beideseitig retuschiertes Ernteeinsatzmesser (Sicheleinsatz)

Begonnen von Furchenhäschen, 27. Juli 2012, 15:17:36

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Furchenhäschen

Servus,
ein interessantes Stück brachte die Suche vom vergangenen Samstag trotz großer Trockenheit und nicht gerader optimaler Verhältnisse zutage.
Ein aus einem Abschlag gefertigtes Einsatzmesser bzw. ein stark genutzter Sicheleinsatz.
Wohl Schnurkeramischer oder Glockenbecherzeitlicher Entstehung zuzuschreiben.
Aus einem Jurahornsteinabschlag gefertig, sieht man von Dorsal an der linken Lateralen den Bereich welcher geschäftet war.
Die Retuschierung wurde im Schäftungsbereich, um besseren Halt zu erreichen sehr stumpf ausgeführt.
Die rechte Laterale zeigt die Schneidefläche, welche von Ventral aus betrachtet nahezu einseitig retuschiert war.
Schön sind die relativ starken Gebrauchsbeschädigungen erkennbar.
Zur Spitze hin erfolgte die Retuschierung dorsal wieder nahezu flächig und fein ausgeführt.
Entgegen dem sonst bei derartigen Artefakten auftretenden Sichelglanz fehlt dieser hier gänzlich.

Nebenbei gibts noch ein paar Bilder der alten bayerischen Kulturlandschaft. (von unterwegs) Ohne der Burg Nassenfels die Ehre zu geben ging die Tour nicht weiter.
Die Wintergerste dürfte schon weitestgehend abgeerntet sein und eine Zwischenfrucht wohl angebaut sein.
Ein bischen was geht Suchtechnisch also immer!
Danach habe ich noch einen befreundeten Arch.  beehrt um etwas zu fachsimpeln.

Auf das Suchen und das Alleinesein in der Natur freue ich mich jedesmal aufs Neue!


Grüße
Peter :winke:

Furchenhäschen


StoneMan

Moin Peter,

würdest Du den Sicheleinsatz als solitär in einem Kompositgerät sehen oder als ein Einsatz von mehreren?

Schönes Stück  :super:


Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

palaeo1

Also, ich wäre mir da mit dem Sicheleinsatz nicht so sicher. Hier im Norden würde ich das Stück als dicke Flintspitze benennen wollen. Der Querschnitt und die Lateralkantensymmetrie sowie die grobe Bearbeitung sprechen eher für eine Spitze. Diese sind hier im nordischen Frühneolithikum anzusiedeln! Wie das bei euch ist , weiß ich nicht!

Gruß
Palaeo1

StoneMan

Zitat von: palaeo1 in 27. Juli 2012, 18:48:23
...Hier im Norden würde ich das Stück als dicke Flintspitze benennen wollen...
Moin P1  :-D

aufgrund meiner nordisch begrenzten Erfahrung denke ich ja genauso "nordisch".
Dicke Flintspitze kann auch kleiner Dolch sein...

Aber die Teile aus dem Süden...  :nixweiss:
Wenn Peter Sicheleinsatz schreibt, nehm ich ihm das erst einmal ab.

Gruß

Jürgen
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Antoine de Saint-Exupéry

palaeo1

Jürgen,
bin ja auch vorsichtig! Was mich bei der funktionalen Interpretation als Sicheleinsatz stört, ist die grobe Kantenbearbeitung und dass beide Seiten konvex gestaltet sind.  Das ergibt bei einer Sichel oder einem Sicheleinsatz keinen Sinn.
Natürlich, Dolch miit abgebrochenem Griff/Schaft wäre noch denkbar.
Gruß
P1 grins..

Furchenhäschen

Servus,
für Oberbayern ist dieses Werkzeug eigentlich mehr oder weniger eindeutig.
Wie gesagt es ist den Schnurkeramikern bzw. den Glockenbecherleuten zuzuordnen. Es entspricht dem Typus, den Floss auf der Seite 913 Abb. 11 in mehreren Beispielen anspricht.
Das Foto 27 zeigt den geschäfteten Bereich mit der beidseitig stumpf ausgeführten Retusche.
Das Foto 28 zeigt den ereich der Schneide, Dorsal retuschiert.
Im Floss wird dieser Typ auch als Solitärmesser beschrieben aber auch ein Sicheleinsatz mit mehreren Einzeleinsätzen in Folge ist nicht abzusprechen.
Die Verbreitung dieses Artefakttypus, Bayern, Ost- und Westschweiz und im Oberschwäbischen.

Zugegebenermassen ist das gezeigte Artefakt ziemlich beansprucht worden, sprich abgearbeitet was die Stumpfung der Schnittfläche, gepaart mit Abplatzungen eindrucksvoll bestätigt.

