Anfangsverdacht auf Querschneider

Begonnen von Steinkopf, 21. Februar 2015, 19:59:50

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Steinkopf

Hallo,

nachdem die Wildschweine einen schon begrünten Acker wieder 'renaturiert' haben,
konnte ich einige Artefakte bergen.

Bei einem einem zunächst unscheinbaren Abschlag entdeckte ich zu Hause, dass die
Seite zur Schlagfläche, zum Bulbus hin, mit recht aufwendiger Retusche stumpf/steil
begradigt wurde.

Es gibt sie, diese Stücke, die nur eine laterale Retusche haben.
Einige Typologien gehen hier auch von (querschneidigen) Pfeilschneiden aus.

Anzumerken bleibt noch, das dieses Stück aus einer sehr glänzenden Flint-Variante ist.
Ich erinnere mich zwei weitere Fundstücke, deren Material in Textur und Glätte(Glanz
sehr ähnlich waren.

Abmessungen: 32mm und 22mm jeweils größte Länge und Breite.

LG

Jan

StoneMan

Zitat von: Steinkopf in 21. Februar 2015, 19:59:50
...
Es gibt sie, diese Stücke, die nur eine laterale Retusche haben.
Einige Typologien gehen hier auch von (querschneidigen) Pfeilschneiden aus.

...
Moin Jan,

dem Zitierten kann ich folgen.

Das Ding da oben macht es ohne weitere "typische" Merkmale nicht leicht per Foto zu vermitteln.
Liegt die retuschierte Kante auf den Bild 6484 in der Mitte?

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Steinkopf

OK, Jürgen, hier sind weitere Bilder, die die retuschierte Kante,
bei der die Schlagfläche und der Bulbus entfernt wurde, zeigt.

So ist dieses Fundstück hoffentlich besser zu erkennen.

LG

Jan

StoneMan

Zitat von: Steinkopf in 21. Februar 2015, 21:42:07
...
bei der die Schlagfläche und der Bulbus entfernt wurde, zeigt.
...
Danke Jan, dann habe ich zwar richtig gesehen, aber nun sehe ich mehr  :glotz:

Bis neulich

Jürgen

Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

thovalo

#4
Zitat von: Steinkopf in 21. Februar 2015, 19:59:50
Hallo,

nachdem die Wildschweine einen schon begrünten Acker wieder 'renaturiert' haben,
konnte ich einige Artefakte bergen.

Bei einem einem zunächst unscheinbaren Abschlag entdeckte ich zu Hause, dass die
Seite zur Schlagfläche, zum Bulbus hin, mit recht aufwendiger Retusche stumpf/steil
begradigt wurde.

Es gibt sie, diese Stücke, die nur eine laterale Retusche haben.
Einige Typologien gehen hier auch von (querschneidigen) Pfeilschneiden aus.

Anzumerken bleibt noch, das dieses Stück aus einer sehr glänzenden Flint-Variante ist.
Ich erinnere mich zwei weitere Fundstücke, deren Material in Textur und Glätte(Glanz
sehr ähnlich waren.

Abmessungen: 32mm und 22mm jeweils größte Länge und Breite.

LG

Jan



Das ist recht sicher das Trümmerstück einer Querschneide!
Die Schneidenpartie ist ausgebrochen, die Gegenseite besteht durchgehend nur aus zersplittertem Bruch.

QuerschneideR wäre der Wortbildung nach ein Gerät zum quer schneiden.
Gemeint ist aber ein Projektil mit einer quer stehende Schneide, eine "Querschneide".
Denn es ist DIE Schneide die in der Wortbildung betont wird, also feminin E und nicht maskulin R.

In der Archäologie gibt es eine wahre babylonische Sprachverwirrung aufgrund alt tradierter Ansprachen und regionaler Gewohnheiten.

Per se muss ein Querschneide zwei gegenständige retuschierte Laterale und eine nicht retuschierte Schneidenpartie aufweisen.
Auch das wird mal strenger und mal lascher gehandhabt.

Ein typologisch klar definierbarer Beleg erfordert den sicheren Nachweis von beidseitigen Retuschen!
Hier liegt es nahe zu vermuten, dass man das Stück in einer gedachten Rekonstruktion entsprechend ergänzen kann.

Aufgeweicht wird die Definition durch meist "nordische" Autoren, die die Funkton in den Vordergrund stellen. Doch dann bräuchte es gar keine Retuschen, denn ein Silexstück mit einer quer gestellten Schneide und zwei Bruchkanten könnte man ebenso problemlos verschießen!


Wenn man sich an typologischen Vorgaben der handwerklichen Merkmale orientieren möchte, dann sollten es zwei retuschierte Seiten geben.

Auch eine zutreffende Ansprache wäre die einer "Pfeilschneide" (heisst dann ja auch nicht "PfeilschneideR" !), da die kurze Schneide als Projektil in einen Pfeil eingesetzt werden konnte und nach archäologischen Funden und Befunden auch so verwendet worden ist.


Sorry: es geht mir nicht um´s klug scheissen, sondern es ärgert mich wie schnell in einem wissenschaftlichen Fach auch durch Fachautoren klare Definitionen verschliffen werden.
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Steinkopf

#5
Nach diesem Exkurs zur Typologie würde ich gern zum Fundstück zurückkommen.

Es ist ein Abschlag. An seiner dicksten Seite (Schlagbuckel/Bulbus) wurde gearbeitet.
Das 2. Foto zeigt, wie hier durch Abdrücke von beiden Seiten eine gerade Kante retuschiert wurde.

Warum diese Mühe an einem Abschlag?
Hat der Bearbeiter in diesem Abschlag das Potential für eine 'Pfeilbewehrung' gesehen?
Ist es vielleicht eine begonnene und verworfene Arbeit?
Auch solche Stücke verdienen Beachtung. Wie auch immer sie denn dann im Fundbericht untergebracht werden.

LG

Jan

Siebenpapagei

Hallo zusammen,

irgendwas stimmt an der Retusche nicht! :kopfkratz:

Ich meine, dass es sich nicht unbedingt um eine Retusche zur Formgebung handeln muss.
Die Retusche wirkt eher wie abgenutzt, so als wenn es sich um eine Arbeitsretusche handelt.
Die feinen Ausbrüche deuten meiner Meinung nach eher auf eine mechanische Abnutzung hin.
Wenn der Flint stark glänzt, könnte es sich auch um Sichelglanz (Lackglanz) handeln.

Die angegebenen Maße des Fundstückes scheinen mir auch für einen Querschneider zu groß.

Zum entrinden von Haseltrieben aus denen ich Pfeilschäfte mache, hat sich bei mir ein Abschlag mit steiler Kante bewährt.
Am liebsten nehme ich einen Abschlag mit steiler Bruchkante. Eine steile Retusche würde sich auch eignen.
Nur als Idee.

Viele Grüße

Ralf


StoneMan

Zitat von: Siebenpapagei in 23. Februar 2015, 21:37:38
...
Die angegebenen Maße des Fundstückes scheinen mir auch für einen Querschneider zu groß.
....
Nur als Idee.

Viele Grüße

Ralf
Moin,

lieber Ralf, das weißt Du besser, dass die Maße 32 x 22 mm kein Ausschlusskriterium
für querschneidige Pfeilköpfe ist.

Hier hattest Du einen gesehen > Klick < 47 x 32,7 x 5 mm

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Steinkopf

#8
@ Thomas

Hallo Thomas,

Deine Ausführungen zum Geschlecht der quer schneidenden Pfeilbewehrungen sind nicht unschlüssig.

Dennoch taucht in der Literatur auch der 'Querschneider' auf:

"Bei einem Querschneider handelt es sich nach Lübke (2000, 208)
um ein Objekt mit ,,[...]symmetrische trapezoide Formen mit schwach
Konkav oder gerade retuschierten Schenkeln [...]". Es kann auch der Fall
eintreten, dass nur ein Schenkel retuschiert ist oder die Schenkel sicher
intentionell gebrochen sind (Nachweisbarkeit schwierig), wobei
die Ansprache beibehalten wird."

Auf diese Quelle stieß ich im Thread von Paläo (Der ganz normale Wahnsinn!)
     AG Steine – Definitionen zum Silexmaterial des Neolithikums in Norddeutschland
     von Moritz Mennenga, Anja Behrens, Martin Hinz, Franziska Hage, Anselm Drafehn, Jan Piet Brozio, Hauke Dibbern
     im Journal of Neolithic Archaeology   October, 15th, 2013 doi 10.12766/jna.2013.003

Das Problem beginnt mit der 'Pfeilspitze' in unserer Sprache.
Bei der quer schneidigen Pfeilbewehrung passt die Spitze nicht so recht - Pfeilschneide würde passen.
Wird das Teil zur Querschneide oder zum Querschneider taucht das Genderproblem auf.

Schöne Grüße

Jan


thovalo


Soisses,
fachbabylonisches Sprachgewirr!


Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.