Schon älter?

Begonnen von rolfpeter, 05. September 2006, 09:14:10

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rolfpeter

Servus Freunde,

hier ist ja wenig mit Paläolithikum, aber vielleicht ist dieser Stein ja schon älteren Datums? Ich weiß auch, daß man auf Grund einer Patinierung nicht unbedingt auf das Alter schließen sollte, tue es in diesem Fall aber trotzdem, weil die neolithischen Artefakte von der Fundstelle unpatiniert sind.
Ein kleiner "Minifaustkeil" rundum retuschiert, braun patiniert und an der Stelle, wo man einen Keil anfassen würde, zertrümmert. (Ist natürlich KEIN Keil haha).

Aber was ist es? Ist es schon so alt, wie ich denke.
Habe keinen Schimmer, bitte um Bestimmungshilfe!

Beste Grüße
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Der Wikinger


Darf man darum bitten die andere Seite und das Profil des K.... zu sehen ???  :zwinker:

rolfpeter

Aber gerne, lieber agersoe!  :prost:

Das Ding ist ja nicht besonders groß, eher besonders klein., 34*29*14 mm


Beste Grüße
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Der Wikinger


Tjaaa, Rolfpeter....

...ich weiss wirklich nicht genau ???

Mein erster Gedanke ist Rest eines kleinen Mikrolithen-Kerns, der nachher als Klopfstein oder ähnliches benutzt wurde.  :platt:

Die Patina würde ich (wie immer) garnicht als Datierungshinweis benutzen !!  :winke:

Silex

Das ist wirklich ein seltsames Teil. Sieht aus wie ein Kern aus meinen Aufsammlungen aber bei genauerem Hinschauen entdeckt man eine formgebende Flächenretuschierung ohne Abschlagsproduktionsabsicht.
Beim 2. Foto meint man ein  abgebrochen/abgenutztes Bohrerspitzenrelikt ins Auge stechen zu erahnen, welches dann  mit schlagender Absicht endlich demoliert wurde (wie agersoe auch schon angeführt hat)
An Paläolithikum glaube ich in diesem Falle nicht......

Schade dass sich die Fachleute  unter den Steinzeitarchäologen  nur mit wenigen Ausnahmen in diesem Forum bewegen....
interessante Stücke wären genug hier.
Du hältst uns auf dem Laufenden, R.P.
Danke
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Der Wikinger

Hallo wieder  :-)

Ich muss hier (zum ersten Mal seit Jahren  :narr:) meinem Freund Edi wiedersprechen !!!
Eine Flächenretuschierung gibt es auf diesem Stück, wie ich das sehe, nicht !!
Es täuscht, wie man auf dem 2. Bild sieht, weil zuerst Abschläge gemacht wurden (vielleicht Kernrest) !!
Als dann aber mit dem Stück hart auf etwas geschlagen wurde, kamen erneute Absplitterungen (keine bewussten Abschläge) die den Gesamteindruck als Flächenretuschierung aussehen lässt, die aber auf keinen Fall solche sind !!!  :belehr:

rolfpeter

Danke Jungs!

Ich lege es vorerst mal als mesolithischen Kernrest ab.

Bis dann
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Ajo

Hallo Rolfpeter,

ein sehr schönes Stück!!! (!!!)
das ist (nach meiner Erfahrung und Betrachtung) ein (Mittel-)Paläolithischer Abschlagskern, der nach der Levallios-Technik (oder älter) gefertigt wurde.

Die gibt es überwiegend in Frankreich (Levallios bei Paris) und Belgien, kommen aber auch vereinzelt im Kies der Endmoränen der ,,letzten" EISZEITEN vor, z.B. bei Hannover im Leinekies.

Ich wage eine Einschätzung: 40.000 bis 300.000 vor Heute  :smoke:
(Homo Erectus oder Homo Sapiens/auch der Neandertaler genannt, der die Technik zumindest verfeinerte)

Gruß,
Ajo

matko


rolfpeter

Also ehrlich....issn Scherz - oder?
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Ajo

Hallo Ihr,

@matko
Nicht so schüchtern...wir wollen mitlachen
(er kennt mehr als er uns mitteilen will)
:narr:

Khamsin

Moin!

