Aus den Untiefen der Moorerstanackerung

Begonnen von Silex, 03. Juli 2010, 23:02:32

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Silex

Immer noch besser als Tiefseebohrungen...diese Biomassenausweitungen in schon ewiges Moor und Grasland.
Hier im Urstromnaabtal sah es noch letztes Jahr so aus wie im Endeiszeitsommer. Grasland, kleine Birkeninseln an federnd-nässelnden  Untiefen.
Jetzt schlürfte sich der gierige Pflug in die torfmoorige Erdmutter.
Gleich vorab: Es ist die schon so oft besuchte reinrassige jungpaläolithische Fundstelle....mit einigen Ausreissern ins Mittelpaläolithische.
Die Rohstoffbasis  der schon langjährig abgesuchten Nachbarfelder ist nach Archäologendarstellung: Arnhofen, Jurahornstein, Feuerbergjaspis, roter Quarz, Tigerauge, Lydit (auch grüner), polnischer, baltischer Flint, Kreidehornstein   undundund....ansonsten viel "Scheint", "wirkt wie", "(?)".
Aber das wird hier an einer Stelle mit vielen Flussgerölllagerstätten und ferntransportlichen, humanoiden Ablagerungen samt Moor-, Acker- und Sandbeeinflussung auch  diffizil zu bestimmen sein
Eigentlich hatte ich  hier hauptsächlich  Kerne erwartet die sich durch Moorpatina verfärbt hätten. Aber die Fundanhäufungen ziehen sich weiter in die Flachregion hinein.
Auffallend vielleicht:  mit einem geringeren Anteil an Werkzeugabsplissen und  Abschlagsmüll.

Hier mal ein 5 cm langes Teil mit einer konkaven Endretusche (die ich ansonsten immer eher skeptisch einschätze).
Gegenüber des Bulbus (auf der Dorsalseite)  ein diffiziles "Abschlagstreffen" das von vorherigen Abschlägen künden könnte oder von Schäftungshifekonstruktionen.
Das Teil ist nur wenige Millimeter dick und erscheint wie ein klassischer Klingenkratzer  des Jungpaläolithikums- nur eben , seltenerweise, konkav.
Materialhinweise wären sehr willkommen.
Bis bald
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Harkonen

Hallo Edi,
sehr schönes Stück, geht meiner Ansicht schon fast ins Mesolithikum. Ähnliche Stücke kenne ich aus dem Donaumoos.

Gruß
Harkonen

Silex

Das liest sich interessant , Harkonen. Und Du bist sicherlich erfahren in Deiner Heimat.
Im hiesigen Mesolithikum hab ich sowas Ähnliches noch nicht aufgelesen....und hier waren sie fast überall- von Früh bis Spät.
Ist Dir so ein Material schon mal untergekommen?
Ein Kollege hier hat mir schon mal ähnliche,  pixelige  Vergleichsstücke (materialmäßig) aus Feuerbergjaspis  (mit Fichtelgebirgskonvenienz) geschickt.
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Roskva

Hi Silex :-)

Der ist aber nicht durchgehend rot, oder? So wie ich das Stueck sehe... und ich sehe es leider nicht besonders gut :zwinker: ist er innendrin eher grau?
Das koennte genau so gut ein stueckchen Flint von hier oben sein - also so weit ich erkennen kann, von hier aus :zwinker:

LG
R.
"blickst du lange genug in den Abgrund, schaut dieser irgend wann in dich"

Marienbad

Hallo Edi,

da kann ich Rikke nur zustimmen  :super:

Hier in SH sehen die "bräunlichen" Flinte aus dem Torf auch so aus.
Ich kenne sie von meso. bis neolithischen Fundplätzen.

:winke:  Manfred

Silex

...Danke Freunde...aber ich denke immer noch dass die hier älter sind (obwohl sie es nicht unbedingt "müssten")... aber darum geht es ja auch nicht...und dann liegt sowas zwischendrin...bläulich-grauweiß patiniert...ohne Fremd- oder Nacheintragmöglichkeit.... es dürfte Jurahornstein sein... im selben Ar gefunden.
Das macht wiederum stutzig...denn die Oberflächenstruktur ließe das Eindringen von humosen Derivaten eigentlich begünstigen....?
An der Schrägendspitze dieses dünnen Abschlagsklingleins (Länge 4 cm) vermeint man eine bewusste Feinmodifikation zu erkennen.... gibt es sowas als (regelhaften) Typ oder kann man von Patinierung und Schlagtechnik was zur Zeitstellung vermuten?

bis bald
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Harkonen

Zitat von: Silex in 03. Juli 2010, 23:43:03
Das liest sich interessant , Harkonen. Und Du bist sicherlich erfahren in Deiner Heimat.
Im hiesigen Mesolithikum hab ich sowas Ähnliches noch nicht aufgelesen....und hier waren sie fast überall- von Früh bis Spät.
Ist Dir so ein Material schon mal untergekommen?
Ein Kollege hier hat mir schon mal ähnliche,  pixelige  Vergleichsstücke (materialmäßig) aus Feuerbergjaspis  (mit Fichtelgebirgskonvenienz) geschickt.

