einfache Klinge

Begonnen von wühlmaus, 23. Januar 2008, 01:13:20

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wühlmaus

Hi  :winke:

Diese einfache unretuschierte Klinge ist ein "Beifund" vom Rand einer römischen Trümmerstreuung ...

Der Acker spuckt die Vorgeschichte nur kleckerweise aus ... Innerhalb von vier Jahren(!) fanden sich hier ein klingenförmiger Abschlag, eine unverzierte vorgeschichtliche Wandscherbe, das Schneidenbruchstück eines Bronzebeils und letzte Woche dann diese Klinge ...

Länge: 4,5cm, Breite:2,5cm und etwa1cm dick - Das Material dürfte, meiner Meinung nach, Rijckholt-Flint sein.
Das Proximalende sieht recht "verwildert" aus und scheint verbrannt zu sein - am Distalende ist ein klarer Bruch ...

Die zeitliche Einordnung solcher einfacher Klingen ist schwierig, einen direkten Zusammenhang mit den anderen vorrömischen Funden kann man zwar nicht ausschließen, da das Fundmaterial aber sehr dünn gesäät ist, läßt sich da aber auch nichts weiter zu sagen ...

Wie lange hat man eigentlich Rijckholt-Flint genutzt. War nach Michelsberg Schluß? Oder haben auch spätere Perioden auf dieses Material zurückgegriffen?

:winke:
Gerd

queque

Hallo Gerd,
mir hat mal jemand, der mehr von Flintartefakten versteht als ich, erzählt, dass man Feuerstein, und insbesondere auch das Rijckholtmaterial, noch weit bis in die Eisenzeit benutzt hat. War halt billiger als Metall. An der Kölner Uni wird sogar berichtet, dass die Bauern noch bis ins Mittelalter hinein die Steingeräte, die sie auf ihren Äckern gefunden haben, weiter verwendet haben. Viele sekundäre Gebrauchsspuren an den Geräten, die wir heute finden, sollen daher rühren. "Benutzt" hat man die Stücke wohl noch bis weit ins 19. Jahrhundert. So kann man angeblich bei uns im Rheinland unter den Schwellen und auf den Dachböden alter Gehöfte noch Steinbeile finden. Im Volksglauben haben sie für Fruchtbarkeit gesorgt (Kein Wunder bei den Formen, den die Teile manchmal haben :zwinker:) und vor Bltzschlag geschützt. Das sind aber alles mündliche Infos und Überlieferungen. Literatur habe ich über dieses Thema noch nicht in den Händen gehabt. Ist aber spannend. Weiß jemand mehr darüber? Vielleicht mit Literaturtipps?
Wünsch Dir noch 'nen schönen Abend!
Bastl

wühlmaus

Hi queque  :winke:

Ja, die Weiternutzung von Flint als Rohstoff für Werkzeuge des alltäglichen Gebrauchs ist auch für mich ein super spannendes Thema  :jump:

Das zieht sich in unseren niederrheinischen Breiten bis weit in die Eisenzeit hinein ...

Die metallzeitlichen Geräte scheinen sich auf einfache Formen zu beschränken also Klingen, retuschierte Abschläge und einfache Kratzer ...
Dazu verwendete man aber, soweit ich weiß, lokal anstehenden Flint ... Ein Austausch dieses Romaterial über weite Strecken, wie es im Neolithikum üblich war, fand nicht mehr statt.
Deshalb zielte meine Frage auch eher auf das Material Rijckholt-Flint im speziellen ab ...  :engel:

Eine Monographie, die nur das Thema "metallzeitliche Flintartefakte" behandelt, ist mir momentan auch nicht bekannt ... Aber das Thema wird seit den 70'ern immer wieder mal in Veröffentlichungen über metallzeitliche Ausgrabungsbefunde in unserem Raum angeschnitten ... zB: Bronzestreif am Horizont, S. 85ff, J. Hempel u. A. Nehen, Die eisenzeitlichen Siedlungsplätze von Pulheim-Brauweiler und Pulheim-Sinthern, Neuss 2007

:winke:
Gerd

Silex

Hier mal ein Resümee zu einer österreichischen Metallzeitfundstelle mit zuordenbaren Silexartefakten:

Die Silexartefakte der Grabungen 1976-1990, der Sammlung Nischer und Dober 1 sowie der Grabungen Mitscha vom Oberleiserberg - Resümee

Von Monika Derndarsky


"In dieser Studie wurden die Silices aus den Sammlungen Nischer (86 Silices) und Dober 1 (19 Silices), der Grabungen Mitscha 1925-29 sowie der Grabungen 1976-1990 (25 Silices), d.h. insgesamt 143 Stück, untersucht. Die Sammlung Dober 1 spiegelt eine sehr bewusste Auswahl der Artefakte wider, da der Großteil der Artefakte (ca. 79%) retuschiert ist, während von den Artefakten der Grabungen und der Sammlung Nischer nur 35-55% retuschiert sind, was allerdings auch ein zu hoher Anteil für ein "unsortiertes Material" zu sein scheint. Nur sechsArtefakte der Grabungen 1976-90 sind bronzezeitlichen Befunden zuordenbar, wobei fünf aus urnenfelderzeitlichen Befunden stammen und ein einziges aus der Frühbronzezeit. Die übrigen Artefakte sind aufgrund der Befunde nicht datierbar.