Helft mir mal, ich werfe das immer durcheinander: Debütant oder Dilettant?

Wie immer beste Grüsse
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

Ajo

Hallo,

@rolfpeter
nee, ist kein Scherz. :platt:
:belehr: Aber; die Fundzusammenhänge und die Örtlichkeit sind selbstredend und von mir nicht
mit berücksichtigt (kenne sie halt nicht!). Die Beifunde und Stratigraphi Außeracht zulassen kann so nur zur Fehldatierung führen. Ich aber bleibe dabei bis jemand gegenteiliges aufzeigt.
Ich beurteile nur die Bearbeitungstechnik am Stück.

Vergleich für die Ungläubigen: http://de.wikipedia.org/wiki/Acheul%C3%A9en

Meine Artefaktfotos stelle ich später dazu (Bei Interesse???).
Bin auf weitere Ausführungen von euch (und von ,,Deinem" Archäologen) gespannt.

FORSCHEN IST NICHT GLAUBEN SONDERN ZWEIFELN. (J. FRIESEN 1928)

Ajo



@Khamsin: oh, einer vom ,,Fach" (der ahnungslosen Nörgler, Denunzianten und Kleinkarierten), ein wirklich wichtiger Beitrag von dir. Jeder hat halt sein Spezialgebiet.

Der Wikinger

Hallo Ajo  :-)

@ Ajo: "Ich beurteile nur die Bearbeitungstechnik am Stück."


Also ich vermisse sehr eine Argumentation, warum dieses kleine Stück ein Levallios Artefakt sein soll ???  :platt:

Welche besondere technische Merkmale am Artefakt rechtfertigen diese Datiering, würde mich sehr interessieren.  :cop:

Ajo

Hallo agersoe, :-)

das lob ich mir, auch wenn du meine Erläuterungen nicht beipflichtest fragst du nach, anstatt lapidare Ausgüsse von dir zu geben. Danke dafür!

ich hoffe noch, dass der khamsin auch fachlich fundierte Beiträge dazu liefern kann.

Ich stelle aber sehr gerne FÜR interessierte eine kleine Auflistung von meinen Vergleichsstücken zusammen und melde mich mit Erklärungen in ca. 1-2 Std. wieder. :hacker: 

Beste Grüße,
Ajo

Silex

Servus Ihr,
Steinartefakte  die als Werkzeuge "erzeugt" wurden  um den entscheidenden Vorteil im Überlebenskampf zu erringen sind ein komplexes und schwieriges Terrain.
In meiner nunmehr 16-jährigen Steinzeitsucher"karriere" hab ich es im lokalen Umfeld zu einer leidlich dilettantischen Kenntnis der Artefakttypen  und zeitlichen Einordnung derselben gebracht  - und das mit massiver Unterstützung vieler tausend Seiten diesbezüglicher Literatur - sowie Gesprächen mit Fachleuten- die mir oft genug  seltsamste "Einordnungen" lieferten. Da vergleiche ich lieber mit Aufsammlungen befreundeter Feldbegeher aus meiner Region. Trotzdem bin ich nahezu hilflos wenn ein Steinartefakt aus einer anderen Fundlandschaft stammt.
Und wenn Rolf-Peter sagt er hat in seinen Funden einen "Ausreisser" dann traue ich seiner Erfahrung denn kein Kathedergelehrte kann seine lokale Erfahrung wettmachen- aber letzterer kann typologische , allgemeingültige Datierungskriterien setzen die uns Laien weitgehend verschlossen sind.
Und das ist die Mischung die dieses Unterforum trägt. Ein Suchen, Ahnen, Wissen.... und erst die  Reflexion all dessen macht uns klar dass wir relativ ahnungslos sind - und nur langsam dazulernen....
Ich würde mich nicht soweit hinauslehnen dieses indifferente Stück  in ein Mittelpaläolithikum zu stellen (obwohl ich mit meiner  vorsichtig angenommenen "Flächenretuschierung" evtl. auch danebenlag) , aber Rolf-Peter sitzt ja an der Quelle und sein AmV wird uns etwas erzählen....bald....oder  der verehrte Khamsin der hier in  Typologiefragen   unumgänglich sein sollte.
Bis bald
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Ajo