Hallo,
ich habe dieses rote Material vereinzelt im Donaumoos  gefunden. Ob es sich letztendlich um dasselbe Gestein handelt kann man aber über die Fotos nicht zweifelsfrei feststellen.
Gruß
Harkonen

thovalo

Zitat von: Silex in 04. Juli 2010, 20:43:18

An der Schrägendspitze dieses dünnen Abschlagsklingleins (Länge 4 cm) vermeint man eine bewusste Feinmodifikation zu erkennen.... gibt es sowas als (regelhaften) Typ oder kann man von Patinierung und Schlagtechnik was zur Zeitstellung vermuten?

bis bald
Edi


Lieber Edi!!!!

Die Ausbrüche sehen für mich nicht nach einer intentionell ausgeführten Modifikation aus. Vielmehr ist gut möglich, dass die kleine Klinge beim kräftigen Trennungsschlag auf die Unterlage geprallt ist, wobei die kleinen ungleichmäßigen Ausbrüche gut entstanden sein können.

Den Effekt der kleinen distalen Ausbrüche beim Ausführen eines Abschlags/Klinge erscheint mir hier am ehesten als wahrscheinlich!

LG  thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Silex

Danke ihr Beiden !!!
Jede Information wird in meinem zur Erklarung neigenden Theoriegewusel miteingearbeitet....das ist für mich ein tragendes und  befruchtendes element in diesem Forum.
Bis zur eventuellen Aufgabe der Neigungseinschätzung.

Warum ich diese beiden Fundstücke  aus der Erstanackerung hier  vorangestellt habe:
- beide liegen sehr lange im selben Millieu... ein Ding fast wie neu aber satt "moorpatiniert"-das andere bläulichweißgrau
(dennoch)
- beide weisen eine seltsam ähnliche Basisretuschierung auf wie sie hier üblicherweise  nicht vorkommt.

Da versagt bei mir die Logik.  Vom Gefühl her ist die helle Klinge ein älteres Schrägendprojektil (mit  viel Realitätsverdrängung der prähistorisch anerkannten  Gegebenheiten). Wie geschrieben: sehr dünn und mit akribischen Versuchen die Basis zu schwächen. Natürlich könnten es auch unangepasste Schlagenergien aus vorangegangenen Klingenabschlägen  sein.
Manchmal glaubt man einen Platz eingrenzen, verstehen zu können,  nach vielen Jahren,vor allem solche. No way!!!
Hier noch ein schöner Stichel aus dem "AR"eal. Sattrotbraun. Nur ein zerbrochenes Stück von hier kenne ich welches innen ins gelbliche tendiert. Nahezu alle anderen Fraktale (selbst  wesentlich dickere) sind homogen gefärbt.
Jetzt weiß ich gar nicht mehr worauf ich hinauswollte. Es folgen eben  dann noch später die anderen Findlinge mit eventueller "Sammlung" meiner dazugehörigen Gedankenprotuberanzen.
Weil eine jungfräuliche Anackerung doch was Besonderes ist.
Erquicklichen Wochenausklang samt Neustart vom
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Harkonen

Hallo,
wenn ich mir das zuletzt gezeigte Artefakt ansehe, meine ich zweifelsfrei behaupten zu können, Mesolithikum. Evtl. ein Stichel, siehe Schlagpräparation.
Gruß
Harkonen

a.k.a. rentner

Sehr schöne Funde Edi.....
Ist das letzte ein Doppelstichel (zwei Stichelbahnen) ?
Und was meinst Du, Harkonen , mit Schlagpräparation in Bezug auf Stichel?
Der "verjüngende" Schlag  auf der Dorsalseite am distalen Ende, der Spitze?

M.

