(m)eine kleine Geschichte zu Bandkeramik

Begonnen von australopiet, 06. Juni 2014, 18:56:45

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australopiet

Bandkeramik

Eigentlich hatte ich nie echt damit aufgehört, aber als wir einen Hund bekamen, begann ich wieder mehr auf den Boden zu achten. Auf einem schönen ausgeregneten Feld, fünf Minuten von meinem Haus entfernt, fand ich eine Pfeilspitze aus Feuerstein. Danach noch einige Klingen. Dann eine verzierte Scherbe, prähistorische Keramik. Es lag so viel da, dass ich mich entschloss, als Spiel, erst den nächsten Schritt zu machen wenn ich wieder einen glänzenden Silexsplitter liegen sah. An diesem Mittag, im Winter 2002, fand ich mehr Werkzeuge aus Feuerstein als in meiner ganzen Jugend.

Es handelte sich um Gegenstände aus der Periode der Bandkeramik: von ersten Bauern, die vor ca. 7000 Jahren aus dem Südosten Europas hierher kamen und  im Urwald ihre ersten permanenten Niederlassungen gründeten. Die Brocken der umgepflügten, tiefschwarzen Erde zwischen dem gelben Lehm waren die Füllung der Abfallkuhlen neben den Bauernhöfen. Ausser Abfall wurden dort auch Holzkohle, zerbrochene Knochen, Mahlsteine und kaputte Werkzeuge hineingeworfen.

Ein Bauer erzählte mir, dass er zuhause einen neuen Tiefenpflug hatte, den er auf diesem Feld einsetzen wollte.  Das hätte das Ende der archäologischen Spuren bedeutet, also alarmierte ich Archäologen, die allerdings nur lau reagierten: zuviel Bürokratie, Bandkeramik kannte man schon....

Im Tausch mit einer Flasche Schnaps bekam ich vom Bauern die Erlaubnis in diesem Winter einige dieser Kuhlen auszugraben. Einerseits fühlte ich mich schuldig, denn dies ist  sehr "not done", andererseits war es sehr aufregend und ausserdem sagte ich mir selbst, dass ich etwas retten würde, was sonst verloren gegangen wäre.
Den ganzen Tag hatte ich mit einer Maurerkelle die Wände der Kuhle abgeschabt.  Ab und zu hörte ich ein leichtes Ticken. Am Geräusch schon konnte ich feststellen, ob es eine Topfscherbe, ein Stückchen Silex, oder etwas anderes war. Es folgte das vorsichtige Freilegen aus der Erde rundum. Die Aufregung war so gross wie bei meinen frühesten Nikolauserfahrungen. Ich arbeitete gebückt, in einer Art Trance, und fühlte meinen Rücken nicht mehr. Als ich mich nach einigen Stunden aufrichtete, stand ich bis zu meiner Brust in einer tiefschwarzen Kuhle. Ich hatte nicht gemerkt, dass es geschneit hatte. Die Welt war weiss, totenstill und es war schon dunkel.

Erst dann bemerkte ich meinen Hunger und Durst, ich ass den mitgebrachten Apfel. Es war der leckerste Apfel, den ich je gegessen habe. Währenddessen wurde mir bewusst, dass ich eine Seite aus einem Buch gerissen hatte und mich damit "verpflichtete" selbst Geschichten zu erzählen. Es gibt einen Zusammenhang zwischen allem, was jemals in einer Landschaft geschehen ist und dem, was ein Künstler neu erzählt.

dappeler

Eins bist du dem Leben schuldig, kämpfe oder trags mit Ruh -
Bist du Amboss, sei geduldig, bist du  Hammer schlage zu!

insurgent

Schöne Geschichte :super:

Alles auch fotographisch dokumentiert?
Meine Bodenfunde werden gemeldet

mc.leahcim

Was du geschrieben hast könnte der Anfang eines Buches sein.
Lass uns weiterlesen.