Gerne kann ich Euch zu dem Stück auch noch vergleichbare Artefakte vorlegen.

Da leuchtet mir schon ein, dass ihr Nordmänner damit etwas Schwierigkeiten habt.  :zwinker:   :friede:
Grüße
Peter :winke:

StoneMan

Zitat von: palaeo1 in 27. Juli 2012, 20:17:47
...Was mich bei der funktionalen Interpretation als Sicheleinsatz stört, ist die grobe Kantenbearbeitung
und dass beide Seiten konvex gestaltet sind.  Das ergibt bei einer Sichel oder einem Sicheleinsatz keinen Sinn.
...
Moin P1,

das ist nicht ganz korrekt, nach der Quelle muss ich aber suchen.
Die bei ´uns im Norden´ konkave Seite einer Sichelklinge ergibt sich mitunter erst durch das Nachschärfen.


@ Peter, danke für den Nachtrag.

Gruß

Jürgen
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Antoine de Saint-Exupéry

Furchenhäschen


Furchenhäschen

Servus,
anbei noch drei weitere Beispielstücke dieser Artefaktgruppe aus dem Oberbayerischen.
Jeweils aus einem Abschlag gefertigt.
Grüße
Peter :winke:

Saxaloquuntur

Dass der Sichelglanz auf diesen Messern fehlt, so wie hier,  ist nicht selten der Fall. So weit ich weiß, und so denke ich steht es auch im Floss. Ich denke man sollte ohne Sichelglanz als Indikator mit einer Funktion bei der Ansprache vielleicht eher zurückhaltend sein. Wenn das Stück Arbeitsspuren zeigt aber keinen Sichelglanz, war's vielleicht auch keine? S.

StoneMan

Moin,

ja, ich denke Saxaloquuntur hat hier einen guten Ansatz zur Diskussion gegeben.

Insbesondere eben bei dem ersten Stück mag ich, allein aufgrund des ganzen Habitus´, nicht an eine Sichelklinge denken.
Der fehlende Sichelglanz ist nicht ausschlaggebend, kommt aber eben auch hinzu.

Wäre schön wenn die Diskussion auch von anderen aufgegriffen wird. Vielleicht ergibt sich ja bei mehreren Meinungen
ein Grad der Übereinstimmung.


Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
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Antoine de Saint-Exupéry

StoneMan

Moin,

@ Peter,

wenn es Dir möglich ist, würde ich gerne von dem´spitzovalem´Stück (Bild Freinacht 031/032) den Querschnitt sehen,
oder das Maß der Dicke des Stückes.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
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Antoine de Saint-Exupéry

palaeo1

Die beiden zuletzt gezeigten Stücke würde ich auch in der Kategorie der Sicheleinsätze sehen wollen. Aber das eingangs gezeigte Exemplar und das erste der drei nachgelieferten Beispiele würde ich nicht dazu zählen wollen. Bei dem ersten passt mir die Kantenbearbeitung einfach nicht, bei dem anderen sind es die stark konvex angelegten Lateralseiten, die zu einer Spitze auslaufen. Bei Sicheln habe ich mehr oder weniger gerade bis leicht konvexe Arbeitskanten.

Gruß
palaeo1

Furchenhäschen

Servus,
wie Saxaloquuntur schon richtig schrieb und den Floss zitierte ist Sichelglanz kein zwingend notwendiger Indikator für derartige Artefakte.
Ich habe einige solcher Stücke mit und ohne Sichelglanz.
Wie ich Eingangs schrieb ist dieser Werkzeugtyp im Süden häufiger anzutreffen.
Meine Fundstücke werden auch generell vorgelegt und besprochen.
Ich erarbeite mir als erstes aus entsprechender Fachliteratur, Hahn und Floss meine Werkzeugansprache bevor ich mit dem entsprechenden Facharchäologen die Artefakte durchgehe.
Nochmal, ich muss mich wiederholen, das Eingangs gezeigte Werkzeug zeigt uns deutlich seinen beidseitig stumpf retuschierten Schäftungsbereich, die andere einseitig Dorsal retuschierte Laterale mit der starken Beanspruchung ist die Schneide.
Was Paläo sagt ist richtig, etwas häufiger ist eine Laterale, nämlich die, die schneidende Funktion zu erbringen gerade ausgebildet und die Laterale welche geschäfte wurde leicht konvex. Auch dies ist aber nicht zwingend bei sämtl. Werkzeugen dieses Typus so der Fall.
Ausnahmen bestätigen eben die Regel.
Ich glaube fast, da prallt ihr Beide bei mir an eine Wand. :zwinker: :friede:
Zuviele derartige Werkzeuge habe ich in mittlerweile exakt 44 Jahren (ich begann mit etwas über 10Jahren) gesammelt, vorgelegt und besprochen. Der Archäologe meines Vertrauens ist auf diesem Gebiet eine anerkannte Größe.