Silex

Den verjüngenden Schlag an der Dorsalseite (das tropfenförmige Negativ) hatte ich anfangs für den Stichelverdreifacher gehalten aber  er greift nicht in den Spitzenbereich ein. Da könnte  sich wirklich eine  Modifizierung /Verschlankung des Arbeitsbereiches andeuten
Zusammen mit den  Narbenfeldern auf der konkav laufenden Stichellaterale  vielleicht ein Hinweis auf Intention und Anwendung. Für den Spezialisten bestimmt.
Hier treten  erstmals deutlich die Spuren auf die mir Wikinger als Hebelspuren an mesolithischen Sticheln des Nordens erklärt hat.
Jetzt mit 2 hier gefundenen Sticheln (den grauen, zweiseitigen Distal-und Basaligen hab ich vor Kurzem schon gezeigt , die beide deutliche Gebrauchsspuren aufweisen (im Gegensatz zu denen auf den naheliegenden Hügeln), ist es noch müßige Mühe der Deutungsfreude, aber  es scheint sich schon was anzudeuten.

Mesolithische Stichel sind mir  im Umkreis nicht bekannt, Harkonen.

Hier weiter im Fundmaterial des Torf/Moorareals...ein erster von 4 konvexen  aber gleichwohl sehr verschiedenen Kratzern (Supermaterial....aber welches?) ...sehr abgearbeitet, orangerot , Länge 4 cm.
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Harkonen

#12
Zitat von: Silex in 05. Juli 2010, 20:57:22
Den verjüngenden Schlag an der Dorsalseite (das tropfenförmige Negativ) hatte ich anfangs für den Stichelverdreifacher gehalten aber  er greift nicht in den Spitzenbereich ein. Da könnte  sich wirklich eine  Modifizierung /Verschlankung des Arbeitsbereiches andeuten
Zusammen mit den  Narbenfeldern auf der konkav laufenden Stichellaterale  vielleicht ein Hinweis auf Intention und Anwendung. Für den Spezialisten bestimmt.
Hier treten  erstmals deutlich die Spuren auf die mir Wikinger als Hebelspuren an mesolithischen Sticheln des Nordens erklärt hat.
Jetzt mit 2 hier gefundenen Sticheln (den grauen, zweiseitigen Distal-und Basaligen hab ich vor Kurzem schon gezeigt , die beide deutliche Gebrauchsspuren aufweisen (im Gegensatz zu denen auf den naheliegenden Hügeln), ist es noch müßige Mühe der Deutungsfreude, aber  es scheint sich schon was anzudeuten.

Mesolithische Stichel sind mir  im Umkreis nicht bekannt, Harkonen.

Dann wird es aber Zeit :super:

Hier weiter im Fundmaterial des Torf/Moorareals...ein erster von 4 konvexen  aber gleichwohl sehr verschiedenen Kratzern (Supermaterial....aber welches?) ...sehr abgearbeitet, orangerot , Länge 4 cm.

Den Beitrag finde ich übrigens Klasse.

Das Donaumoos z.B. in Süddeutschland wurde bevorzugt von mesolithischen Jägern aufgesucht, zwecks Fischfang und Entenjagd. Wieshalb sollte dies in deiner Gegend anders sein?
Übrigens, dein zuletzt gezeigtes, orangfarbenes Gerät erinnert an mich fast an sogenannte Diskusschaber. Diesen Gerätetyp habe ich auch im Donaumoos auf rein mesolithischen Dünenplätzen gefunden.
Gruß
Harkonen

Harkonen

Zitat von: a.k.a. rentner in 05. Juli 2010, 20:25:05
Sehr schöne Funde Edi.....
Ist das letzte ein Doppelstichel (zwei Stichelbahnen) ?
Und was meinst Du, Harkonen , mit Schlagpräparation in Bezug auf Stichel?
Der "verjüngende" Schlag  auf der Dorsalseite am distalen Ende, der Spitze?

M.
Hallo,
jaaa, dem könnte ich mich anschliessen, aber um sicher zu sein müsste man das gute Stück doch drehen und wenden können, also selbst in den Händen halten, Ferndiagnosen, gerade mit Stichelbahnen und Schlagpräparationen, da kann man schnell eine fehlerhafte Aussage machen.