#16
Hallo Ihr,

nun wie angekündigt;

@ Edi: Klasse gesagt, meine Rede. Ich hoffe mit dem Beitrag nur zur allgemeinen Aufklärung beizutragen. Ist mir voll bewusst das die Stücke den Archäologen vorgestellt werden, sonst würde ich hier eh kein Kommentar abgeben.

Vielleicht sind euch aber die „fachlich unfundierten Beiträge“ von khamsin lieber? Dann lehne ich mich hier auch nicht weiter hinaus. Der khamsin verwechselt hier aber die Typologie mit der Personenbewertung. Wer so von sich auf andere schließt und sich nicht um die Frage kümmert, fachlich nichts her zu reichen hat,
hat nach meinem dafürhalten das Thema weit verfehlt. Also ehrlich, das ist maßlos!

Da hier aber bestimmt auch welche an einer lebhaften Fachdiskussion interessiert sind biete ich meine Ausarbeitung an, Edi.

@agersoe und rp:

Erläuterung:
Es „ist“ ein Absplißstück, das bei der Herstellung (siehe SF9) abfiel. Das Stück ist ein Abschlag der nicht als Werkzeug diente. Es wurde mit einem gezielten Schlag vom eigentlichen Werkstück getrennt.
Die Absplißbahnen sind grob und tief in das Material getrieben und die Weiterentwicklung aus der Trümmertechnik.
Die Typeneinordnung setze ich in die Zeit um 40.000 vor heute (Jungpaläolithikum).
Info:
Clacton-Abschlagswinkel: 105o 
Vorstufe: Clactonabschläge, meist einseitig (nach)-bearbeitet.

Begründung:

Typologische vergleichbare paläolithische Fundplätze:
A= Clacton- (on-Sea), B= Somme, C= Helin, D= Wallendorf, E= Bilzingsleben, G= Drelsdorf (nach Harz 1986)

Ort F: grob um Sylt östlich bis über Dänemarks Festland
Ca. Alter des Fundes: um 40.000 Jahre (Jungpaläolithikum)
Art: Paläolithischer Kernabfall, Dreikanter od. Variable Schaberformen

NACH WEBER 1986: „Weber fast die Levalliostechnik nicht als ein Bündel von Einzelmerkmale zusammen, er fixiert den Unterschied im Vergleich der verschiedener Inventare.“
Und weiter „so kann für die Trennung von alt- und mittelpaläolithischer Inventare ein durchschnittlicher Anteil von 50% bearbeiteter Kernoberfläche angenommen werden, eine Anzahl von knapp 10 Negativen im Mittel pro Kern….“

Die Frage lautet also; sind das „Zielabschläge“ oder „Präparationsabschläge“? (Levallios Artefakt= nur ein Zielabschlag!!!)

NACH DÜRRE 1986: „ bei der Levalliostechnik ist ein beachtlicher Materialverbrauch anzusetzen der nicht zwingend als Abfall anzusprechen ist. Die Zerlegungsprodukte konnten auch für die Herstellung der Mehrzahl ihrer Geräte verwendet werden. Das Artefakt aus „Königsaue B“ zeigt die alternativen Zerlegungsvarianten unter dem Aspekt von Zielabschlägen die nicht gelungen sind (vergleiche Experimentalergebnis). Bei der Deutung der Endphase einer seriellen Zerlegung ist auf die gekappten Negative auf der Kernunterseite hinzuweisen, deren Größe augenscheinlich die der gelungenen Trennungen der Kernoberseite überschritten haben muß...“

Das muss reichen, wer mehr erfahren will sei an die Quellen verwiesen.