Beim Rohmaterial der Silexartefakte überwiegt blaugrauer bis weißgrauer, opaker, nicht allzu feinkörniger Hornstein vom Krumlovský Les Typ (76 Artefakte). Dazu kommen weitere graue Hornsteine, die möglicherweise auch aus dem gleichen Gebiet stammen, sowie fünf Artefakte aus siliziumreicher Brekzie. Das letztgenannte Rohmaterial wurde in der Frühbronzezeit im Gebiet von Krumlovský Les abgebaut (Oliva et al. 1999). Ansonsten sind von den Hornsteinen nur hellgraue (9 Artefakte) und braune (7 Artefakte), leicht durchscheinende Stücke abgrenzbar, die sich auch von den Maßen und von Typen her von den Artefakten aus Krumlovský Les Hornstein unterscheiden. Daneben treten sechs Artefakte aus roten und grünen Radioriten auf. Vereinzelt kommen auch Chalzedon-, Obsidian-, Quarz- und Quarzitartefakte vor.

Die meisten Artefakte sind nicht vollständig erhalten. Abschläge überwiegen, Klingen treten seltener auf, und nur 2 Lamellen aus Obsidian sind vorhanden. Kerne, Kernkanten und Kernscheiben sind äußerst selten. Auffällig ist, dass diese aus selteneren Rohmaterialien bestehen, während bei den dominierenden blau- bis weißgrauen Hornsteinen Kerne und Kernkanten fehlen. Bei den Maßen zeigt sich, dass die Abschläge aus hellgrauen und braunen durchscheinenden Hornsteinen schmäler sind als die aus blau- bis weißgrauen Hornsteinen.

Unter den Gerätetypen finden sich vor allem Artefakte mit einer fein gezähnten (27 Artefakte) oder einer bifacial retuschierten Kante (11 Artefakte). Diese Typen treten im Spätneolithikum und in der Frühbronzezeit auf. Dazu kommen 16 Kratzer. Neben 4 bifacial retuschierten Pfeilspitzen mit geraden Kanten und stark eingezogener Basis und 6 kantenretuschierten Stücken treten Endretuschen und Stichel vereinzelt auf. Sichelglanz ist fast ausschließlich auf den Artefakten mit einer fein gezähnten oder bifacial retuschierten Kante zu finden, und fast alle derart retuschierten Artefakte weisen Sichelglanz auf.

Das Fundmaterial wirkt in Bezug auf Rohmaterial, Typen und die relativ große Breite der Artefakte großteils ziemlich einheitlich und entspricht den frühbronzezeitlichen Funden in Mähren (vgl. Oliva 2003). Aus der Art fallende Typen (z.B. Stichel), schmale Klingen, Lamellen und Lamellenkerne aus seltenen Rohmaterialien können, müssen aber nicht aus anderen Perioden stammen, z.B. aus dem Mittelneolithikum (vgl. die vereinzelten Funde mittelneolithischer Keramik). Die Silexfunde aus urnenfelderzeitlichen Befunden deuten auch auf eine (Wieder-)Verwendung von Silexartefakten in der Spätbronzezeit hin. Es ist bekannt, daß in dieser Zeit Silexartefakte produziert und verwendet wurden (vgl. z.B. Lech & Piotrowska 1997; Nagy 1999), aufgrund der wenigen zuordenbaren Funde ist es jedoch am Oberleiserberg vorläufig nicht möglich, eine Silexindustrie in der Urnenfelderzeit nachzuweisen.


Zitierte Literatur

LECH, J. & PIOTROWSKA, D. (Hrsg.) 1997: Z badan nad krzemienarstwem epoki brazu i wczesnej epoki zelaza (Studies of Flint-Mining and Flint-Working in the Bronze and Early Iron Ages), Proceedings of the flint symposium held in Warsaw 20.-22. October 1994.

NAGY, G. 1999: Ürschhausen-Horn, Keramik und Kleinfunde der spätestbronzezeitlichen Siedlung, Forschungen im Seebachtal 2, Archäologie im Thurgau 6, Veröffentlichungen des Amtes für Archäologie des Kantons Thurgau, Frauenfeld. OLIVA, M. 2003: O nezanedbatelnosti neocekávatelného: stípané industrie starsi doby bronzové na Moravê (On the significance of the unanticipatable: chipped industries of the Early Bronze Age in Moravia), Archeologické rozhledy 55, 10-46.

OLIVA, M., NERUDA, P. & PRICHYSTAL, A. 1999: Paradoxy têzby a distribuce rohovce z Krumlovského lesa (Paradox in the excavation and product distribution of the Krumlov forest chert), Památky archeologické 90, 229-318.
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

rolfpeter

Servus,
ähnliches wie es der Edi zitiert, ist mein Kenntnisstand auch. Es scheint sich teilweise um "Recyclingindustrien" gehandelt zu haben. Bei Ausgrabungen in Hambach wurden in eisenzeitlichen Gruben Silexbeilklingen gefunden Ich vermute, daß sie ähnlich wie von uns Sammlern heute auch schon damals aufgelesen wurden und als Rohstoff für Feuerschläger, Klingen usw. genutzt wurden.
HG
RP
Der Irrtum strömt, die Wahrheit sickert