Grüße
Peter :winke:  


StoneMan

Servus,

Zitat von: Furchenhäschen in 28. Juli 2012, 20:01:15
[...]
Ausnahmen bestätigen eben die Regel.
hier hast Du recht :super:

Zitat von: Furchenhäschen in 28. Juli 2012, 20:01:15
[...]
Ich glaube fast, da prallt ihr Beide bei mir an eine Wand. :zwinker: :friede:
Das müsstest Du doch besser wissen, dass ich nicht mit dem Kopf durch die Wand will  :zwinker:

Aussagen über Formen und Funktionalität werden mitunter revidiert, und bisweilen werden gar
festgelegte, abgegrenzte Typen zu einem kulturellen Kontext überarbeitet,´aufgeweicht´, da neuere
Forschungen zeigen, die Typen sind fließend.

Das bisherige Wissen ist nicht fest betoniert.

Deine Ausagen und die Deines Archäologen will ich mit meiner Anmerkung allerdings nicht vom Tisch fegen.

Gruß

Jürgen
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Antoine de Saint-Exupéry

Sprotte

Hallo alle zusammen,

sehr ähnliche Flintartefakte werden in Norddeutschland ebenfalls als Einsatzstücke (z.B. in Sicheln) diskutiert und der Glockenbecherkultur (bzw. der "schnurkeramischen" Einzelgrabkultur) zugeordnet. Dazu gab es vor nicht allzu langer Zeit eine zusammenfassende Publikation, die ich demnächst heraussuchen werde.

Viele Grüße
Sprotte

Furchenhäschen

Zitat von: Sprotte in 30. Juli 2012, 09:34:07
Hallo alle zusammen,

sehr ähnliche Flintartefakte werden in Norddeutschland ebenfalls als Einsatzstücke (z.B. in Sicheln) diskutiert und der Glockenbecherkultur (bzw. der "schnurkeramischen" Einzelgrabkultur) zugeordnet. Dazu gab es vor nicht allzu langer Zeit eine zusammenfassende Publikation, die ich demnächst heraussuchen werde.
Viele Grüße
Sprotte

Servus Sprotte,
die Publikation würde mich natürlich besonders interessieren um Vergleiche Nord/Süd anstellen zu können.
Danke und Grüße
Peter :winke:

StoneMan

Moin,

@ Sprotte, das wäre sicher interessant, vom Norden kenne ich das nicht.

Hier habe ich auch etwas, da werden auf Seite 51 ähnliche Sicheleinsätze gezeigt --> klick<


Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
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Antoine de Saint-Exupéry

Sprotte

Hallo,

wie versprochen nun die Literaturstelle zu den Einsatzstücken:

Konczak, R.: Einsatzstücke aus Silexabschlägen - ein Gerätetyp des Spätneolithikums. In: Archäologische Berichte aus Mecklenburg-Vorpommern, Band 5 (1998), S. 30-40.

Viele Grüße
Sprotte

Furchenhäschen

Zitat von: Sprotte in 02. August 2012, 12:21:28
Hallo,

wie versprochen nun die Literaturstelle zu den Einsatzstücken:

Konczak, R.: Einsatzstücke aus Silexabschlägen - ein Gerätetyp des Spätneolithikums. In: Archäologische Berichte aus Mecklenburg-Vorpommern, Band 5 (1998), S. 30-40.

Viele Grüße
Sprotte
Servus Sprotte,
recht herzlichen Dank für die Info

Grüße
Peter :winke:

StoneMan

Moin Sprotte,

dankeschön - bereits bestellt.

An dieser Stelle auch noch ein Dank für den Literaturtipp zum Band 2, 1995 von selber Stelle:
"Buchtschaber - ein neolithisches Kleingerät, von Gerd Sobietzky"
Den hatte ich mir auch derzeit umgehend zusenden lassen - sehr interessant der Bericht  :super:

@Peter,

vielleicht hattest Du meinen Link weiter oben übersehen (?), der ist doch für Dich auch aufschlussreich:
Zitat von: StoneMan in 30. Juli 2012, 10:53:31
...
Hier habe ich auch etwas, da werden auf Seite 51 ähnliche Sicheleinsätze gezeigt --> klick<


Gruß

Jürgen
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Antoine de Saint-Exupéry

Furchenhäschen


StoneMan

Zitat von: StoneMan in 02. August 2012, 15:29:14
Moin Sprotte,

dankeschön - bereits bestellt...
...und heute schon im Postkasten. Die sind fix in Mecklenburg-Vorpommern  :super:

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
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Antoine de Saint-Exupéry