Eine gut erhaltene Silexbeilklinge vom rechten Niederrhein in der Fundsituation

Begonnen von thovalo, 17. September 2012, 17:29:14

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thovalo

Salut!

Beim Eintreffen an einem Fundplatz nach der Kartoffelernte am rechten Niederrhein schimmerte im vielfach überfahrenen Boden eine teilweise freigelegte Beilklinge! Es handelt sich um eine Beilklinge aus Feuerstein der Varietät "LOUSBERG" (Lagerstätte bei Aachen)
die bis auf eine Beschädigung im Bereich der Schneide vollständig erhalten geblieben ist. Eine Wirtschaftsmaschine hat leider dann die Schneidenpartie erwischt und angeschlagen.


Der merkwürdige Querschnitt mit einer breiten natürlich belassenen Längsseite gegenüber einer schmalen überschliffenen Gegenseite liegt an der natürlichen  Bildung des verwendeten Rohstücks.

Sehr selten sind so klar die Negative zu erkennen die während der Arbeit mit dieser Beilklinge entstanden sind. Diese Aussplisse sind nach ihrer Entstehung wieder überschliffen worden. Daher kann davon ausgegangen werden, dass die Beilklinge ursprünglich größer gewesen ist.


Solche "sprechenden" Funde finde ich immer spannend!


glG thomas   :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

ledeod

ich weiß auch nicht wie die Steine in meine Tasche gekommen sind

thovalo


Noch ein link zu einem Projekt zum Lousberg als Abbaugebiet von Feuerstein

http://www.uni-koeln.de/fast/people/schyle/lousberg.html


Unten im link ein interessanter Text als PDF - Datei zum downloaden



glG thomas
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Steinkopf

Meinen Glückwunsch zu diesem schönen Fundstück mit vielen interessanten Besonderheiten.

Weitere Feldbearbeitungsgänge hätten es weiter geschreddert.

Zitat: "Sehr selten sind so klar die Negative zu erkennen die während der Arbeit
          mit dieser Beilklinge entstanden sind. Diese Aussplisse sind nach ihrer Entstehung
          wieder überschliffen worden. Daher kann davon ausgegangen werden,
          dass die Beilklinge ursprünglich größer gewesen ist."

Auf dem letzten, sehr deutlichem Foto sind entlang der 'oberen' Kante weitere
Negativ-Grübchen zu sehen, die wohl vom der ersten Schliff noch übriggeblieben sind.

Eure vielen Materialvarianten sind allein schon ein interessantes Thema!

Schönen Gruß

Jan

thovalo

Zitat von: Steinkopf in 17. September 2012, 22:41:52

Eure vielen Materialvarianten sind allein schon ein interessantes Thema!

Schönen Gruß

Jan


Was unter den weit über 1.500 Beilklingenbelegstücken vom Gelände auffällt, ist die Materialvielfalt und die "bunte" Zusammensetzung der Materialien, also eine hohe Diversität der Rohmaterialbeschaffung bzw. der Herkunft der zu Beilklingen verarbeiteten Silices! Und das in sehr hoher Qualität und Quantität, sodass man von allem Anderem als von Materialknappheit oder Materialarmut ausgehen kann. Zwar ist fraglich das die Stücke alle zeitgleich zusammengetragen und abgelagert worden sind; am Fundpunkt selber konzentrieren sich Hiebgeräteeinsätze jedoch in einer einzigartig hohen Stückzahl!

Auf dem angehangenen ersten Bild einige Beilklingenbelege des Fundplatzes der letzten Wochen, doch inzwischen sind noch weitere Neufunde hinzu gekommen!

glG thomas   :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

dappeler

Eins bist du dem Leben schuldig, kämpfe oder trags mit Ruh -
Bist du Amboss, sei geduldig, bist du  Hammer schlage zu!

Levante

Nicht nur ein Scherben (Keramische Fragmente) Sucher sondern auch ein Scherben (Keramische Fragmente) Finder. :-)

thovalo

Jau,  :winke:

erstaunlicher weise ist das erst die zweite vollständige Silexbeilklinge, neben einigen besser erhaltenen, vom gesamten Fundgelände.
Dem gegenüber stehen die Überreste vieler, weit mehr als einhundert bis zweihundert, im Materialrecycling abgebauter Siliexbeilklingen.

Direkt am Fundpunkt liegt ein hoch konzentriert verdichtetes "Brandfeld" auf dem alle Artefakte intensiv dem Feuer ausgesetzt gewesen sind.

Allein darunter befinden sich mehr als 12 verbrannte Beilklingen und zwei Dechselklingen aus Feuerstein. Eine der Dechselklingen konnte, bis auf kleinere Fehlstellen, aus zwei Bruchstücken wieder vollständig zusammen gesetzt werden (siehe Bild im Anhang). Sie ist erst durch die landwirtschaftlichen Tätigkeiten rezent zerbrochen worden. Die Silexbeilklingenfunde dieser einen Stelle werden durch Belege von etwa einem Dutzend Felsgesteinbeilklingen ergänzt die zumeist vollständig erhalten geblieben sind. Als exotischer Fundbeleg tritt an dieser Stelle noch die sekundär überprägte Schneide einer "Prunkbeilklinge" des Typs "Puy" aus Jadeit aus der Region um Genua hinzu.

Das deutet auf eine enorm hohe Bedeutung des Besitzes von Beilklingen der auf dem Gesamtfundareal lebenden Menschen hin. Am gesamten Niederrhein ist keine vergleichbare Konzentration bekannt. Das Fundaufkommen erklärt sich teils durch die notwendige Rodungsarbeiten zur Erschließung des Geländeareals. Aus diesen Tätigkeiten liegen von der Fundpartie, insbesondere vom Siedlungshügel, etliche Beilklingenbelege, insbesondere gebrochene Schneidenpartien, wuchtiger Großbeilklingen aus Felsgestein vor. Die Silexbeilklingen dienten dann wohl der weiteren Zurichtung der gewonnenen Hölzer.

Warum an diesem einen Platz im Gelände dann eine derart hohe Anzahl von "Wertstücken", darunter auch viele großformatige retuschierte Werkzeuge, Grundformen und Rohstücke in den Flammen zerstört worden sind bleibt ein Rätsel, das bis auf Weiteres nicht näher zu klären ist.

Die Lagerstätten der zur Beilklingenproduktion verwendeten Silexvarietäten liegen alle mehrere Tagesreisen vom Ort entfernt.
Die Beil- und Dechselklingen sind alle über den Flusslauf hinweg auf das rechte Ufer an diesen Ort transportiert worden, die Felsgesteinbeilklingen wurden an Ort und Stelle in einer "Werkstatt" aus Flussgeröllen gefertigt. Darauf weisen gepickte Vorarbeiten und umfangreiche Fundmengen von Trümmern von Schleifwannen aus Quarzit hin.

Alle Funde stammen aus einem Prospektionszeitraum von gerade mal 9 Jahren!
Dieses intensive Projekt wird noch lange Zeit reichlich Beschäftigung bieten!


glG thomas   :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.