Fundstelle mit seltsamen Beilen

Begonnen von rolfpeter, 09. November 2009, 18:07:56

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rolfpeter

Servus,

Flintbeiltechnisch ist das Rheinland ja eher simpel gestrickt. Zuerst kommen da mal Rijckholt-Beile mit ovalem Querschnitt, dann kommt 'ne ganze Zeit garnix, es folgen Beile aus Valkenburger Flint und Losberg-Flint....damit wären etwa 95% des Fundgutes meiner Gegend beschrieben.

Es geht aber auch anders.
Ich begehe eine Siedlungsstelle, die paßt absolut nicht in das gängige Schema. Dort habe ich zwar auch ein typisches Rijckholt-Beil, wie man es normalerweise in die MK stecken würde, gefunden, der Rest ist jedoch ausgesprochen anders, irgendwie exotisch.

Hier ist ein Ausschnitt mit den bemerkenswertesten Sonderlingen:



Die Funde zeichnen sich dadurch aus, daß sie wirklich bis zum Gehtnichtmehr genutzt worden sind. Alle Stücke haben einen ausgesprochen kräftigen Gebrauchs- und Schäftungsglanz. Der zieht sich oft auch über die Negative der Zurichtungs-Schläge hin. Viele der Lousberg-Beile sind aus wirklich kleinen Feuerstein-Fladen hergestellt, es gibt aber auch große Exemplare, wie man u.r. auf dem Bild sieht.

Dieses "Schätzchen", wohl aus Simpelveld-Flint, war wohl niemals wesentlich größer als der klägliche, von mir aufgelesene Rest.



Auch hat man Grundformen zu Beilen verarbeitet, die eigentlich als wenig geeignet erscheinen.
Das 2. Stück von rechts in der unteren Reihe ist eine Beilschneide aus Rijckholt-Flint, allerdings mit einem gewaltigen Einschluß, der fast 1/3 des Querschnitts einnimmt.



Heute habe ich diesen seltsamen Kerl gefunden: zuerst dachte ich, es handelt sich um einen normalen Abschlag, dann habe ich aber zwei winzige Schliffspuren entdeckt.



Die kleinen hellen Zonen, das ist der Schliff, schwierig zu fotografieren.



Die nächste Besonderheit betrifft die Materialvielfalt.

Das hier könnte ja noch als eine besonder Form von Valkenburg durchgehen:



Hier wird es aber schon komplizierter:



Und sowas habe ich eigentlich noch nie gesehen:



Wie man an der verbrannten Lousberg-Klinge auf dem ersten Foto sieht, ist es auch mal warm geworden dort.

Beifunde sind da, sagen aber auch nicht viel aus. 2 vollständige Unterlieger, etliche kleine Kratzer, kleine Klingen, häufig aus Schotterflint, keine großen Klingen.
Es gibt auch Bandkeramik dort, 2 eindeutige spätbandkeramische Randstücke. Eine flachbreite Dechselklinge aus Basalt deutet auch in die Richtung.

Allerdings halte ich diese Feuerstein-Beile für wesentlich jünger!

Was meint ihr?
Irgendwelche Vermutungen zur zeitlichen Einordnung und zum Material?

HG  :winke:

RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

a.k.a. rentner

Hej Rolfpeter.....
Erstmal danke für den tollen Beitrag.
Ich freue mich schon sehr auf die Diskussion.
Ich kann allerdings nichts konstruktives beitragen, in unserem "südliche Elbe" spätneolithischen Fundspektrum sind die meisten Beile/Dechseln aus Felsgestein.... vielleicht haben wir die flintigen auch einfach übersehen...
Tja und in Süddeutschland wird das wohl dann tatsächlich eine Rarität sein.....vermute ich...
Michi

Silex

S(a)uba....sog i....eRPe!
Wer das "lesen" könnte?
Das muss ja schon ins "Kreuz" gehn.

