Was war hier los?

Begonnen von Schuhnagel, 25. September 2010, 15:38:03

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Schuhnagel

Der Fuss der Felswand ist auf etwa 30m Länge verrusst.
Da die Stelle auf meinem Grundstück liegt, habe ich mir erlaubt, mit der Schaufel den Boden an einer Stelle zu schädigen und Asche, Russ und Knochensplitter gefunden, meine Missetat aber dem archäologischen Dienst gemeldet. Metalle fehlen vollständig.
Kann sich jemand einen Reim darauf machen oder wenigstens meine Gedanken in die richtige Richtung lenken?
Viele Grüsse vom Schuhnagel

Schuhnagel

Hier noch die übrigen Bilder. Hoffentlich klappt es diesmal.

Schuhnagel

Hallo,
na ja, vielleicht habe etwas wenig Informationen mitgegebe. Nur, was ich zu erzählen habe, zeugt eher von meinem Nichtwissen als von meinem Wissen. Z.B. weiss ich nicht, wie lange sich Russ an einer trockenen Felswand hält.
Zur Lokalität: Schlecht zugänlicher Ort, Moor unterhalb des Wandfusses, als Wohnraum eher ungeeignet weil Nordexposition. Ein Versteck? Dann wäre nur an ein oder zwei Stellen Feuer gemacht worden. Ein Kultort? Keine Scherben.
Unter einer Ascheschicht war eine Russschicht von etwa 15cm Dicke. Was ich erwartet aber nicht gefunden habe, sind Stücke verkohlten Holzes, und wie schon gesagt, kein Metall. Nicht einen Schuhnagel.
Die Knochensplitter zeigen weder Kratz- noch Schnittspuren. Und warum sind die Knochen fast alle zersplittert? was ist zufällig da und was steht im Zusammenhang mit der Feuerstelle?
Vielleicht wurde etwas verhüttet? Aber was?  Ein Kalkofen? Ungünstige Stelle und kaum Kalkreste. Kohlemeiler sehen anders aus.

StoneMan

Moin,

drehe doch mal das rechte Teil um (oberes Bild) - danke.

Was hat denn der archäologischen Dienst gesagt?


Gtoot

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

Heinz-Karl

Hallo,
denke mal ein steinzeitlicher Jagdplatz.
http://de.wikipedia.org/wiki/Abri
Gruß, Heinz

Schuhnagel

Hallo, danke für eure Antworten.

@Jürgen
Der Splitter ist ca 4mm dick und sattelförmig gebogen (Unterseite konvex). Am Felsen ist eine Quarzader(?). Stammt wohl von dort.

Der Archäologische Dienst sagt, er werde sich die Balm bestimmt anschauen. Aber das kann dauern;)

@Heinz
Daran hatte ich auch gedacht. Steinzeitliche Rastplätze kommen in der Gegend vor, sind aber höher gelegen und nach Süden ausgerichtet. Selber kenne ich 2 solche Stellen, die den Forschern bis jetzt wohl entgangen sind. Ich werde mich dort einmal umsehen. Ohne Schaufel und Sieb.

Nachdem ich versucht hatte, die Fakten auszubreiten, ist mir etwas eingefallen: Möglicherweise wurde hier während der Lebensmittelrationierung (Weltkriege) Fleisch geräuchert, um den Schwarzhandel zu bedienen. Dabei wären Knochensplitter ins Brennmaterial gelangt. Als Brennmaterial wird beim Räuchern Sägemehl verwendet (von dem ich noch Spuren finden müsste). Das würde erklären, warum grössere Kohlestücke fehlen.

Das würde natürlich den Besuch der Balm während der Steinzeit nicht ausschliessen.


werter47

Hi Schuhnagel,
finde beide Varianten interessant,solche Rast,Schlacht,Räucher,Übernachtungsplätze wurden ja meist sporadisch,saisonal,aber über längere Zeiträume benutzt,daher oft dicke Kulturschichten mit unterschiedlicher Zeitstellung.Was hier fehlt,sind Großsäugerknochen/Geweihreste,die abgebildeten Knochen erinnern so ein bissel an Marschverpflegung (bis ca 30 kg Spanferkel)
Gruß Günter

Schuhnagel

Hallo Günter,
mit meiner Graberei bin ich wohl erst in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts angekommen;-)
Ich habe mir soeben Bildertafeln von steinzeitlichen Knochenfunden in Höhlen aus meiner Gegend angeschaut: Die Splitter gleichen sich in ihren Umrissen erstaunlich, nur sind sie, je älter, umso verrundeter, was auch schon als Bearbeitung durch den Menschen interpretiert wurde.
Grüsse vom Schuhnagel

Schuhnagel

Ein schönes Feuersteinchen. War es zufällig dort?

Ich hatte mich schon gefreut, Tonscherben gefunden zu haben, bin mir da aber nach genauerer Betrachtung nicht mehr so sicher. Das Stück ist 2cm breit und etwa 7mm dick. Ist es natürlichen Ursprungs?
Nachwievor habe ich keine Ahnung, wozu die ausgedehnte Feuerstelle gedient hat.