Die Abbildungen sind aus Wilcken Dürres Werken entnommen und von Herrn W. Dürre jun. zur Verfügung gestellt worden. Herzlichen Dank!

Mein Literaturtipp zur Einführung in das Thema:
1.   T. WEBER UND D. MANIA: Die Steinartefakte des Homo Erectus von Bilzingsleben, Berlin 1986
2.   T. WEBER: Neue Methoden und Techniken in der Archäologie. In: Ethnogra.-Archäo.-Zeitschrift 18, 1977
3.   W. DÜRRE: Das Öring-Paläolithikum, Soltau 1991
4.   Faustkeilfreie Kulturen des Alt- und Mittelpaläolithikums, Soltau 1975
5.   Unveröffentlichte Manuskripte von Herrn W. Dürre
6.   G. SCHWANTES: Deutschlands Urgeschichte, Leipzig1934

Link: http://www.einhornhoehle.de/Start/default.htm

Bin auf eure Meinungen gespannt und hoffe der ein oder andere FORSCHER kann mit der Aufstellung etwas anfangen.

(Man findet nur was man kennt! F. Laux)

Ajo

Ps.: Ohne Kenntnis der geographische Lage, Beifunde oder Befund und oh. die mikroskopische Betrachtung oder Luminiszenzdatierung usw. kann die Zeitstellung des Fundstücks nie eindeutig bestimmen werden!!! Schauen wir was Rolfpeters Archäologe dazu sagt.

Ajo

Abb. 4, 5, 6 (Nr. 6 ist nach G. Schwantes 1934)

Der Wikinger

Zitat von: Ajo in 08. September 2006, 19:17:00

Es ,,ist" ein Absplißstück, das bei der Herstellung (siehe SF9) abfiel. Das Stück ist ein Abschlag der nicht als Werkzeug diente. Es wurde mit einem gezielten Schlag vom eigentlichen Werkstück getrennt.


Hallo Ajo !!!  :-)

Ich kann deine Argumentation garnicht folgen ???  :platt:

Also zuerst sagst du: "das ist (nach meiner Erfahrung und Betrachtung) ein (Mittel-)Paläolithischer Abschlagskern, der nach der Levallios-Technik (oder älter) gefertigt wurde."

Jetzt aber ist es ein Absplisstück !!  :staun:

Du machst einen Hinweis auf Illustration SF9, aber die, von dir Absplisstücke genannten, Abschläge KÖNNEN GARNICHT wie Rolfpeters Stück aussehen.

Rolfpeters Foto 1 und 3 können oberflächlich so wie die auf SF9 gezeigten Stücke aussehen, aber dann ist das auch alles !! :nono:

Ein Abschlag wird IMMER auf der anderen Seite FLACH sein, und mit Merkmalen wie Schlagbuckel usw.

Rolfpeters Stück ist deutlich auf beiden Seiten verarbeitet worden, und hat eine NICHT flache Rückseite. Ist also auf keinen Fall ein nicht weiterverarbeiteter Abschlag.  :belehr:


Ajo

#19
Hallo agersoe!

Dann pass mal auf:

1 Ich kann deine Argumentation garnicht folgen ???  
Also zuerst sagst du: "das ist (nach meiner Erfahrung und Betrachtung) ein (Mittel-)Paläolithischer Abschlagskern, der nach der Levallios-Technik (oder älter) gefertigt wurde."


Zu1:Die zeitliche Einordnung beläuft sich wie du sicher weißt, lieber agersoe, vom Mittel- zum Jungpaläolithikum. Meine erste Schätzung war und ist um 40.000, die Vergleichsstücke vor 100.000 können wir bei dem Stück getrost Außeracht lassen, ist aber immer noch mit im Zeitrahmen der Technik!

2 Jetzt aber ist es ein Absplisstück !!  

Zu2: Abspliß mit mehreren Abtrennungsversuchen, da ohne Amboss freihändig geschlagen wurde, Herr Experimentell-Fachmann.

