Tuchplomben

Begonnen von Ruebezahl, 07. April 2003, 17:31:21

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Ruebezahl

Diese Plomben sind eine recht komplizierte Angelegenheit. Grundsätzlich kann man, zwei Arten bei diesen Plomben unterscheiden. Das erste sind Plomben von den Herstellern und weiterbearbeitenden Gewerben (zB. Färber). Diese Plomben zeigen auf der Vorderseite meist Buchstabeninitialen, zum Teil in Fantasiewappen integriert, Monogramme oder Hausmarken.
Auf der Rückseite steht manchmal die Ballennummer (Charge), die Ballenlänge in Ellen und ein Zeichen einer Nachbearbeitung.

Die zweite große Gruppe der Stoffplomben sind die von "Amtswegen". Auf diesen Plomben ist meist ein Stadtwappen, bzw. ein Herrscher wappen dargestellt. Diese Plomben dienten als " Qualitätsnachweis " (das wurde zZ. von den Zünften verwaltet), als Nachweis für abgegebene Steuern oder dafür, daß die Stoffe auf dem Markt angeboten wurden. (In vielen Städten waren die reisenden Kaufleute verpflichtet ihre Waren eine bestimmte Anzahl von Tagen auf dem Markt usw. anzubieten)

Ein Stoffballen hatte als sehr oft mehrere Plomben.

In den meisten Ländern Europas (außer Frankreich) waren lange Zeit die Scheibenplomben am weitesten verbreitet. In Frankreich kamen dagegen schon recht früh Plomben in Umlauf die mit einem Zt. komplizierten Fadensystem befestigt wurden.

Zu den Plomben gibt es leider noch sehr wenig Literatur, was die Bestimmung zT. sehr schwierig bis unmöglich macht. Aber gerade das ist ja das reizvolle an diesen Stücken.
Außerdem kann man an Plombenfunden sehr gut die Warenströme der vergangenen Zeiten nachvollziehen. Also auch wenn es nur "wertloses" Blei ist, die Plomben mitnehmen und dokumentieren !

Hier nur ein paar Beispiele:

Eine "ideale" Tuchplombe:

Auf der Vorderseite:
der Name "W. Vergier Boru..lle"  vom Schrifttyp auf spätes18. Jahrhundert anzusetzen
und sehr gut ist der Stoffabdruck zu erkennen. (ein sehr grobes Gewebe)

Auf der Rückseite:
Die Ballennummer :  337...
Und darunter die Ballenlänge 16  ½  in Ellen (ca. 5,6m)
Durchmesser = 35mm

Typ = Scheibenplombe mit einem Dorn (Herstellerplombe)


[Bearbeitet am 7-4-2003 von Ruebezahl]
Grüße aus Ostfalen
Ruebezahl

"Große Erfolge sind weniger spürbar als persönliche Vorteile"
Napoleon Buonaparte

Ruebezahl

Die Technik der Tuchplomben:

Auf Bild 1 ist der Aufbau der Plomben als zwei oder vier Scheibenplomben dargestellt.
Eine Gussform zum gleichzeitigen Gießen von 4 Plombenrohlingen ist auf Bild 2 dargestellt.
Auf Bild 3 ist eine noch unverschlossene Plombe zusehen. Ich denke oft wurde die Plomben von den Webern selbst nach Bedarf gegossen. Das dürfte einer der Gründe für die vielen Blei-UFO`s sein, die wir auf den Feldern finden.
Grüße aus Ostfalen
Ruebezahl

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Ruebezahl

Von der Hausmarke zu Monogram:
Bei diesen vier Plomben kann man recht gut die Entwicklung von der Hausmarke zum Monogram erkennen. Ganz rechts ein Plombe die nur eine Hausmarke zeigt (ca. 16 Jh.). Die beiden mittleren zeigen die Hausmarke mit eingebetteten Initialen (17Jh.). Nr. 4 Zeigt eine Plombe die nur noch das Firmenmonogram zeigt (18/19Jh.). Hausmarken entstanden ursprünglich aus folgendem Grund: Ein Handwerke wollte seine Produkte (nicht nur Stoffe !) unverwechselbar kennzeichnen. Da aber im 16 und 17 Jh. noch ein großer Teil der Bevölkerung weder lesen und schreiben konnte, wurden Symbole (Striche/Kreise/Dreiecke usw.) benutzt. In die so entstandenen Hausmarken wurden die Anfangsbuchstaben der Namen eingebettet. Am Ende bliebt nur noch das Monogram übrig.
So kann man aus der Entwicklung der Plomben auf den fortschreitenden Bildungsstand der Bevölkerung schließen.

PS
Auf Plombe Nr. 2 ist das "AA4" eine Markierung für eine Nachbearbeitung.
Alle vier Plomben sind "Herstellerplomben".


[Bearbeitet am 8-4-2003 von Ruebezahl]
Grüße aus Ostfalen
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Ruebezahl

Diese beiden Plomben haben zwei Verschlußdorne. Dieses System scheint nicht so weit verbreitet gewesen zu sein. Beide Plomben weisen Jahreszahlen auf, was auch wieder recht selten ist.

Nr. 1 ist eine Tuchplombe (Herstellerplombe) , es ist die Jahreszahl 1718 zu erkennen (die 7 ist verkehrt rum dargestellt)

Nr. 2 ist eine Plombe aus der Stadt Hamburg von 1616. Diese Plombe ist eine der von "Amtswegen" vergebene.
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Ruebezahl

Hier nun 3 offizielle Plomben (von Amtswegen) aus meiner Region.

