Bipolarer Klingenabbau

Begonnen von Steinkopf, 05. April 2013, 20:49:58

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Steinkopf

Wie ein Klingenkern ursprünglich vorbereitet wurde, wie groß er war
und wie groß die ersten Klingen gewesen sind, lässt sich aus den gefundenen
Kernen zumeist bestenfalls erahnen.

Wenn sie denn überhaupt als Abfallstücke noch erhalten sind.
Sehr oft werden auch nur Fragmente von Klingenkernen aufgefunden.

Aus dem Strandgeröll der Ostsee konnte ich einen Klingenkern von beachtlicher
Größe hervorziehen, der noch eine weitestgehend intakte Abbaufront
für Klingengewinnung von zwei gegenüberliegenden Seiten hat.
Das längste nachvollziehbare Abschlagnegativ dürfte über 15 cm lang gewesen sein.

Während die Mesolithiker des Ostseeraumes sich aus dem Überfluss bedienen konnten
und große Klingen an der Tagesordnung waren, sind die zeitgleichen Mesolithiker
im Nord-Westen mit winzigen Mikrolithen ans Werk gegangen.
Etwa zeitgleiche Kerne gehen bis auf Fingerhutgröße zurück weil das
Material aus der Altmoräne (der Saaleeiszeit) deutlich bescheidenere Qualität hatte.

Leider hat der lange Aufenthalt am Strand eine weiße Patina bewirkt und stellenweise
die Oberfläche zerstört.

LG

Jan


CF

Hallo Jan,

trotz der Verwitterung ein sehr eindrucksvolles Stück, Glückwunsch, kein alltäglicher Fund. Schöne Fotos. :super:
"Toleranz ist die Fähigkeit, jeden in seiner Umgebung zu dulden."

insurgent

WOW, das ist ja mal ein eindrucksvolles Stück  :super:

Danke fürs zeigen  :Danke2:
Meine Bodenfunde werden gemeldet

cylu11


Boah, was für ein Stück! Fantastisch. In dieser Größe sind Kerne wirklich selten. Da macht schon das Ansehen der Fotos richtig Freude! Beeindruckend, wie die Klingenbahnen sich entwickeln, da muss jemand genau gewusst haben, wie er/sie es macht. Danke für die Fotos! Wunderschön. cylu


Furchenhäschen

Hallo Jan,
ein wahrlich beeindruckender Klingenkern,
wie man ihn wohl mit diesen Abmessungen nur einmal im Leben findet.

Grüße
Peter

Kelten111


Birk

Alter Schwede. :irre: Starkes stück. Da hat man was in der Hand. :narr:

  Gruß
   Thomas

thovalo

 :-)

Ein herrlicher und klarer "sprechender" Fundbeleg!
Sowas passt in eine Lehrsammlung  :super:

Gut hingesehen am Strand!


lG thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

StoneMan

Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Siebenpapagei

Ja,

das ist wirklich mal ein fetter Brummer.
Das man so etwas noch finden kann, echt ein super Fund :super:
Warum der Steinschläger den wohl aufgegeben hat?

Viele Grüße

Ralf :winke:

thovalo

#10
Zitat von: Siebenpapagei in 06. April 2013, 22:40:10
Ja,

das ist wirklich mal ein fetter Brummer.
Das man so etwas noch finden kann, echt ein super Fund :super:
Warum der Steinschläger den wohl aufgegeben hat?

Viele Grüße

Ralf :winke:

Zunächst wegen der Inkluse und weil zum Abbau langer Klingen ein bestimmter Abbauwinkel benötigt wird der hier wohl auch wegen der Inkluse nicht mehr regeneriert werden konnte. Letztlich ist das Produktionsabfall der so wertvoll ist weil man daran die vorangegangenen Schritte nachvollziehen kann.
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Siebenpapagei

Zitat von: thovalo in 07. April 2013, 12:21:53
Letztlich ist das Produktionsabfall der so wertvoll ist weil man daran die vorangegangenen Schritte nachvollziehen kann.

Ja, das ist der absolute Glücksfall, selten in der Größe und Erhaltung.
Dennoch hätte man den nicht verwerfen müssen, die Inkluse ist da wurscht. Ich sehe dort schon geeignete Abschläge für Schaber, Pfeilspitzen, vielleicht noch ein Paar Scheibenbeile abspringen :dumdidum:
Auch an der See, wurden die Kerne meist runtergearbeitet, bis nichts mehr ging. Was auch immer dort passiert ist, ein Glücksfall für die Nachwelt und den Finder.

Viele Grüße

Ralf

thovalo

#12
 :-)

Nichts genaues weiss man nicht .......  
jedenfalls ist das ein wichtiges Belegstück!

Vielleicht muss man noch mit einschließen dass die Produktion langer Klingen, zumindest im westlichen Mitteleuropa, aber wohl auch in Skandinavien, als eine Fertigungsweise gilt die eine besondere Spezialisierung erfordert hat. Damit war dieser Kern fertigungstechnologisch schlicht "erledigt".

Wenn HIER im Rheinland Jemanden sowas vor die Flinte käme wäre das bereits ein Fund am äußeren Ende der Rekordskala :hilfe3:

Das ist deshalb kaum wahrscheinlich, weil die Menschen hier keinen direkten Zugang zu den Rohmaterialquellen hatten und die Technik der Herstellung langer Klingen nicht erlernen und praktizieren konnten.


lG thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Argus

"Wie ein Klingenkern ursprünglich..., wie groß die ersten Klingen gewesen sind, lässt sich aus den gefundenen
Kernen zumeist bestenfalls erahnen".
Vor wenigen Jahren konnte man bei einem Anbieter für Tourismusutensilien, Bücher auch einige Fossilien und
Artefakte in Augenschein nehmen. Dabei befand sich auch aus dem Ostseebereich eine schlanke Klinge in Länge des vorgestellten Klingenkerns. Aus ethischen Gründen hatte ich auf den Erwerb verzichtet. Das war aus heutiger Sicht ein Fehler. Besser wäre es diese Klinge hier im Forum im Zusammenhang mit dem aktuellen
Klingenkern vorzustellen zu können.
"Leider hat der lange Aufenthalt am Strand eine weiße Patina bewirkt und stellenweise die Oberfläche zerstört".
Keinesfalls "leider", denn diese Indizien machen den Fund erst richtig interessant. Der lange Aufenthalt im Seewasser bedingt durch den Küstenrückgang während der Litorina - Transgression (Flutung) und der rezente
Aufwurf als Strandgeröll ermöglichen die Aussagen zur Historie.

Nochmals Glückwunsch und danke fürs Zeigen.

MfG
Argus 


Steinkopf

#14
Vielen Dank an alle, die sich mit mir über die Präsentation dieses 'Kaventsmanns'
gefreut haben, für die Rückmeldungen!

Fundstücke in dieses Kalibers sind seniorengerecht - ich hätte das Teil auch ohne Brille erkannt.
Noch schwerer wäre allerdings schlecht für den Rücken.

Warum der Klingenschläger aufgab bleibt Spekulation.
Sehr wahrscheinlich ist es so, wie Thovalo es hier schon anmerkte:

Es spiegelt sich darin eine Spezialisierung und Arbeitsteilung.
Wer Premiumklingen produziert nimmt nur besten Rohstoff.

Das ist eine Liga, die sich vom Reste verwertenden Siedlungsabfall abhebt.


LG

Jan