Eine sekundär als Rohmaterialressource abgebaute FEuersteinbeilklinge

Begonnen von thovalo, 22. Oktober 2023, 12:24:48

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thovalo


Moin!  :winke:

Aus akuellen Begehungen auf dem rechten Rheinufer nahe Duisburg stammt auch dieser Fundbeleg einer sekundär als Rohmaterialressource abgebauten Beilklinge.

Es gibt hier keine Feuersteinressourcen, sodass alles AMterial hierher ausgetauscht werden musste. Das Fundareal ist in zentraler Hautort des Neolithikums am rechten Niederrhein an den Unmengen von Feuersteinvarietäten vor allem aus maasländischen Vorkommen ausgetauscht worden sind. Weit überwiegend wurde Feurstein aus dem neolithischen Abbau bei Sint Geertruid, nahe Rijckholt verwendet, doch auch die kleineren Abbaustellen versorgten den Ort hier mit Rohgestein.

In diesem Fall handelt es sich um recht grobkönrigen Feuerstein der belgischen Varietät "Valkenburg". Diese Varietät wurde gegen Ende der Michelsberger Kultur zunehmend abgebaut, wurde insbesondere zur Herstellung von Beilklingen genutzt und hatte im späten Neolithikum (ab. 3.700) seine hauptsächliche  Verbreitung.

Zwischen Vorkommen und Fundort liegen etwas 130 Kilometer Entfernung.


Alleine auf der Fundstelle von der dieser Fundbeleg stammt, fanden sich über 1.700 Abschläge mit Schliffresten, halbe Beilklingen und auch Gerätschaften mit Schliffresten, vor allem Kratzer, aber selbst Pfeilschneidne und Pfeilspitzen sind hier aus den gewonnenen Abtrennungen entstanden.

So eine Art Recyclinghof für vor allem in der Arbeit gebrochene oder aufgelesene ältere Feuersteinebeilklingen.


lG Thomas

Der Feuerstien hier
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Fischkopp

Hallo Thomas,

der Schliff ist auf dem letzten Bild gut zu erkennen. Der Fundzusammenhang ist mehr als beeindruckend! Kannst du bitte etwas zur Entdeckungsgeschichte des Platzes schreiben? (Seit wann ist er bekannt und gibt es zufällig eine Auswertung der Artefaktgruppen mit schliff?)

LG Fischkopp

thovalo

Nabend!

Den Platz konnte ich im Dezember 2003 entdecken. Er erstreckt sich über mehr als 30 Hektar Grundfläche entlang des rechten Rheinufers. Eigentlich wäre die Auffindung viel eher möglich gewesen, wenn spätantiken Schriftquellen aus Ravenna konsequent gefolgt wäre, denn ein bedeutender Historiker hatte schon längere Zeit vorher die gleichen Schlußfolgerungen getroffen und ein Schulprofessor des 19. Jhs. war ebenfalls auf dierselben Spur. Warum dann Niemand dort fündig geworden ist, bleibt ein wirkliches Rätsel, zumal aus dem weiteren rechtsrheinischen Umfeld bereits einige fränkische Gräber mit gehobener Beigabenausstattung bekannt waren.

Es gibt einzelne Funde aus der späten Altsteinzeit und dem späten Mesolithikum.

Dann setzt die dauerhafte Besiedlung zurzeit der Rössener Kultur ein (ein Keulenkopf, viele Schlagsteine aus Feuersteinkernen, ein Rillenstein, charakteristische Pfeilpitzen usw.).

Dann folgt die Bischheimer Kultur (auch mit verzierter Keramik die von Jens Lüning, dem Erstbeschreiber der Bischheimer Kultur, noch selbst bestimmt worden ist).

Dem folgen Scwherpunkte der Besiedlung der Michelsberger Kultur, mit sehr zahlreichen großformatigen Klingengerätschaften, großen Kratzern, tropfenförmigen Pfeilspitzen,+berhaupt nicht genutzten großen Grundformen und gut durchgearbeiteten Pfeilspitzen, zumeist aus maasländischen Feuerstein aus dem Bergbaugebiet nahe Rijckholt. Eine Besonderheit ist der Beleg einer Prunkbeilklinge aus alpinem Jadeitit.