3 Du machst einen Hinweis auf Illustration SF9, aber die, von dir Absplisstücke genannten, Abschläge KÖNNEN GARNICHT wie Rolfpeters Stück aussehen.
Rolfpeters Foto 1 und 3 können oberflächlich so wie die auf SF9 gezeigten Stücke aussehen, aber dann ist das auch alles !! 


Zu3: Doch, vergleiche Zu2!

4 Ein Abschlag wird IMMER auf der anderen Seite FLACH sein, und mit Merkmalen wie Schlagbuckel usw.

Zu4: Da hast Du natürlich Recht.

5 Rolfpeters Stück ist deutlich auf beiden Seiten verarbeitet worden, und hat eine NICHT flache Rückseite. Ist also auf keinen Fall ein nicht weiterverarbeiteter Abschlag.

  Zu5: Doch die mehreren Versuche haben diese Wirkung, wie Zu2!



Der Wikinger

Also, lieber Ajo !! 

Ein Abspliß mit "mehreren Abtrennungsversuchen" existiert nicht, denn ein Abspliß ist immer abgetrennt !!  :nono:

Ein Abschlag kann zwar auf der Vorderseite mehrere vorherigen (kleinere) Abtrennungen haben, aber wie gesagt NIE auf der Rückseite !!!!!

Ein Abschlag ist ABSOLUT !!! ....und keine Abtrennungen können so zu sagen auf die Rückseite entstehen !!!   :belehr:

Solche können nur entstehen, wenn das Stück nach dem Abschlagen weiterverarbeitet wird !!!  :winke:

Ajo

#21
Hallo agersoe, :-D

warten wir die Fachmeinung des Archäologen ab. :prost:
Ich habe oben alles gesagt.

Bis dann, :gn
Ajo
:winke:

Ps.:
Die Folgen sind aber dann am Gegenstück zu sehen.

Die Nebenprodukte der Trümmertechnik sind Oben- und Unterseite von verschieden gerichteten und meist gekappten Abschlagbahnen bedeckt, dabei verursacht ein Schlag häufig mehrere Spaltungen gleichzeitig.

Eine Weiterverarbeitung habe ich nicht ausgeschlossen.

Khamsin

#22
Moin!

Alle diejenigen, die schön länger in diesem Forum sind, müssen zugeben, dass es hier doch überwiegend sachlich zugeht. Das ist natürlich im Sinne unseres gemeinsamen Interesses wünschens- und damit lobenswert, kann aber auf Dauer, sagen wir einmal, etwas eintönig sein.

Das hat sich nun durch Ajos Beiträge schlagartig geändert, und dafür sollten wir ihm dankbar sein! Dank gebührt ihm auch für diverse Zitate, vor allem jedoch für den Versuch, seine Argumentationen mit Literatur zu belegen. Weiss doch die Mehrzahl von uns, dass das Literaturstudium eine zeitraubende Angelegenheit ist. Und so sind alle Informationen, die aus dem Literaturstudium durch Forumsmitglieder resultieren - vor allem für die Nichtleser unter uns - immer als willkommener Service durch denjenigen zu betrachten, der sie uns aufbereitet liefert.

Nun schaue ich gelegentlich auch in das eine oder andere Fachbuch, und deshalb ist mir aus eigener Erfahrung durchaus bewusst, wie das mit dem Lesen von Fachliteratur, genauer, mit dem Verstehen und späteren Wiedergeben (d.h. sinngemässem Zitieren) so ist.  Dabei war ich bislang immer der Ansicht, dass genaues Lesen - und Verstehen - die wichtigste Grundlage für den Gesamtvorgang ist.
   