Nr. 1 ein Tuchplombe aus Braunschweig (16/17 Jahrhundert) Auf der Vorderseite ist ein Löwe dargestellt. Auf der Rückseite ist ein Fragment vom Stadttor zu erkennen. Außerdem ein Stoffabdruck. Das könnte ein offizielle Plombe der Stadt Braunschweig sein.

Nr. 2 ist aus der freien Reichsstadt Goslar. Das Bild ist recht schlecht zu erkennen, aber auf der Vorderseite ist der Adler von Goslar dargestellt, auf der Rückseite Maria mit Kind. Die Plombe stammt wahrscheinlich aus dem 17. Jahrhundert.

Nr. 3 ist nochmals eine Tuchplombe der Stadt Braunschweig. Die Stadtansicht  passt recht gut zu dem Fragment (Rückseite) auf Nr. 1  In der Umschrift ist noch "BRUNSW..... " zu entziffern. Auch diese Plombe gehört ins 16/17 Jahrhundert.
Grüße aus Ostfalen
Ruebezahl

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Ruebezahl

Hier zwei französische Plomben die mit einem Faden an der Ware befestigt waren. Diese Beiden Stücke sind auf das 17. Jahrhundert anzusetzen. In den anderen europäischen Ländern setzt sich diese System erst viel später (ca. 19/20 Jh.) durch. Dann wurde auch Eisendraht für die Verplombung eingesetzt.

Nr. 1 ist eine (Stoff ??)-Plombe aus Lyon (Frankreich) Gut sind die 4 Löcher für den Faden zu erkennen. Auf der Rückseite ist das Lilienwappen zu erkennen.

Nr. 2 ist eine (Stoff / Waren) Plombe aus Nimes. (Wappen Palme und Krokodil). Die Beschriftung lautet "Jean Chaband Laine". Der Name "Chaband" ist heute noch in Nimes recht häufig. In Nimes war im 16 - 18. Jahrhundert ein Zentrum der Seidenverarbeitung. Ich denke, daß die Plombe evtl. von Seidenstrümpfen stammt.
Grüße aus Ostfalen
Ruebezahl

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Ruebezahl

Als letztes noch Plomben, die ein Stadtwappen tragen. Trotzdem können diese Stücke auch "Herstellerplomben" sein, da auf den Rückseiten z.T. Monogrammen bzw. Stoffangaben sind.

Nr. 1 und 2 sind Plomben aus Augsburg. Nr. 2 zeigt auf der Rückseite eine Mischung zwischen Monogram und Hausmarke. Nr. 1 Fragmente davon.
In Augsburg waren ja auch die Fugger präsent. Ob sie auch den Pinienzapfen verwendeten habe ich noch nicht recherchieren können. (18. Jh)

Nr. 3 ist eine Tuchplombe aus Mühlhausen im Elsass. Auf der Rückseite wieder die Ballennummer und die Stofflänge.

So, das wars erst mal über die Tuchplomben. Wäre schön auch mal eure Funde zu sehen !
Grüße aus Ostfalen
Ruebezahl

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wasp

wunderschöne stücke dabei,wenn man bedenkt wie alt sie sind.
gruß
wasp

Michael

Hallo Ruebezahl!
Hier mal die Tuchplombe die ich auf dem letzten Schwenkfest gefunden habe!:prost: Leider soll es dieses Jahr kein Schwenkfest geben:heul:
        GugF Michael, der mit dem C-Scope 1220 XD sucht

Michael

Zweite Ansicht!




GugF Michael
        GugF Michael, der mit dem C-Scope 1220 XD sucht

Ruebezahl

Hi Michael,
auch ein schönes Stück. :super:
Auf Grund der Gestaltung des Siegels mit einer Umschrift (wie bei Münzen) würde ich die Plombe als eine "von Amtswegen" einordnen.
Die Datierung ist korrekt.
Der Stoff scheint ein gutes Tuch zu sein. Wenn man die Fäden pro cm auszählen kann, gibt das Hinweise auf den Stoff. Irgendwo war dazu auch mal eine Seite im Netz. Ich finde sie aber nicht mehr. :heul:
Grüße aus Ostfalen
Ruebezahl

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Tomcat

Klasse Doku , Rübezahl !

Wie war das mit dem Museum noch gleich ?:-D

mfg
Tct
Life burns!

Ruebezahl

Welches Museum ? :platt::icon_eek::-D

Gibts auch auf meiner HP zu sehen:
http://free.pages.at/ruebezahl/plomben.htm
Grüße aus Ostfalen
Ruebezahl

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Napoleon Buonaparte

Tomcat

 :icon_eek: Sehr schön !!
Solche gut aufgeräumten , übersichtlichen und reich bebilderten Systematiken liebe ich !!

merci dafür !
Tomcat
Life burns!

Michael

        GugF Michael, der mit dem C-Scope 1220 XD sucht

Ruebezahl

Danke :hallo: War mir noch nicht bekannt.
Grüße aus Ostfalen
Ruebezahl

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Ruebezahl

@Michael
Hab mir das Buch ausgeliehen War ein guter Tip ! :super:
Neben dem Artikel über Plomben sind dem Buch sehr interessante Aufsätze über im MA bekannte Technologien wie:
Bauwesen
Metallhandwerke
Kriegstechnik
Buchherstellung
Haustechnik
und vieles mehr.
Bin erstaunt was die schon alles konnten und wußten. Lesenswert !!! :-)
Grüße aus Ostfalen
Ruebezahl

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