Dann folgt die noch nicht benannte spätneolithische Kulturphase im Rheinland mit Pfeilschneiden, ausgesplitterten Stücken, einer opportunistischen Materialnutzung und der Ausbeute von gebrochenen oder aufgelesenen Beilklingen aus Feuerstein.

Dann folgen die Becherkulturen mit vielen geflügelten und gestielten Pfeilspitzen, der gebrochenen Vorabeit einer Armschutzplatte und einer bislang eigenen Bechervariante.

Etwas weiter im Hinterland liegen dann amtlich ergrabene Gruben der Bronzezeit.

Auf dem Fundareal geht es dann mit Unmengen von eisenzeitlich-hallstattzeitlicher Keramik weiter, der latènezeitliche Keramik nachfolgt und ein umfangreiches Aufkommen gebrochener spätlatènezeitlicher Glasarmringe in blau und purpur, meist mit gelber Fadenauflage.

Dann entstanden drei Höfe mit Rhein-Weserkeramischen Kulturgut und reichem Bezug von römischer Importkeramik.

Mit der Spätantike und gleichfalls schon reichen Bezägen von weither eingeführter Keramik aus Mayen und der Region um Trier, bildete sich ein zunehmend wachsendes Siedlungsgfüge auf dem Fundareal aus, das dann im 6. Jh. in einer auffallend großen Siedlung mit eigener Glasperlenproduktion, Holglasproduktion, einer Grobschmiede und einer Buntemetallverarbeitung folgte. Die Siedlung wuchs im 8. Jh. zu einerm überregionalen Handelsposten an, über den vor allem der Austausch von weithin ausgetauschter qualitätsvoller Keramik verlief.

Im späten 8. Jh. wurde der Handelsplatz von Wikingern überrannt und kam dann nicht mehr zu der hohen Blüte zurück, die er einmal gehabt hatte. Doch wurde weiterhin reichlich qualtätsvolles Keramikgeschirr, insbesondere vom Kölner Vorgebirge über den Platz gehandelt.

Dann löste sich die Siedlung, nach einem noch stabilen Bestand der Siedlungsstelle bis die in die Zeit der Ottonen im 10. Jh., auf.

Aufgrund der überraschenden Unmenge an Funden ging eine geologische Studie hervor die dokumentieren konnte, dass der Ort an einem urgeschichtlichen Rheinübergang einer Fernweges aus der Maasregion nach Westfalen gelegen hat (Austausch von Feuerstein gegen Salz aus der Soester Börde wärhend der Jungsteinzeit). Das ist der tatsächliche Rheinübergang des erst im 13. Jh so bezeichneten "westfälischen Hellwegs", der dann erst ab dem 10. Jh. direkt über die Stadt Duisburg verlief.

Das ist rechtsrheinisch der umfangreichste und bedeutendste urgeschichtlich bis spätfrühmittelalterliche zentrale Platz am gesamten Niederrhein. Das spiegelt sich auch in der Tatsache, dass auf dem anderen Rheinufer ein römisch- bis spätantikes Kastell liegt, das das gegenseitige Ufer des Rheinübergangs kontrolliert hat.

Bislang gab es drei publizierte Grabungssondagen, die allerdings nur der fränkischen Siedlung gegolten haben, mit herausragenden Funden, u.a. mit den Belegen von drei römischen Kaiserstatuen, davon war eine vergoldet und ist einer der ältesten Belege einer römischen Kaiserstatue in Deutschland.

Eigentlich ist das ein hoch komplexes Freilandmuseum und mittlerweile gut geschützt!


Die mehr als 30.000 lithischen Artefakte, überwiegend vollständige Gerätschaften, sind, wie alle anderen Funde auch, dem Landschaftsverband Rheinland übertragen worden. Bislang konnte man keinen Studenten finden der sich durch diese Fundmengen knechten wollte. Das Alles lagert heute im Magazin des LVR in Meckenheim.

Das Fundmaterial von Christi Geburt bis in ottonische Zeit ist mit den drei Sondagegrabungen im Rahmen eines europäischen Großprojektes bearbeitet und publiziert worden.


lG Thomas  :winke:

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.