Jedenfalls ist mir "Levallios" völlig unbekannt, wie auch eine "Levallios-Technik". Allem Anschein nach kann es sich auch nicht um einen einfachen - und dann natürlich verständlichen - Schreibfehler handeln, denn Ajo verwendet diesen Begriff durchlaufend.
Nach einiger Zeit war mir dann klar: Ajo meint "Levallois". Hierbei handelt es sich um einen heutigen Pariser Vorort (vollständiger Name Levallois-Perret), nach dem vor langer Zeit durch französische Archäologen (weil eponymer Fundort) eine besondere Zurichtung von Kernsteinen und davon abgetrennten sog. Zielabschlägen benannt worden ist. In der Archäologie wird das Auftreten von Steinartefakten mit Levallois-Merkmalen als klassisches Merkmal des Mittelpaläolithikums gewertet.

Das also zum richtigen und verantwortungsvollen Lesen und zitieren archäologischer Fachliteratur! Aber vielleicht ist das "nörglerisch" bzw. "kleinkariert"; das Urteil darüber überlasse ich Euch!

Aber schauen wir weiter: In der Tat findet sich in der Literatur auch der Begriff "Levallois-Technik". Wer sich allerdings ein wenig in der Fachliteratur auskennt - auch und gerade in der experimentellen Archäologie - und nicht nur stur dem - mittlerweile emeritierten - Prof. Dr. Dr. h.c. Gerhard Bonsinski, ehemals Köln, in dessen aus den späten 1960er Jahren stammender Terminologie folgt, sondern dem "Pabst" der "methode Levallois", Eric Boeda (seit den mittleren 1980er Jahren), der weiss - natürlich - dass es im technologischen Sinne keine Levallois-Technik geben kann, sondern eben nur eine "Levallois-Methode" (hierzu empfohlen ein grundlegender Aufsatz in Deutscher Sprache: Kenntnis-Werkzeug-Rohmaterial. Ein Vademekum zum ältesten Handwerk des Menschen. In: Archäologische Informationen 23, Heft 2, 2000 (2001) 229-242).

Mögen die von mir angeführten Kritikpunkte an Ajos Ausführungen auch nur als "nörglerische" Kleinigkeiten gewertet werden, so handelt es sich doch im Ergebnis um bezeichnende Merkmale, die auf einen Dilettanten im heutigen Sinne des Wortes, mit anderen Worten einen Stümper, hinweisen (WIKIPEDIA, Stichwort: Stümper)!

Wie schon gesagt, mit dem Lesen ist das so eine Sache. Auf diesen Umstand hat schon Bert Brecht im Jahre 1957 hingewiesen mit den Worten: "Geldleute lesen gründlicher als Bücherliebhaber. Sie wissen besser, was für Nachteile aus flüchtiger Lektüre entstehen können" (Die Geschäfte des Herrn Julius Caesar. 1. Buch: Karriere eines vornehmen jungen Mannes). Ist dem noch etwas hinzuzufügen?

Zu der Ansprache des Fundes von RP durch Ajo erübrigt sich meinerseits jeglicher Kommentar, hat doch die Wikingerfraktion in diesem Forum, unser agersoe, dazu dankenswerterweise bereits alles Grundlegende festgestellt!

Allerdings erinnere ich mich an die Selbstbekundung von Ajo: "Ich beurteile nur die Bearbeitungstechnik am Stück". Nun, um die "Bearbeitungstechnik" - hier die Methode Levallois - beurteilen zu können, muss man sich mit steinzeitlicher Steingerätetechnologie auskennen.
Die von Ajo gelieferte Ferndiagnose entlarvt einen Autor, der tieferen Einsichten in die Materie bemerkenswert resistent gegenüber steht - um es höflich auszudrücken!

Und wer schliesslich einen Beitrag mit dem Zitat "Forschen ist nicht glauben, sondern Zweifeln. (J. Friesen 1928)" unterschreibt, der setzt sich - zumindest tendenziell - dem dringenden Verdacht aus, dies auch auf sich und seine Sicht der Dinge zu beziehen. Sollte ich damit auch nur andeutungsweise richtig liegen, dann kann der Widerspruch zwischen der Aussage dieses Zitates und der Ferndiagnose von Ajo zu RPs Fund nicht deutlicher sein! Wahrscheinlich ist aber auch dies lediglich die Ansicht eines "Kleinkarierten". Aber natürlich überlasse ich auch das Eurer abschliessenden Beurteilung!