Danke fürs Zeigen!
Hier ists zu grün und außerdem zu kalt

edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

queque

Hallo RP,

erstmal: Wie lange begehst Du diese Fundstelle schon? Ich kann von so einer Funddichte nur träumen. Es gibt Funde, die eine augenfällige Aussagekraft haben. Ich denke da an Deinen Vortrag über die Funddokumentation, die von Dir erarbeitete Verteilung der Rijckholt- und Lousbergklingen in Deinem Fundgebiet. Da kann man seine Schlüsse ziehen: Die einen haben den Rijckholt-  die anderen den Lousbergflint genutzt. Unterschiedliche Siedlungen mit unterschiedlichen Verbindungen und Traditionen, wahrscheinlich zu unterschiedlichen Zeiten.
Was Deine hier vorgestellten Funde angeht, bin ich ratlos.
Ich war mal ein paar Tage auf der B6n-Grabung in Sachsen-Anhalt. Da hat man sich abends in der Kneipe mit den Interessierten und den Archäologen zusammen gesetzt und über die Funde des Tages diskutiert, zumeist bis spät in die Nacht: hat sich Geschichten erzählt, Hypothesen ausgetauscht, Vermutungen angestellt. Nun ist der Sucher und Sammler von Natur aus ein einsamer und die Einsamkeit liebender Mensch. Ich fände es eine nette Idee, wenn sich die Sucher und Sammler einer bestimmten Region von Zeit zu Zeit "face to face" zusammen finden könnten, um sich über solche Fragen wie die deinige und mit dem konkreten Fundmaterial "in der Hand" die Köpfe heiß zu reden. Denk mal drüber nach, ob die Rheinland-Fraktion nicht ab und zu solch einen Event veranstalten sollte. In Düren oder in Köln - egal.
Gute Nacht miteinander
Bastl

steinsucher

Hallo Forum, hallo RP,

ein feiner Beitrag für alle hier im Kreis.

Ich habe mal eine Stelle (wirklich sehr klein) in den 80ern gefunden und nicht komplett gesammelt. Darüber ärgere ich mich heute noch, weil die Teile heute sicher durch unsere schonende Landwirtschaft zu Schotter verarbeitet worden sind.

Es handelte sich auch nur um Reste. Die meisten waren Rijckholt. Ein Exemplar Lousberg. Andere ?? Aber, wie gesagt, ich habe die kleinsten liegen lasen.  :besorgt: Ich befürchte, sie war ähnlich.

Zu Deiner Sammlung ist eigentlich nur zu sagen: Da fängt es an Spass zu machen. Simpelveld, Rijckholt, Falkenburg, Lousberg, alles ok. Könnten die Sonderlinge nicht auch aus dem Schotter (Maas) stammen? Es gab und gibt sicher Exemplare, die die Größe dafür hatten/haben.

Zeitliche Einordnung? Weißt Du doch: +-2000 Jahre.

@ queque:

ZitatIch fände es eine nette Idee, wenn sich die Sucher und Sammler einer bestimmten Region von Zeit zu Zeit "face to face" zusammen finden könnten, um sich über solche Fragen wie die deinige und mit dem konkreten Fundmaterial "in der Hand" die Köpfe heiß zu reden. Denk mal drüber nach, ob die Rheinland-Fraktion nicht ab und zu solch einen Event veranstalten sollte. In Düren oder in Köln - egal.

Das ist sicher mal was erfrischendes, der Niederrhein ist ja auch nicht zu weit weg. Und vielleicht könnte ja auch der eine oder andere Fachmann dazu eingeladen werden? Und Gäste wären sicher auch willkommen!

Auf so etwas würde ich mich freuen,

der Steinesucher,

aus Heinsberg/Rheinland,

Fritz.

rolfpeter

Servus,

Zitat von: queque in 09. November 2009, 21:23:24
Wie lange begehst Du diese Fundstelle schon? Ich kann von so einer Funddichte nur träumen.

