Frankentag 1936

Begonnen von Sondenmichel, 10. Oktober 2006, 20:26:01

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Sondenmichel

Hey

Dieses arg verwanzte Abzeichen kam gestern aus dem
Acker. Dieser Acker war vermutlich mal Müllplatz für III. Reich
Abzeichen, denn davon habe ich schon etliche innerhalb ein paar Metern gefunden.

Interessant hierzu ist die Geschichte vom Franktentag und dem Hesselberg.

http://www.sonntagsblatt-bayern.de/03/2003_23_05_01.php


Sondenmichel




Becki

hi Michel,

dein Link funzt leider nicht.

Grüßle
Becki

Sondenmichel

Hey

Funktioniert leider nicht mehr. Muss mal guck, ob ich
einen anderen Link herkriege.

Danke für den Hinweis.



Sondenmichel

wogixeco

hier ein bisschen Info dazu  :-)

Symbolik und Sprache des Nationalsozialismus weisen weit hinaus über eine politische Bewegung. Hitler wollte mehr als die Wählerstimmen der Deutschen: Er beanspruchte ihren Glauben, ihre Seele. Das »Dritte Reich« entwickelte detaillierte Gegenkonzepte zu christlichem Denken und zu christlichen Traditionen. Ein wichtiger Baustein dazu war die Entwicklung von eigenen Kultplätzen, an denen sich der neue Glaube zelebrieren ließ. Nürnberg oder München sind als solche Orte gut bekannt. Einen der wichtigsten im ganzen damaligen Deutschen Reich hat die Forschung bis heute übersehen: den Hesselberg.

Nirgendwo anders - abgesehen von den »Führerstädten« und dem Bückeberg bei Hameln, wo alljährlich das »Reichserntedankfest« begangen wurde - liefen so viele Stränge nationalsozialistischer Ideologie zusammen wie hier auf dem einzigen Platz Frankens mit Alpenblick; nirgends wurde mit derart religiöser Inbrunst das »Dritte Reich« hochgejubelt wie hier auf dem inzwischen so benannten »heiligen Berg der Franken«.

Begonnen hatte diese unheilige Genese mit einer Bergwanderung des »Frankenführers« Julius Streicher im Jahr 1925. Der spätere Gaufürst, der sich voller Stolz als »größten Antisemiten aller Zeiten« feiern ließ und dafür 1946 als Hauptkriegsverbrecher hingerichtet wurde, befand sich auf Wiederbelebungstour für die soeben neu zugelassene NSDAP in Westmittelfranken. Vor der Einkehr im Berggasthaus Holzöder labte sich Streicher, begleitet nur von wenigen Freunden, an dem phantastischen Rundblick, den der Berg an schönen Tagen bietet.

Drei Jahre später stand er wieder oben - diesmal auf einem Lastwagen vor einigen hundert Anhängern. Der Theologe Heinz Preiß, 1935 wegen seiner allzu braunen Gesinnung von der bayerischen Landeskirche hinausgeworfen und später wichtigstes Sprachrohr in Sachen »heiliger Berg«, beschrieb den Augenblick später so: »Julius Streicher wollte predigen. Er trat aus dem Bierzelt hinaus ins Freie, und viele hundert Volksgenossen folgten ihm. Sie ließen sich am Berghang nieder. Julius Streicher stieg in den Wagen und sprach.« Man muss kein Theologe sein, um die bestechende Analogie zu den Einleitungssätzen der Bergpredigt zu erkennen (Mt. 5, 1-2).

So richtig hochgepuscht werden konnte der Kult um den vermeintlichen einstigen Sonnwendplatz der alten Germanen, der auch noch in den Bauernkriegen nachweisbar als Versammlungsort aufständischen Landvolkes gedient hatte, allerdings erst nach der Machtübernahme der NSDAP im Jahr 1933. Nun gab es auf dem Hesselberg kein Halten mehr. Aus der braunen Parteikundgebung wurde der »Frankentag«, eine im ganzen Gau Mittelfranken propagierte Versammlung der neuen Volksgemeinschaft, zu dem Jahr für Jahr am Wochenende nach der Sommersonnwende gut 100.000 Menschen auf den Berg zogen.
Den wichtigsten Grundstein für den Kultplatz des Neuen Deutschland hatte Hitler selbst gelegt, als er im Juli 1930 den Hesselberg besucht hatte. Die Protagonisten des »heiligen Berges« legten dem »Führer« flugs auch die Entstehung des edlen Beinamens in den Mund - nach beendeter Rede soll Hitler sich auf dem Heimweg zu Streicher gewandt haben mit den Worten: »Euer Berg ist ein wunderbarer Berg. Euer Berg ist ein heiliger Berg.«

