banaler Abschlag oder Kratzer

Begonnen von Wiesenläufer, 01. Mai 2018, 06:33:48

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Wiesenläufer

Moin,

bin mir bei diesem Abschlag nicht ganz sicher ob es sich wirklich um Retusche handelt. Ihr kennt ja inzwischen meine Halbrundschaber und die sehen meistens etwas besser gearbeitet aus.

Vielleicht wirklich nur ein schnell hergestellter, funktioneller Kratzer.  :kopfkratz:

Gruß
Gabi
Wer viel geht, findet viel.
(Nicht auf meinem Mist gewachsen)

neolithi


"Vielleicht wirklich nur ein schnell hergestellter, funktioneller Kratzer." 

Genau so würde ich es sehen.

HG
neolithi


thovalo


Guten Morgen!

Das wird nicht als eine intentionelle Reutschierung anzusprechen sein. Solche Stücke mit dünnen Kantenumlauf können durch verschiedene Einflüsse der Landwirtschaft oder Begehung abgedrückt werden. Eine Retuschierung, gerade an so dünnen Kantenverläufen ist, wenn sie bewusst angelegt worden sein sollte, regelmäßig ausgeführt auch wenn man mal "schnell" einen Kratzer gebraucht hätte. So eine REtusch eauszufürhen war kein Stundenwerk sondern ebenfalls Ratfatz gemacht.

Abfallstücke (Debitage) aus Oberflächenbegehungen weisen häufiger solche Phänomene auf.
Die Retuschen wirken nach den Bildern recht frisch entstanden.


lG Thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

StoneMan

Zitat von: Wiesenläufer in 01. Mai 2018, 06:33:48

[...]
Ihr kennt ja inzwischen meine Halbrundschaber und die sehen meistens etwas besser gearbeitet aus.
...

Moin,

in diesem Kontext ist er zu anzusiedeln. Ein Ad-hoc-Gerät, pragmatisch und gut - mal eben für diesen Augenblick.

Diese Retuschen sind bei Gabi in MV vom feinsten Ackerstaub wie windpoliert.
Ich selber habe ebenfalls, aus etwas nördöstlicher Gegend (Fischland Darß Zingst), sehr viele Artefakte mit diesen
vermeintlich frisch aussehenden Retuschen.

Gruß

Jürgen

Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Wiesenläufer

Moin,

Danke, für Eure Antworten. Ich weiß, es ist ein Kreuz mit diesen Teilen.  :zwinker:

Fundplatz ist wirklich eine Kuppe mit allerfeinsten Sand. Der gleiche Platz wie dieses Teil, welches ich schon vorgestellt hatte. "http://www.sucherforum.de/index.php/topic,74053.0.html" und einem kleinen Fragment von einem geschliffenem (wahrscheinlich) Beil.

Gruß
Gabi




Wer viel geht, findet viel.
(Nicht auf meinem Mist gewachsen)

Neos

Moin, Gabi,

da kann ich mich neolithi und Jürgen nur anschließen. Ich habe selbst viele solcher "norddeutschen" Schaber. Nicht sonderlich schön, aber selten häufig!  :-D

Beste Grüße

Neos

ChristianH

#6
ZitatDas wird nicht als eine intentionelle Reutschierung anzusprechen sein
ich weiß, der Beitrag ist älter, aber da ich viele solcher "norddeutschen" Schaber finde - wohl meist aus bronzezeitlichen Kontexten - muss ich auch noch einmal eine Lanze dafür brechen, dass hier die Retuschierung intentional ist, was man u.a. daran sehen kann, dass sie mehr oder weniger umlaufend vorhanden ist.

Wiesenläufer

Moin ChristianH,

schön, dass Du es auch so siehst.

Ich denke, dass sie auch schon im Endneolithikum in Gebrauch waren bzw. vielleicht auch Übergangszeit.
Meine Fundplätze beherbergen meistens beide Zeitepochen.

Gruß

Gabi
Wer viel geht, findet viel.
(Nicht auf meinem Mist gewachsen)

ChristianH

#8
...außerdem würde ich die hier gezeigten Retuschen (ihrer Art nach) auf keinen Fall zu jenen zählen, die unbeabsichtigt hätten entstehen können. Wenn jemand diesen Schaber zur Debatte stellt, frage ich mich, was die Leute zu einigen meiner aktuellen Funden sagen würden. Vorneweg: Ich bin - nach 20 Jahren Sondeln - noch ein ziemlicher "Frischling" im Bereich Steinzeit [1] Trotzdem bin ich - aufgrund entsprechender Fundplätze - dazu gezwungen, mich mit der Grauzone zwischen "Abchlägen" (im Sinne von unbenutzer Débitage) und echten, anerkannten "Geräten" zu beschäftigen. Wir haben hier in Norddeutschland den eigentlich spannenden Umstand, dass Feuerstein (als Geschiebe-Flint) an vielen Stellen im Überfluss verfügbar ist. So kommt es, dass er nach Belieben benutzt werden konnte, im Sinne von schnell gefertigten Ad-Hoc-Tools, aber ebenso von im "Flintknapping" Ungeübten und - nicht zu vergessen - von Kindern. Der Literatur ist zu entnehmen, dass die Benutzung von Abschlägen mit keinen, wenigen oder "schlechten" Retuschen nachgewiesen ist, und dass solche Ad-Hoc-Tools in stärkerem Maße eingesetzt wurden als angenommen. Zusätzlich wurden Ad-Hoc-Tools nicht immer nach dem Lehrbuch geschlagen, sondern die Grundformen bestimmter (auch ungewöhnlich geformter) Flintknollen wurden auf kreative Weise in das "funktionale Design" mit einbezogen. Die spannende Frage lautet nun, wie man erkennen kann, ob man es mit einem benutzten Abschlag oder einem Ad-Hoc-Tool zu tun hat [2]. Ein erster Ansatzpunkt ist natürlich, dass man sich auf einem eindeutigen Fundplatz befindet, also man findet z.B. "reguläre" Tools oder Schlagsteine. Dann hat man natürlich erst Recht das Problem, es u.U. mit reinem Produktionsabfall zu tun zu haben [3]. ich vermute, hier muss man jetzt gucken, welche Flint-Funde sich systematisch von dieser Débitage unterscheiden und worin diese Unterschiede bestehen. Insbesondere sollte man Funde, die funktional und nützlich erscheinen,genauer unter die Lupe nehmen. Wie wahrscheinlich erscheint es, dass ein bestimmtes vorkommendes "Ad-Hoc-Design" in der beobachteten Häufung natürlich entstanden sein kann? Wie sinnvoll erscheint dieses Design? Gibt es Gebrauchsspuren? Gibt es - trotz unretuschierter Schneidkante - trotzdem Formgebungs- oder Schutzretuschen? Der Teufel steckt natürlich im Detail, und in vielen Fällen wird man nie endgültig klären könne, ob mit einem bestimmten Stück gearbeitet wurde, oder ob es sich um irgendeine Art von Abfall handelt. Das ganze Problem zeigt sich auch in dem Umstand, dass beide Optionen sich nicht ausschließen.  

[1] ich schreibe diesen ganzen Kommentar nicht, um klugzuscheißen, sondern weil ich die Problematik spannend finde.
[2] eine weitere Frage ist natürlich, wie die Grenze zwischen Ad-Hoc-Tools und "echten" Geräten gezogen werden kann. Die Standardliteratur gibt das nicht her bzw. liefert keine befriedigende Antwort.
[3] dies gilt umso mehr dann, wenn man sich auf einem mutmaßlichen "Schlagplatz" befindet