@moderator und einige alte Heimdall-Kämpen: seien wir auf einen neuen "Eisenschink/Im Namen der Axt" gefasst

Wie immer grüsst Euch bestens

"Einer vom `Fach´ der ahnungslosen Nörgler, Denunzianten und Kleinkarierten"

@community: habt Ihr das mit "Denunzianten" verstanden?
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

Silex

Danke Leute und Danke Khamsin,
ich bin immer froh wenn ein neuer Kämpe ins Forum tritt und Meinungen zu Fundstücken verteidigt.
Ich hab´s da zwar eher mit der Methode des Andeutens und des vorsichtigen Sammelns von Meinungen und Ansichten. Denn hier sind wir bei einem äusserst schwierigen Genre das wohl mit anderen Fundgattungen kaum zu vergleichen ist.
Und so vorsichtig sollte man auch an die Artefakte herantreten , außer man hat die 100%ige Sicherheit.
Denn im  Allgemeinen ist unsere Einschätzungssicherheit meistens eher wohl im "Konjunktivischen" anzusiedeln.
Zumindest ist die Verve zu bewundern die ajo an den Tag legt um uns überzeugen zu wollen...dafür sollte man Ihn nicht zu arg abstrafen
meint
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

wühlmaus

Ein dickes Merci an Khamsin, erstmal.

Bevor er nicht sein statement abgegeben hat, wollte ich nix zu dem thread hier schreiben ( Nichts zu tun ist manchmal eine sehr anstrengende Deeskalationstechnik).

Also ...  ich kann rolfpeters Ansichten über das gute Stück ganz gut nachvollziehen zum einen die Einordnung als Mesolithischen Kern, zum anderen zumindest das Gefühl ein ähnliches Stück in einem viel älteren Zusammenhang gesehen zu haben. Ich hatte auch an Altsteinzeit gedacht, hab mir dann aber genüßlich ajos Beschreibungen durchgelesen, und bin gerade durch sie zum Gegenteil gekommen ...

Einmesolithischer Kern wirds sein. Und jetzt spricht der Laie aus mir: 2 Beobachtungen hab ich noch gemacht, die ich gern noch was näher besprechen wollte. Zum einen das böse Thema Patina zum hundertsten. Auf rolfpeters Stück sehe ich diesen wunderschönen grünlichen Glanz! Bei uns am Niederhein gibt es tatsäclich 2Arten von Patina auf mesolithischen Stücken zum einen eine dicke gelbe bis braune (manchmal auch orange) und dann eine sehr feine grünliche. Ich weiß dass das kein Indikator einer fachlichen Bestimmung ist, trotzdem ist es ein Fakt den man nicht wegdiskutieren kann. Gibt es über diese Patina genauere Erkenntnisse?
Die andere Beobachtung ist auf Bild 672b. Die bis auf einen schmalen Grat abgebaute Schlagfläche weißt meineserachtens Blessuren auf, die von einer Verwendung als Spalt-Werkzeug herrühren können. Kommt das hin? Ich frage deswegen weil ich gerade 2 Mesolithiker Kerne aus "Maaseiern" zuhause hab, die mehr pebble tools ähnlich sehen als eigentlichen Kernen. Auch hier ist die Schlagfläche bis auf einen scharfen Grat von zwei Seiten abgebaut. Bei einem Stück sieht man auf der dem Grat gegenüberliegenden Rinde noch einige Schlagnarben.
Versuche mal ein paar Fotos von den guten Stücken zu machen, wird aber ein zwei Tage dauern.

ciao
das Wühlmäusle

Khamsin

Moin!