Ich laufe seit 5 Jahren drüber. Es handelt sich um eine meiner ersten Stellen. Ich suche die Stellen allerdings ziemlich penibel im 5m-Raster ab.
Ich bin der Meinung, daß alle Lößgebiete fundreich sind. Hier um Jülich und Düren scheint es bei vordergründiger Betrachtung besonders viele Stellen zu geben. Das kommt aber daher, daß hier besonders intensiv prosperiert wurde - seit bestimmt 60 Jahren. Ich habe mir mal die Mühe gemacht, die Bonner Jahrbücher zwischen 1960 und 1980 nach Fundplätzen auszuwerten. Dabei fanden sich immer wieder die gleichen neolithischen Stellen und die gleichen Finder. Und die Stellen lagen häufig im Umkreis meines Sammelgebietes. Trotzdem habe ich etliche bedeutende Plätze gefunden, die nirgends aufgeführt waren. Andere Gegenden, beispielsweise große Teile der Zülpicher Lößbörde, tauchen in den "Funden und Befunden" kaum auf, obwohl sie ähnlich günstige Bodenverhältnisse aufweisen. Das sagt mir: dort wurde nicht prosperiert und gesammelt. Wenn ich mich nicht auf meine engere Heimat beschränken würde - das sollte ein El Dorado für Steinzeitsammler sein.

Ich habe mal eine Karte der neolithischen Fundplätze im Rheinland angehängt, da wird es einem schon schummrig vor Augen. Hellgrau sind die Lößflächen hinterlegt.



Das Bild stammt übrigens aus einer Exkursionsbeschreibung, bei der R. Gerlach mitgewirkt hat. Wie immer sehr lesenswert, was die Dame schreibt! Schaut mal rein!
http://www.fz-juelich.de/icg/icg-4/datapool/page/825/10-Exkursionen-DBG09-G7.pdf

Zitat von: queque in 09. November 2009, 21:23:24
Ich fände es eine nette Idee, wenn sich die Sucher und Sammler einer bestimmten Region von Zeit zu Zeit "face to face" zusammen finden könnten, um sich über solche Fragen wie die deinige und mit dem konkreten Fundmaterial "in der Hand" die Köpfe heiß zu reden. Denk mal drüber nach, ob die Rheinland-Fraktion nicht ab und zu solch einen Event veranstalten sollte. In Düren oder in Köln - egal.


Da stimme ich Dir zu! Wir würden dann allerdings evtl. mit der jährlichen Veranstaltung des RLMB in Konkurrenz treten und teilweise auch mit den Veranstaltungen der "Ehrenamtlichen", die aber sowieso keine aktiven Sammler unter ihresgleichen dulden. Das sollte uns klar sein!
Ein solches Treffen sollte aber von vorne herein seriös aufgezogen werden. Wir sollten uns jeweils ein Thema ausgucken, auf das sich die Teilnehmer entsprechend vorbereiten und auch dementsprechende Fundstücke mitbringen.
Wenn das wirklich gut vorbereitet wäre und nicht nur uns Sammlern, sondern auch den Archäologen etwas bringen würde, dann könnte ich mir vorstellen, daß auch der eine oder andere G'studierte dabei sein würde. Da die meisten Sammler verhältnismäßig viele Lebensjahre auf dem Buckel haben, sollten die dann auch angesprochen werden. Ich denke, es kann nicht schaden, auch Leute, die sich aus bestimmten Gründen irgendwann aus dem kommunikativen Sammlerleben verabschiedet haben, noch mal anzusprechen.

Stammtisch, Hoppsassa und Trallala ist mir eigentlich zu wenig, reine Zeitverschwendung. Für konspirative Treffen bin ich zu sehr Establishment geworden  :narr:

Als erstes Thema könnte ich mir z.B. "Spätneolithikum im Rheinland, viele Funde - kaum Befunde" vorstellen.

Ich schlürf mir jetzt ein Gläschen Rotwein und denk noch mal drüber nach. Tut bitte das Gleiche und schreibt eure Meinung dazu.

HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert

Der Wikinger

Hallo RP !  :-)

Ich würde wirklich gern was sagen können ausser: Tolle Sammlung !  :super:

Die Funde sind aber so fern von unseren Beilen im Norden, dass ich mich da garnicht klug machen möchte !