Danke

Michael
Gum biodh ràth le do thurus. = Möge deine Suche erfolgreich sein (Keltisch/Gälisch)
Die soziale Kälte hilft nicht die globale Erwärmung aufzuhalten!!

australopiet

Danke Michael,

dass Buch wird gerade gemacht. Es wird jedem Tag daran weiter gezeichnet: wer möchte kann mal     www.hanslemmen.nl    gucken.

Verschiedene meiner Freunde sind Profi-Archeologen und ich sehe wie sie langsam im Papierkram hinter ihrem Büro ihre Träume verlieren.
Als Künstler bin nicht frei und kann mein Spass an Archeologie täglich in Traüme umsetzen.

Birk

Moin.  Das hast du aber wirklich schön geschrieben. :super: Solche geschichten sind echt klasse und man kann dabei so schön träumen. :zwinker:  Weiter so.

    Gruß
    Thomas

CF

Hallo Hans,

ich kenne zwar die genaue Gesetzeslage bei euch nicht, bin aber sicher, dass du hier in blumigen Worten eine Raubgrabung beschrieben hast. Die archäologischen Spuren wären zwar durch das Tiefpflügen gestört worden, du jedoch hast sie komplett zerstört.

Sehr befremdlich finde ich den Zuspruch von gleich drei Moderatoren!
"Toleranz ist die Fähigkeit, jeden in seiner Umgebung zu dulden."

australopiet

Das mit der Tiefen pfluge stimmt, weiss ich jetzt. Mit den Funden der beiden Kuhlen in der Hand habe ich dann den offizielen Archäologen alarmieren können, denn entzwischen gab es einen Kommunal-Archäologen.  Leute von zwei Universitäten sind dann gekommen und haben dass ganze Feld elektrolitisch untersucht.  "Mein" Gebiet war nur einen Streifen von etwa 10x5meter gross.  Auch andere Archäologen, aus Belgien und die Niederlande, sind gekommen. Mit einigen bin ich jetzt befreundet. Es hat mich selbst befremdet dass nie jemand mir Vorwürfe gemacht hat. Du bist der Erste. Aber du hast allerdings recht: offiziel dürfte es warscheinlich nicht aber für mich war es einen "Grau-Fall".

Die Funde aus diesen Kuhlen sind dann im Museum von Tongeren aufgenommen worden wo sie jetzt ausgestellt sind. 95% der Funde habe ich danach an der Oberfläche gemacht und dass geht noch immer weiter. Etwa 5 cm wird jedes Jahr tiefer gepflugt und erodiert es. Das ist der wirckliche Schaden für diese Siedlung.

Furchenhäschen

#8
Zitat von: australopiet in 10. Juni 2014, 10:09:41
Das mit der Tiefen pfluge stimmt, weiss ich jetzt. Mit den Funden der beiden Kuhlen in der Hand habe ich dann den offizielen Archäologen alarmieren können, denn entzwischen gab es einen Kommunal-Archäologen.  Leute von zwei Universitäten sind dann gekommen und haben dass ganze Feld elektrolitisch untersucht.  "Mein" Gebiet war nur einen Streifen von etwa 10x5meter gross.  Auch andere Archäologen, aus Belgien und die Niederlande, sind gekommen. Mit einigen bin ich jetzt befreundet. Es hat mich selbst befremdet dass nie jemand mir Vorwürfe gemacht hat. Du bist der Erste. Aber du hast allerdings recht: offiziel dürfte es warscheinlich nicht aber für mich war es einen "Grau-Fall".

Die Funde aus diesen Kuhlen sind dann im Museum von Tongeren aufgenommen worden wo sie jetzt ausgestellt sind. 95% der Funde habe ich danach an der Oberfläche gemacht und dass geht noch immer weiter. Etwa 5 cm wird jedes Jahr tiefer gepflugt und erodiert es. Das ist der wirckliche Schaden für diese Siedlung.

Hallo Hans,
ja,
die Facharchäolgoie sieht derartiges bisweilen etwas lockerer als so mancher hier kommentierende Amateursammler, noch dazu wo anzunehmen ist, dass deine Geschichte wohl viele Jahre zurückliegen dürfte.

@ Christian,
 Dir empfehle ich dringend ein heilendes Gespräch mit dem Jürgen!!
Ich hatte zu diesem Thema, schon eines mit ihm, per  Telefon!

Es bleibt dabei, Du bist genau so ein Amateur wie fast alle User hier und Du hast in keinster Weise zu Urteilen,
dies steht wohl ausschliesslich der Facharchäologie zu, auch in diesem Fall.

Es darf auch noch angemerkt werden, dass Du dich mit deiner Sammelei selbst, per Gesetz strenggenommen ebenso in einer nicht unerheblichen Grauzone bewegst!!!!!
Das weisst Du auch ganz genau!!
Ich denke nicht, dass ich das noch ausführlicher Beschreiben und erklären muss!!

Das wollte ich noch unbedingt anmerken,
ich sammle seit über 40 Jahren!!
In diesem langen Zeitraum lernte ich jede Menge Facharchäologen kennen und ich sag Euch was,
ich kann sie wie die Finger an zwei Händen abzählen, die, die ebenfalls vor Studienbeginn und Abschluss aus Eigeninteresse und Forscherdrang im kleinen Stil gebuddelt und gesucht haben, eben wie Hans es trefflich von sich selbst beschrieben hat.

Also, in Bayern sagt man:
Manndelts eich net so auf!!!

Gruß
Peter :winke:

danke Hans für die spannende Geschichte
Ps:
Bei diesem Thema kommen ja unglaubliche Gestalten aus ihren Löchern gekrochen, gell F. das passt aber auch zu Dir!

CF

Hallo Peter,

hattest du wieder einen schlechten Tag?

Zitat von: Furchenhäschen in 10. Juni 2014, 11:50:33
Es darf auch noch angemerkt werden, dass Du dich mit deiner Sammelei selbst, per Gesetz strenggenommen ebenso in einer nicht unerheblichen Grauzone bewegst!!!!! 

Falls du auf die hadrianische Fundteilung anspielst: Ich habe mit allen Landwirten in meinem Suchgebiet eine schriftliche oder mündliche Abmachung, nach der alle meine vor- und frühgeschichtlichen Funde in mein Eigentum übergehen. Darüberhinaus melde ich alle Funde. Wo ist da eine Grauzone?
"Toleranz ist die Fähigkeit, jeden in seiner Umgebung zu dulden."

Furchenhäschen

#10
Zitat von: CF in 11. Juni 2014, 11:18:53
Hallo Peter,

hattest du wieder einen schlechten Tag?
Falls du auf die hadrianische Fundteilung anspielst: Ich habe mit allen Landwirten in meinem Suchgebiet eine schriftliche oder mündliche Abmachung, nach der alle meine vor- und frühgeschichtlichen Funde in mein Eigentum übergehen. Darüberhinaus melde ich alle Funde. Wo ist da eine Grauzone?


Hallo Christian,
ich habe keine schlechten Tage!

Ich habe mich nur geärgert, dass man sich hier ständig als (Sitten) Wächter und Aufpasser der "Szene" aufspielen muss!

Wie gesagt liegt auch diese Sache vermutlich schon viele, viele Jahre zurück!
Hans schreibt ja entsprechend!

Wann lernst Du endlich, dass sich in 40 Jahren eben einiges verändert hat.

Ich habe auch noch andere Passagen geschrieben!
Unterhalte dich doch einmal mit J.W. zu dem Thema, er ist ein anerkannter Fachmann und vielleicht kann er dich in der Sache auch ausnahmsweise archäo-psycho-somatisch beraten, für Beratungsresistent halte ich dich noch nicht, wenn auch in der Sache manchmal zu sehr verbissen!

Mehr gibts darüber auch schon nicht mehr zu sagen.

Gruß
Peter