Fossile Muschel ..... Tauschgut im Neolithikum?

Begonnen von thovalo, 10. Dezember 2010, 21:38:20

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thovalo

 :-)

Mein zentrales Arbeits- und Suchgebiet beschränkt sich seit 2003 auf einen 70 Hektar großen neolithischen Siedlungskomplex der unmittelbar am Niederrhein liegt.

Hier hat nachweislich seit dem 1. Jh. v Chr. Geburt eine Furt bestanden über die ein Fernweg über Land zwischen Westen und Osten vermittelt hat. Dieser Weg geht, dem Eindruck der Fundbelege die sich auf ihn und die Lage der Furt konzentrieren zufolge, bis weit in urgeschichtliche Zeit zurück.

Nun befindet sich der Platz in einer für die Erfordernisse der Zeit bemerkenswerten geografischen und ökonomischen  Lage, nämlich zwischen der Rheinischen Bucht mit der hoch beeindruckenden neolithischen Siedlungskammer auf Lössböden und dem Lousberg, den Niederlanden und Belgien mit den wichtigen Feuersteinlagerstätten und den Salzvorkommen in der Soester Börde. Also so eine Art "Zwischenposten".

Im Verlauf der Jahre seit der Kartierung und intensiven Prospektion ergeben sich zunehmend auch besondere Aspekte zu ökonomischen Besonderheiten der Lage des Ortes. Dazu gehört auch das Vorkommen einer fossilen Muschelbank ......  (tertiärzeitlich nehme ich mal an)

Aus diesem Vorkommen habe ich hier einen Fundbeleg fotografiert und würde Euch bitten zu versuchen die Art, wenn so noch möglich, näher einzuschätzen ..... der Form nach dürfte sie zur Gattung "Cardium" gehören ....

Fossile und rezente Muschelschalen waren zur Zeit der neolithischen Siedlungsaktivitäten am Ort in vielen Befundzusammenhängen anderswo vertreten, .... nur die aus den fossilen Vorkommen am Ort selber kommen hier bislang  ... NICHT vor ... Das spricht bislang aber nicht dagegen, dass dieses Vorkommen vielleicht zum Tausch genutzt worden ist ..... vorausgesetzt die Menschen der Zeit hatten Kenntnis und Zugang zu dieser Stelle.

Kurios ist dabei, dass es auf dem neolithischen Siedlungshügel am Ort zwar Belege von Muschelschalen der Gattung "Cardium" gibt. Diese sind am Senckenbergmuseum in Frankfurt allerdings überraschend der rezenten Art "Cardium tuberculata" aus dem Vorkommen im Mittelmeer zugeordnet wurden.....

Beim letzten Tiefstand des Rheins sind im Bereich der Muschelbank auch noch fossile Knochen (wohl Bovide und Cervide) aufgetreten, die noch am Düsseldorfer Löbbecke-Museum vorgelegt werden müssen (mein bisheriger Ansprechpartner dort, ein profunder Kenner der Niederrheinischen Geologie und Paläontologie vor dem Herrn, ist leider pensioniert).


Vielleicht kann ja Jemand bei der Ansprache der Muschelschale helfen!

Vielen Dank!!!   :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

steinwanderer

Moin Thomas,
Wie es aussieht ist dies auch eine rezente Muschelschale aus dem mediteranen Raum.
Ist das Loch durch einen Bruch entstanden oder ist die Spitze abgearbeitet worden.
Gruß Klaus
Lewer duad üs Slav

werter47

#2
Hi Thovalo,
im Steinkern gibt es Muschelspezialisten,die das zu klären versuchen könnten.Vorab,die Herzmuscheln gibt es seit dem Trias und sind recht formstabil,wird also schwer.Falls Du dort Bilder zur Bestimmung einstellen möchtest bitte :
1, Maßstab beifügen
2,eine recht und ein linke Muschelschale von der Schloßseite ablichten,möglichst unbeschädigtes Schloß,daran sind die wichtigsten Artmerkmale !
3,bitte versuchen im Bild mehr Muschel,weniger Unterlage zeigen.
Da die Cardium in jedem Fall ein Salzwasserbewohner war, sind weitere Fossilien aus dieser Schicht zur Bestimmung hilfreich.(nicht die Rinder und Hirsche,die gehören wohl nicht ins Meer) Wenn möglich auch ein Handstück mit Fossilien zeigen.
Gruß Günter

StoneMan

Zitat von: steinwanderer in 10. Dezember 2010, 22:45:01
Moin Thomas,
Wie es aussieht ist dies auch eine rezente Muschelschale aus dem mediteranen Raum.
Ist das Loch durch einen Bruch entstanden oder ist die Spitze abgearbeitet worden.Gruß Klau
Muscheln mit derartigen Löchern  :glotz: finde ich zu Hauf am Strand in Egmond aan Zee  :winke:

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

werter47

#4
Hi
ja,
das ist natürliche Aufarbeitung des Muschelschills in der Spülsaumzone.Sieht eigenartig aus,daß die kreisrunden ,wie "handgearbeiteten" Löcher an der dicksten Stelle des Schlosses entstehen.Das hat auch mal einer wissenschaftlich beschrieben.(aber wo?) Ist aber ausschließlich Natur.

Hi Thovalo,
wie groß sind die Schalen,lohnt es sich zum Essen?Gibt es an dem Fundpunkt Kreidefeuerstein = Flint ?

Gruß Günter

thovalo

Uff, viele Fragen!

Das Loch ist dem Eindruck nach eher durch einen Bruch entstanden ....  es gab und gibt allerdings auch Schneckenarten die dort Bohrungen mit ihrer "Raspelzunge" ansetzen, um den "Schließmuskel" der Muschel zu durchtrennen und um so an den Inhalt zu gelangen. Weil diese "Fraßbohrungen" dazu noch konisch ausgeführt sind, lassen sie sich nicht von menschlichen Eingriffen unterscheiden! Praktischer weise lassen sich die "angeschneckten" Muscheln ja auch gleich so auffädeln und als Schmuck verwenden!

Büffel und Hirsch sind dann wohl noch eher die tertiären Vertreter der Fauna hier am Fluss und die Muscheln müssen, logisch, dann doch viel älter sein! Eher aus der Zeit als vor Köln nicht nur zufällig Wale geschwommen sind!

Silex gibt es im weiteren Umfeld nur im Bereich sekundärer Geschiebeablagerungen .....

Ich merke schon ein schwieriges Thema und ich geh lieber nochmal hin zum Sammeln weiterer Belegstücke .... da muss es auch eine fossile Austernbank geben  .....
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Grenzton

Hallo Thomas.

Ich halte Deine Muscheln für fossil.
Die Ausläufer der "braunen Bank" von Cadzand über Antwerpen nach Mill bis an den Niederrhein besteht aus marinen Ablagerungen des Miozän bzw. Pliozän.
Ich denke Deine Funde sind aus irgendeinem Grund aus dem tieferen Untergrung umgelagert.
Ich halte es für durchaus möglich das sich auch noch in Deinem Suchareal fossilreiche Inseln befinden.
Die Löcher entstehen an den immer gleichen Stellen der Klappen weil sie sich zum einen an einer exponierten Lage befinden die während der Bewegung im Sand des Ufersaum als erstes abrasiert werden.
Zum zweiten ist die Klappe an dieser Stelle, weil im juvenilen Stadium entwickelt, am dünnsten, von daher brechen die Löcher an diesen Stellen als erstes durch.
Die Schließmuskelansätze in den Klappen befinden sich seitlich und diie größtmögliche Kraft zu erzeugen. (siehe Abbildung)

Was die Frage der Bohrlöcher von Raubschnecken wie z.B. Natica angeht, sind diese Löcher nicht nur auf diese Bereiche der Klappen beschränkt. Denn sie brauchen nicht erst den Schliessmuskel lahm legen, sondern stoßen einen Rüssel ins vorher gebohrte Loch um von dort aus das Fleisch der Muschel zu verspeisen.
Ich habe viele Belegstücke in meiner Sammlung die das eindrucksvoll belegen.
Darüberhinaus haben diese Schnecken auch andere Schneckengehäuse angebohrt und diese haben ja bekanntlich keine Schließmuskel.


Gruß, der Kalle
Ich möchte schlafend sterben wie mei Opa, und nicht schreiend wie sein Beifahrer!

thovalo

Vielen Dank für Deine kenntnisreiche Ausführung!

Eigentlich ganz schön gruselig diese Art der "Schneckenmahlzeit"!
Lieber keine Muschel sein!

:winke:

Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.