Danke fürs Zeigen !  :winke:

steinsucher

Zitat von: queque in 09. November 2009, 21:23:24
Ich fände es eine nette Idee, wenn sich die Sucher und Sammler einer bestimmten Region von Zeit zu Zeit "face to face" zusammen finden könnten, um sich über solche Fragen wie die deinige und mit dem konkreten Fundmaterial "in der Hand" die Köpfe heiß zu reden. Denk mal drüber nach, ob die Rheinland-Fraktion nicht ab und zu solch einen Event veranstalten sollte. In Düren oder in Köln - egal.

Zitat
Ich schlürf mir jetzt ein Gläschen Rotwein und denk noch mal drüber nach. Tut bitte das Gleiche und schreibt eure Meinung dazu.
HG
RP

Hallo Allerseits, habe leider im Moment keinen Rotwein. :heul:

Ich hatte Bastl's Vorschlag eigentlich mehr so im informellen Bereich verstanden. So ein Treffen könnte ja auch ohne "grossen Dienstplan" irgendwo auf einem Acker stattfinden oder eben auch in einer Kneipe. Das könnte allerdings dann auch auf privater Basis stattfinden.

Aus Heinsberg,

der Steinsucher.

queque

Hallo zusammen,

eine Stammtischveranstaltung hatte ich nicht im Sinn, RP. Auch keine Konkurrenzveranstaltungen zu den EM-Treffen (da spielt die Steinzeit ja nur eine untergeordnete Rolle) und zum Arbeitskreis am RLM. Einen Anspruch auf Seriosität und Wissenschafltlichkeit setze ich bei allen Beteiligten voraus. Auch die Anwesenheit von Studierten ist sinnvoll und richtig, zumal die ja auch was davon haben könnten, zumindest beteuern sie das ja immer wieder.
Ich würde jedoch auch, wie Fritz es sich vorstellt und wünscht, den informellen (nicht konspirativen !!!) Charakter solcher Treffen betonen. Sie Sammler und Sucher einer Region setzen sich sporadisch zusammmen, zeigen sich gegenseitig ihre fragwürdigen, komplizierten oder auch schönen Funde, tauschen Erfahrungen aus und kommen dann hoffentlich auch zu Fragestellungen, wie Du sie vorschlägst.
Ich kenne in meinem Gebiet zwei, drei Sammler, aber die auch nur dem Namen nach, da sie mir auf den Äckern nie begegnen. Ich bin erst seit knapp 8 Jahren bei der Steinzeit-Sammelei und habe mit meinen 41 Lebensjährchen im Kreise der Aktiven eher das Gefühl zur Benjamin-Fraktion zu gehören. Ich möchte noch eine Menge lernen und auch Kontakte zu erfahrerenen Leuten bekommen. Dabei geht es ja nicht darum, dass man seine Claims und Fundstellen öffentlich macht. Aber der direkte Kontakt zu "Gleichgesinnten", deren Erfahrungen und Funde haben bestimmt einen anderen "Nährwert", als das Wälzen von Fachbüchern und Typentafeln, was ohne Zweifel auch sehr wichtig ist. Die ganze Idee ist also letztendlich auch ein bisschen egoistisch.
Wie und wo man ein solches Treffen organisiert steht auf einem anderen Blatt. Wie gesagt, mir fehlen die Kontakte. Aber ich denke, dass man einen Versuch in diese Richtung starten könnte. Wenn es nichts bringt, keiner kommt oder das Ganze in ein banales Gequatsche ausartet, kann man es ja unter "Erfahrungen" abbuchen und in Zukunft lassen.

Viele Grüße an alle Rheinlander und den Rest der Welt
Bastl

fuchs

Als Neuling habe ich ausgesprochen großes Interesse an einem informativen Treff, gerne auch regelmäßig!
Sollte sich so etwas etablieren, wäre der ein oder andere Experte sich auch erfreut, sein Wissen einzubringen.
Wie wäre es, lieber RP, wenn du als Moderator dazu ein neues Thema einrichtest?
Der wissbegierige Fuchs :glotz: