Wer verliert denn seine Petschaft???

Begonnen von barockschmiede, 29. Mai 2010, 12:27:50

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barockschmiede

Bei diesen vielen gezeigten Petschaften stellt sich mir die Frage wer sowas in diesen Massen verloren hat. Dies dürfte doch ein herber Verlust gewesen sein, oder? Sollen das etwa auch alles Fäkalienfunde sein? Die wurden doch bestimmt nicht so einfach in der Hosentasche getragen um dann beim Gang aufs Klo verloren zu werden. :kopfkratz:

Gruss Jan

Markgraf

Hi.
Meiner Meinung nach wurden die Petschaften tatsächlich nach dem Tod des Besitzers weggeworfen. Oder zerbrochen, meist wenn es sich um eine höhergestellte Person gehandelt hat (siehe Bild). In den seltensten Fällen wurde sie glaube ich verloren. Sonst würde man ja auch mehr Petschaften von den öffentlichen Institutionen wie Städte, Kirchen etc. finden. 
Gruß marchio :winke:

platinrubel

das mit dem verlieren passiert ja in den unmöglichsten varianten.
eine petschaft sollte früher ja doch ein leben lang halten, deswegen wurden die ja auch so stabil gebaut.

eine erklärung kann ich dir noch geben:
früher wurden viele geschäfte unter freiem himmel, zum beispiel auf dem örtlichen marktplatz oder dem rathausplatz erledigt.
da man ja weiss wie der zustand der strassen und platze war, kann man sich leicht vorstellen, das so eine kleine petschaft schnell im dreck verschwunden war.

wurde der marktplatz dann gefegt, flog die petschaft mit dem kehrricht auf den abladeplatz/ in ergo aufs feld.
gruss platin
Ich warte immer noch auf meine erste Goldmünze!!!

barockschmiede

Ok, das ist einleuchtend. Danke.

Jan

Bedaius

hi,
habe einen schönen mittelalterlichen gefunden der eindeutig mit Meißel zertrennt wurde, erhalten noch ca 50 %.
Nicht das Gerät ist entscheidend sondern der Platz und Können.
Tesoro Tejon.
Danke meiner Lieben Frau für Ihre Geduld .
Viel Glück !

stratocaster

Ein Siegelstempel war im ausgehenden Mittelalter ein so bedeutender Gegenstand,
dass er, wenn ein Mensch am Galgen sein Leben lassen musste, symbolisch
gleich mit aufgehängt wurde, siehe Bild.
Ob der Siegelstempel dann vorher "entwertet" wurde oder nicht, weiß ich nicht.
Insofern könnte man in der Umgebung alter "Galgenberge" durchaus Siegelstempel finden.

Gruß  :winke:

PS: Das Bild ist aus
Siedler, Deutsche Geschichte
H. Schilling: Aufbruch und Krise, Deutschland 1517 - 1648
1994, Wolf Jobst Siedler Verlag GmbH, Berlin, ISBN 3-88680-500-X
Das Sucherforum dankt all denen,
die zum Thema nichts beitragen konnten
und dennoch geschwiegen haben !

Markgraf

Also, ich habe bei den meisten Petschaften die ich gefunden habe den damaligen Besitzer ermitteln können. Und daher kann ich es mir kaum vorstellen dass diese alle verloren wurden.
:winke:

chabbs

Also verlieren oder nicht... eine spannende Frage. Normalerweise war das Siegel schon speziell gesichtert, vor allem im MA in Schachteln oder Boxen und wurde selten an der Kleidung getragen.
Man darf auch nicht vergessen, dass eine Person mehrere Siegel haben konnte. Einmal eins fürs öffentliche Amt, ein privates. Oder dass ein neues Typar angefertigt wurde, wenn die Person ihr Amt verändert, aufsteigt oder sich zur Ruhe setzt.

Eine weitere Möglichkeit, die es zu bedenken gilt: vielleicht ist das Siegel auch eine Weile vererbt worden. Anfangs erinnerte man sich noch an die Person, später gehörte es einfach nur noch zum Hausinventar. Und irgendwann in der Neuzeit wusste man da einfach nicht mehr viel mit anzufangen, und es kam unzerstört auf den Mist.


Da gibt es viele Möglichkeiten und die Geschichte der Typare ist auch nicht Linear (Vgl.: Signori, Gabriela; Das Siegel. Stieldorf, Andrea ; Siegelkunde. Ilgen, Theodor; Sphragistik, Heraldik, deutsche Münzgeschichte. ), d.h. heißt ein Siegel, ein Petschaft/Typar hatte nicht zu allen Zeiten und in allen Gegenden die selbe Bedeutung.


barockschmiede

Danke Euch für die ausführlichen Erläuterungen, das bringt Licht ins Dunkel. Ich konnte es mir schwer vorstellen das die Teile alle verloren gegangen sein sollen. Das die Petschaften bei Tod vernichtet wurden ist ja eigentlich heute noch gleichzusetzen mit dem entwerten des Personalausweises oder der EC Karte. Besonders interessant finde ich die Deutung von Stratocaster das die Siegel mitgehängt wurden um wirklich alles wichtige der Person auszulöschen. Obwohl dieser Teil der Siegel nur einen geringen Teil der gefundenen Siegel darstellen dürfte, oder?
So wie es Chabbs beschreibt wird es wohl zum grössten Teil gewesen sein und würde die Masse bei den Ackerfunden erklären. Also doch Fäkalienfunde, nur nicht beim Toilettengang verloren, sondern eher entsorgt. Danke für Eure Mühe.

Gruss Jan