Gruß
Harkonen

Silex

Edi will ja nicht  unpetinkt recht haben , Harkonen....er erweitert sich gerne...aber einen mesolithischen Stichel von den  bayerischen Donaugefilden (vor allem in dieser Machart) muss ich erst sehen  (und gierig-lefzend befingern) um an ihn glauben zu können.
Hier  der zweite Kratzer (gröberes Material- aber welches?), ockerfarben, 2 cm lang:
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Harkonen

Zitat von: Silex in 05. Juli 2010, 21:34:57
Edi will ja nicht  unpetinkt recht haben , Harkonen....er erweitert sich gerne...aber einen mesolithischen Stichel von den  bayerischen Donaugefilden (vor allem in dieser Machart) muss ich erst sehen  (und gierig-lefzend befingern) um an ihn glauben zu können.
Hier  der zweite Kratzer (gröberes Material- aber welches?), ockerfarben, 2 cm lang:

Hallo,
vor ca. 25 Jahren ging mein komplettes Mesolithikum aus dem Donaumoos, ca. 10.000 Artefakte, an das zuständige Museum in Neuburg a.d. Donau.
Müsstest schon mal nach Neuburg kommen.
Gruß
Harkonen

a.k.a. rentner

Ach ihr zwei, das macht Lust mal in meinen süddeutschen Gefilden das Donaumoos abzugrasen.......
Soweit ich weiß ist dies in meinem Landkreis nie in Angriff genommen worden........ein Kreis weiter östlich wurde hingegen jahrzehntelang intensivst  nach Mesolithikum im Donaumoos abgesucht..........
Zum Thema süddeutscher mesolithischer Stichel......ist mir neulich einer ,bzw zwei über den Weg gelaufen:
Eiszeithöhlen im Lonetal (JoachimHahn, Müller-Beck,Taute): zwei im Fohlenhaus,nebst einigen klassischen Mikrolithen.
Anbei einer der mit Deinem so einiges gemeinsam hat, ausser der wunderbaren Kantenretuschierung, und der sauberen Form des Abschlags.
Aber mal am Rande ne Frage vom Unwissenden:
manchmal überlappen sich Artefakttypen des End -in BY ja auch gerne "Epi"-paläolithikums mit mesolithischen Typen.
Gibt es (von den Artefakten her) eigentlich eine klare Trennlinie, ich meine einen signifikanten technologischen Unterschied, der mir bis jetzt entging?
Freue mich schon auf weiteres "Edi"-paläolithisches.......
m.

Harkonen

Hallo,
im Magdalenien findest Du teilweise ähnliche Gerätetypen wie im Mesolithikum, Typen sind Kleingeräte wie Silexeinsätze von Harpunen, die findest Du fast wirklich identisch im Magdalenien.

Gruß
Harkonen

a.k.a. rentner


Silex

und um die material- sowie kratzerartlichen Unterschiede an dieser Fundstelle  noch zu verdeutlichen hier (wieder seltsames Material? Vielleicht kann man es an den Einschlüssen identifizieren?)  ein Klingenkratzer:
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Marienbad

Moin Edi,

du schleppst Sachen ran......  :kopfkratz:  Das war sicher ein Fossiliensammler, der das Kratzerchen gebastelt hat. :zwinker: :zwinker:

:winke:  Manfred

Silex

Mir ist diese Fundstelle materialmäßig auch etwas suspekt. Da liegt 3 Km weiter der Jurahornstein offen herum und hier  ballt sich Importware aus weit entfernten Jagdgründen.
Es dürfte sich hierbei um ein saisonales Zentrallager an einer Herdenhauptwanderroute (zur Donau) gehandelt haben- eventuell mit Potlachs und Heirats/Materialtauschbörsen...
Viel Spekulation...aber hat Jemand  Ahnungen  wegen des Materials (auch bezüglich der oberen Artefakte)?
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Mark77

hmm.. wo genau befindet sich der Fundplatz? :kopfkratz:

Silex

Danke der Nachfrage,Mark 77!  :winke:
Immer derselbe Fundplatz. Mittlere Naab bei Schwandorf. Der Fluss scheidet hier in einem breiten Tal das  Graniturgebirgsschild vom Naabjura.
Hier wurde Lydit aus dem Frankenwald eingeschwemmt....Feuerbergjaspisverdacht wurde archäologenseits schon angedacht...polnischer / baltischer/ Kreide Flint,
roter Quarzit....Achat, Tigerauge, Arnhofen, Jurahornstein (auch ungetemperter Roter) etc.
Aber: woos Gwies woas ma niad....mir ein ewiges Rätsel....
Bis bald

Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Mark77

DNKra ist ein Jurahornstein aus der Gegend um Schnellersdorf (Eluvial Jura Hornstein), siehe dazu flintsource.net

RoKra ist jedenfalls kein Leupoldsdorfer Feuerberg-Jaspis (ist das wirklich Jaspis? sieht mir sehr nach Opalith aus!) :kopfkratz:
Was das Material ist, kann ich nicht wirklich sagen, aber es könnte! immer noch getempert sein! :winke:

Schöne Grüße,
Markus