Augenzeugenbericht über die Beschiessung von Mainz 6. Aug. 1793

Begonnen von IVVECVO, 13. Januar 2007, 19:26:37

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IVVECVO

Der Brief liegt im Original vor und ist vermutlich auch nirgends publiziert .

Es wurde vor Jahren bei einem Kontakt mit dem RGZM Mainz diesem eine

Kopie ausgehändigt , jedoch ist unklar ob sie an das Stadtarchiv oder

Stadtbibliothek weitergereicht wurde . Goethe hat über die Belagerung

ja berichtet , aber vielleicht sind dem Brief doch noch neue Details zu

entnehmen .

                     Gruss  Juvencus


klondyke

Hi IVVECVO,

könntest du das mal einscannen und als pdf Datei zum Download anbieten?
Gruß und Gut Fund
klondyke

IVVECVO

#3
Hochedelgeborener,                                                                  Mainz am 6. Aug. 1793
                             Hochgeehrtester Herr Onkel

Endlich nach manchen vergeblichen sehnen und hoffen? kann ich wieder frei atmen, und mich um das Wohl
meiner schätzbarsten Freunde erkundigen. Freilich war es nichts geringes eine solche Belagerung aus Willkühr
auszuhalten; und so mit Bomben und Kugeln beängstigt zu werden, allein jetzo nähme ich nicht vieles Geld,
nicht dagewesen zu sein, und alles mitangesehen zu haben. Fürwahr wäre es höchst notwendig, daß nicht alle
Leute den Mut verloren, und noch mancher in Mainz zurückblieb, sonst wäre ohnfehlbar die ganze Stadt ein Raub
der Flammen geworden. Anfangs des Kugelregens war man freilich verzagt, allein Not und Angst machten sie herz-
haft, und zwar so herzhaft, daß die Leute zu 20 parat? stünden und passten um die Feuerkugeln, sobald selbe ein-
schlügen, zu dämpfen und zwar mit Mist und anderen erstickenden Materialien, denn mit Wasser waren sie nicht zu
löschen, da es meist Pech und anderen Harzen waren. Ohngefähr 40 Häuser wurden eingeäschert welches mehren-
teils Herrschaftshäuser und Kirchen waren. Nur wenige Häuser blieben unbeschädigt. Unser Haus bekam 4 Haubitzen
und 3 Kanonenkugeln, welche aber alle im obern Stock blieben, aber selbigen ganz und gar zu Grund richteten. 4 ganzer
Wochen kam niemand in der Stadt aus den Kleidern, vielweniger ins Bette.- Die erste Haubitze kam in das Quartier der
Generalität, sprang im Hof in viele Stücke schlug den ersten General Deblon, und den ersten General von der Artillerie
tod. Wenigstens sind in der Stadt 200 Franzosen und ungefähr 20 Bürger erschlagen worden. Noch die letzte Woche zündete
eine Feuerkugel das Arbeitslaboratorium an, sprengte ihr Pulver? und bei 300 gefüllte Haubitzen und viele tausend Flinten-
patronen in die Luft, durch diesen Knall bekam die ganze Stadt eine schreckliche Erschütterung und auf den drei Bleichen,
sprangen alle Fenster entzwei, weil diese am nächsten daran waren. Wegen schlechter Nahrung und Mangel und Arzeneien
stürben den Franzosen manche Woche 4 bis 800 Kranke und Verwundete. Den Apothekern nahmen sie alles mit Gewalt hinweg aber
wir wüssten schon 14 Tage zuvor, da wurde alles versteckt und sie fanden in allen Apotheken kaum 14 Tage Arzenei. Nun
muss ich Euere Hochwohlgeborenen doch auch schreiben. Was unsere Nahrungsmittel kosteten. Zuweilen wurde eine alte
dürre Kuh geschlachtet da kostete das Pfund 1 L ? Pferdefleisch 40 XX, Butter die sehr selten war das Pfund 2 f 24 XX,
Milch die Maß 48 XX. Dürre Quetschen das Pfund 30 XX, eine Hand voll Salat 40 XX. 4 Kohlraben 24 XX und dergleichen mehr
eine alte ? 3 f. Hunde und Katzen musste man einsperren, denn die Franzosen fingen sie und fraßen sie für Hasen.
Lieb Onkel schreib mir mündlich von Mannheim, daß ich bei Ihnen außerordentlich? schwarz gemacht worden wäre, und
schlechte Leute gesagt hätten, ich wäre in der Club... Nein! wo ist denn der so vernünftige Herr, der dies so gut gewußt
hat? Diesen Clubmännern geht es toll, alle werden vom Pöbel schrecklich mißhandelt, und jetzt? werden alle ausgehoben und
eingesetzt. Ich gehe bis die Messe aus meiner Stelle und komm auf Mergentheim. Kann ich 8 Tage eher hinweg so bin ich so
frei, und besuche Sie erst so dann will ich vergnügt sein und Ihnen vieles, ja vieles noch erzählen. Sie wissen ja das Römerhaag?
immer mein Lieblingsoft war. Sind denn noch alle gesund? Oh ja. Was macht denn das liebe Mädchen Sophie? Ich freue mich schon
wirklich darauf sie alle umarmen zu können .......? Sie mich allen die mich kennen. Sagen Sie ich wäre kein Clubist, den Namen
will ich nicht. Leben sie wohl, ich habe die Ehre Hochachtungsvoll zu sein.

                   Euer Hochedelgeboren

Schicken Sie diesen Brief lb. Großpapa, denn ich habe Ihm wenig neues geschreiben, da wir sehr viel zu tun haben. Eine ganze
Stadt liegt krank an der Ruhr.


                                            Gehorsamer Neffe
                                             H. Merz


Anmerkung: Gewichte und Währungen wurden mit XX bezeichnet.
Der Autor des Briefes ist der Apothekergehilfe ? Merz aus Mainz.

klondyke

Hmm,einen Scanner hättest aber? Falls ja könntest mir den Scann per mail schicken,den Rest würde ich dann übernehmen.
Gruß und Gut Fund
klondyke

klondyke

Gruß und Gut Fund
klondyke