Viele Grüsse vom Schuhnagel

Tomcat

Sehr alte, sehr schöne Keramik - meinen Glückwunsch!
Life burns!

Schuhnagel

Hallo Tomcat,
wenn das Keramik ist, dann ist es für mich an jener Stelle das höchste der Gefühle;)

sauhund

Hi Schuhnagel,
ist auf jeden Fall Keramik. Wäre bei mir Spät- oder Endneolithikum, kann auch noch gut Bz sein, aber da sind die geographischen Unterschiede doch recht groß.
Könntest du mehr Aufnahmen  von dem Flint machen? (verschiedene Ansichten) Ich bilde mir da irgendwie Kratzerretuschen ein  :kopfkratz:
Das bläuliche auf dem allerersten Bild könnte Radiolarit sein. Poste die zwei doch mal in der Kathegorie "Steinartefakte" und verlinke das dann mit diesem Threat.
Stelle aber auf jeden Fall sämtliche Graberei dort ein!! :belehr:
Lass das lieber die Profis machen, auch wenn das noch ne Weile dauern sollte.
Gruß
Sau  :dog:

Schuhnagel

Hallo Sauhund, (wie kommst du zu diesem Namen?),

danke für deine Antwort. Jetzt habe ich wenigstens einen handfesten Grund für meinen Versuch, die Profis zu bemühen! In der Wartezeit werde ich mich mit dem Material befassen, das ich schon ausgegraben habe. Ganz in der Nähe gräbt ein Dachs. Vielleicht schaue ich mir noch an, was der so alles aus der Erde geholt hat.

Die Scherben befanden sich leicht ausserhalb des Ueberhanges und könnten heruntergefallen sein.
Oben ist eine dicht bewaldete Terrasse von 30X50m am Abhang , ein wunderbarer Ort, um die Phantasie "durchbrennen" zu lassen.

Den Radiolariten (danke für den Hinweis!) und den Feuerstein halte ich weiterhin für Zufallsprodukte, da ich alles Mögliche an Mineralien gefunden habe, zB dies, Grösse ca 1cm2:




Harkonen

Hallo,
die gezeigte Keramik ist eindeutig als bronzezeitlich einzustufen, da ich davon ausgehe, dass die Fundstelle in Oberbayern liegt.
Das Silexstück scheint ein Abschlag zu sein und die bis jetzt gezeigten Knochen gehörten Tieren die in den letzten 150 Jahre lebten. Die Knochen sehen noch recht frisch aus.
Aus dem Altmühltal sind einige solcher Abris bekannt, die von der Altssteinzeit bis in die Bronzezeit hinein aufgesucht wurden. Teilweise wurden solche Abris auch noch als Opferplätze in der Urnenfelderzeit genutzt.

Gruß
Harkonen

Schuhnagel

Harkonen, vielen Dank für Deine Einschätzung.
Am 11. Okt habe ich einen Termin beim Archäologischen Dienst. Dann werde ich sicher erfahren, was ich alles falsch gemacht habe, hoffe aber auch auf ein paar Informationen, die ich hier weitergeben könnte.
Viele Grüsse vom Schuhnagel

Schuhnagel

Hallo,

vorgestern habe ich die Funde beim Archädienst in Bern CH abgeliefert. Vielleicht interessiert es euch, wie die Dinge dort gehandhabt werden:
Es wird eine Besichtigung der Fundstelle geben, man wird sich mit den Funden auseinandersetze und einen vorläufigen Bericht abfassen.

Was die Scherben betrifft, waren eure Einschätzungen in dem Sinne richtig, dass es sich tatsächlich um Keramik handelt. Zeitlich muss ich mich vorläufig mit "prähistorisch" begnügen. Aber schon das ist für mich in einer Gemeinde, in der bis jetzt ein einziger Fund registriert ist, eine Sensation.

Besprochen haben wir auch die Bedingungen, unter denen ich als Sondengänger mit dem Status "Ehrenamtlich" akzeptiert werden könnte:

1. Ich verfasse ein schriftliches Gesuch und lege meine Projekte vor.
2. Es wird ein Probelauf gemacht und nach etwa einem halben Jahr entschieden, wie es weitergeht.


Viele Grüsse vom Schuhnagel


Harkonen

Hallo Schuhnagel,
Du hast alles richtig gemacht, Klasse. Du  hast für die Erforschung der Heimatgeschichte deines Wohnortes wertvolles geleistet.
Meine Anerkennung hast Du.
Glückwunsch

Gruß
Harkonen

Schuhnagel 2

Inzwischen ist bald ein Jährchen vergangen. Zwar habe ich noch keinen Bericht erhalten, das Abri taucht aber als rotes Quadrat im Archäologischen Inverntar der Gemeinde auf. Die Silex werden provisorisch dem Mesolithikum zugeordnet, die Scherben der Bronzezeit.
Rund 20 ähnliche Stellen, die ich in der Gegend geortet habe, sind im Oktober Ziel einer Begehung.

Viele Grüsse vom Schuhnagel