Weisst Du Edi, wir fahren in diversen Sektoren in Deutschland einen Schmusekurs - was von mehreren Seiten, und wie ich meine zu recht, schon lange kritisiert wird. Ein wenig mehr courage schadet gewiss nicht, und wenn Du das als "abstrafen" bezeichnest, dann sei´s drum! Nichts gegen "einen neuen Kämpen" im Forum, der seine Meinung hier einbringt. Dafür ist das Forum ja da. Aber eines sollte auch klar sein:

Wer hier seine Meinung äussert, stellt sie damit zugleich auch zur Diskussion. Das kann aber nicht die von Ajo erwähnte "lebhafte Fachdiskussion" sein, denn hier sind, soweit ich das weiss, keine gelernten Archäologen im Steinforum. Und nur diese können eine wirkliche "Fachdiskussion" führen!

In diesem Sinne sind wir alle "Dilettanten", aber - und das war bisher meine Meinung - von der im ursprünglichen Sinne des Wortes gemeinten Art (vgl. dazu WIKIPEDIA, Stichwort Dilettantismus).

Für eine Stellungnahme zu stümperhaften Ergüssen über eine Fundmeldung, die nicht den Platz wert sind, den sie einnehmen, ist mir letztlich meine Zeit zu schade.

Wie hörte man, ich glaube es war Michael Palin, in einem der unsterblichen Sketches von Monty Python einmal: "... a waste of space!".

Beste Grüsse    
"For an impossible situation - choose a crazy remedy!"

Der Wikinger

Leute, Leute !! :staun:

Man weiss ja kaum, ob man noch hier in dieser Kategorie was schreiben wagt !!???  :platt:

Nur weiter so, dann kommen sicherlich "richtig viele" Fragen, besonders von Leuten, die nur wissen wollen, ob der erste gefundene Abschlag nun ein Artefakt ist oder nicht !!!!  :besorgt:






Silex

Ein Forum ist ein Konglomerat verschiedenster Typen und Charakterzusammenstellungen...es gibt Sucher , Deuter, Wisser, Wissen wollender, Selbstbestätiger, Zaungäste.....
alles bin ich schon mal gewesen, scheinbar und in echt....
Ich hab schon einen Brocken - den ich in 3,5 Meter Tiefe auf einem Steinblock - scheinbar in situ- auf einer Baustelle gefunden habe  bis aufs Messer als mittelpaläolithisches Artefakt verteidigt.... nach langer Analyse von  Fachleuten kam heraus dass es sich um einen neuzeitlichen , außereuropäischen Fliesenrest handelte....Das prägt....und gibt Khamsin Recht wenn er sagt dass Medien- sogar die Wissenschaft und vor allem die Laien inzwischen einen egomanischen Wahrheitsanspruch an den Tag legen der jeglichen  realen Anspruchs entbehrt.
Es gibt kein anderes Forum im internet das in ähnlicher Weise wie hier bei UNS Steinartefakte bespricht und  mit Bedeutung zu umgeben versucht... verschiedenste Levels bedient und befriedigt.....
Und wenn mal ein Säbelhieb grob danebengeht dann fintiert man eben mit schmalstem Florett.. und wenn man Lust hat mit dem Hammer... Schmusen war früher.....und Platz ist in der kleinste Hütte.... und ich bin gerne Dilettant bei Euch 
Und wir werden uns noch hoffentlich oft "Steine in den Weg legen"... ich habe hier viel gelernt...

So ein kleines Steinchen...

Let´s roll
Bis bald
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

rolfpeter

Einen schönen Sonntag allerseits!

Ich glaube, man sollte hier den Diskussionsfaden abschneiden und zum Alltag zurückkehren. Ich gehe bestimmt keinem gepflegten Disput aus dem Weg, aber wir entfernen uns immer weiter vom eigentlichen Thema "Steinartefakte"!
Wenn es der Sache guttut, werde ich den Stein des Anstoßes wieder in die Anonymität seines Ursprungsackers entlassen.  :zwinker:

Übrigens, heute ist Tag des offenen Denkmales, u.a. finden in Aachen auch Führungen am Lousberg, wo der neolithische Feuersteinbergbau war, statt.

Beste Grüße und Friede

RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert