaues Bild der Siedlung und deren lithischen Hinterlassenschaften spiegeln kann. Ich sehe, dass Du Dir auch vorstellen kannst, dass das archaische Bild des neolithischen Bauern der von den Ergebnissen seiner Feldarbeit sich ernährt mit jeder Pfeilspitze die gefunden wird "jägerischer" wird. Verteidigung und Krieg ist ja auch noch ein Ding, das man nicht aus den Augen verlieren darf, da hast Du recht. Mit dem Bevölkerungszuwachs kamen auch die territorialen Probleme auf. Wie und wofür diese Pfeile eingesetzt wurden bleibt natürlich bis auf die spektakuläre Spitze in "Ötzis Schulter" spekulativ.
Heute gibt es ja schon Nachgrabungen im Grabungsschutt berühmter Fundstellen und plötzlich ändern sich Erkenntnisse, die jahrzehntelang Lehrmeinung waren. Man schaut genauer und anders hin, gräbt mit dem Dentistenhaken und nicht mehr in 3 Monaten mit Spaten eine ganze Höhle leer.

thovalo

Zitat von: Saxaloquuntur in 23. Oktober 2011, 17:03:27
Das war im Grunde, worauf ich ab zielte. Bei dieser intensiven Oberflächenprospektion erscheint doch so ein großes Fundareal in einem völlig anderen Licht! Viele Fundstellen erleben ihre Interpretation aufgrund weit weniger intensiver Absammlung und Beobachtung, bzw. erschließen sich durch Sondagen, bestenfalls durch kleine Grabungsflächen. Die gesamte Fundverteilung in der Fläche will mir scheinen kann eben doch andere Erkenntnisse liefern wie eine hochgerechnete Annahme aufgrund von Teilaspekten. Ich glaube, dass ohne Erfassung ( d.h. dann aber wirklich alles mitnehmen und möglichst alles einmessen) der Gesamtfläche sich solche Aussagen wie "Die Jagd spielte eine geringe Rolle" ergeben. Ich staune über deine großflächigen Ergebnisse, die durch hohe Fundfrequenz ( wirklich Fleißarbeit) ein sicher sehr genaues Bild der Siedlung und deren lithischen Hinterlassenschaften spiegeln kann. Ich sehe, dass Du Dir auch vorstellen kannst, dass das archaische Bild des neolithischen Bauern der von den Ergebnissen seiner Feldarbeit sich ernährt mit jeder Pfeilspitze die gefunden wird "jägerischer" wird. Verteidigung und Krieg ist ja auch noch ein Ding, das man nicht aus den Augen verlieren darf, da hast Du recht. Mit dem Bevölkerungszuwachs kamen auch die territorialen Probleme auf. Wie und wofür diese Pfeile eingesetzt wurden bleibt natürlich bis auf die spektakuläre Spitze in "Ötzis Schulter" spekulativ.
Heute gibt es ja schon Nachgrabungen im Grabungsschutt berühmter Fundstellen und plötzlich ändern sich Erkenntnisse, die jahrzehntelang Lehrmeinung waren. Man schaut genauer und anders hin, gräbt mit dem Dentistenhaken und nicht mehr in 3 Monaten mit Spaten eine ganze Höhle leer.

:super:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.