Für Julius Streicher, seit 1933 allgewaltiger »blutiger Zar von Franken«, waren die »Frankentage« die Höhepunkte seines Lebens. Hier oben stand nicht, wie beim Nürnberger Reichsparteitag in seinem Gau, der braune Messias Hitler im Mittelpunkt, sondern er selbst, Julius Streicher, der Prophet des »Führers«, der die gesellschaftliche Weltformel zu verkünden vorgab: »Die Juden sind unser Unglück!« Kaum ein prominenter Nationalsozialist sprach und dachte dabei mit derart religiöser Inbrunst, wie es Streicher tat (siehe nebenstehenden Redetext). Je deutlicher im Laufe der Jahre der überpolitisch-religiöse Anspruch des Nationalsozialismus zu Tage trat, umso mehr gerieten auf dem Hesselberg neben den Juden die Kirchen in das Fadenkreuz von Streichers Agitation. Der Berg wurde zur direkten Konkurrenz für die Kirchen aufgebaut: »Wir sind jetzt viel näher bei Gott, als wenn ihr unten hineingeht in ein dumpfes Haus, wo ihr umgeben seid mit Heiligen, die aus einem anderen Volk kommen...«, rief der »Frankenführer« etwa 1937 seinen begeisterten Zuhörern zu. Unter denen sich, nota bene, auch zu diesem Zeitpunkt noch evangelische Geistliche befanden...

Dass die Botschaft ankam, beweisen zahlreiche Einsendungen bei einem Aufsatzwettbewerb der »Fränkischen Tageszeitung«. Der »Frankentag« verkörperte für viele Volksgenossen den Charakter eines »Gottesdienstes«, Streicher galt ihnen als »gewaltiger Prediger des Christentums der Tat«, wie etwa ein gewisser Friedrich Gspahn aus Nürnberg schrieb. Der »Frankenführer« betrieb mit höchster Energie den Rummel um »seinen« Berg: Die Straßen zum Hesselberg wurden begradigt (was noch heute auffällt), die Bergstraße als »Hermann-Göring-Straße« ausgebaut. Ein drei Meter hoher »Hoheitsadler« grüßte am Ortsausgang von Gerolfingen, ein 20 mal 20 Meter großes Hakenkreuz aus Kalksteinen in der Nähe des Röckinger Steinbruchs. Der Bahnhof Wassertrüdingen wurde massentauglich gemacht. Nicht über das Planungsstadium hinaus kamen dagegen das Julius-Streicher-Mausoleum, konzipiert als kreisrunde Halle mit einem Durchmesser von 120 Metern und Glaskuppel, sowie eine von zehn in ganz Deutschland geplanten Adolf-Hitler-Schulen.
Zum »Frankentag« eröffnete die Reichspost ein Sonderpostamt auf dem Berg und gab Sonderstempel aus. Künstler buhlten in Malwettbewerben um die Gunst des Gauleiters, Komponisten schrieben Hesselbergmusiken für 100 Blechbläser und Orgel, Hobbydichter schmiedeten Verse wie diese: »Sieh, auf des Hesselbergs Höhn / Erstrahlet ein Feuerzeichen. / Sie rufen in fränkische Lande hinein: / Die Nacht muß dem Tage weichen! / Auf, Deutschland, du schönes, du heiliges Land / Erwache zu neuem Leben / Dem Führer, den dir der Höchste gesandt / Ihm folge durch Sterben und Leben.«Der Laienarchäologe Hermann Hornung grub in Streichers Auftrag nach Zeugnissen der germanischen Vergangenheit - und wurde selbstverständlich fündig. SS-Ehrenwachen postierten sich fortan am Grab jener alemannischen Heldenjünglinge, die im germanischen Aufbegehren gegen die römische Besatzungsmacht gefallen waren. Die ungarischen Pfeilspitzen, die in den Skeletten steckten und relativ problemlos ins Jahr 950 hätten datiert werden können, übersah Hornung - oder wollte sie übersehen.

Jeder der im Gau Franken etwas auf sich hielt, hatte an der zweitägigen Veranstaltung teilzunehmen, die - letztmals 1939 - immer nach gleichem Schema ablief: Samstagabend Sonnwendfeier, Sonntagmorgen Tanz- und Sportprogramm, Sonntagnachmittags Massenkundgebung auf der Osterwiese. Redner war meistens Julius Streicher, außerdem Robert Ley, Leiter der Deutschen Arbeitsfront (DAF) und zweimal Hermann Göring, dessen Wort vom »Geschwätz der zänkischen Pfaffen« übrigens einen Protest von Landesbischof Hans Meiser bei Goebbels provozierte.

An die sieben braunen Jahre des Hesselbergs erinnern heute nur noch einige Waldlichtungen und überwachsene Mauerreste. Das hat zwei Ursachen: Das ehrgeizige Bauprogramm der Nazis für den Hesselberg blieb, bedingt durch den Ausbruch des Kriegs, vielfach im Zustand der Planung stecken. Und nach dem Untergang des »Dritten Reiches« machte sich oben mit Landvolkshochschule und Kirchentag die evangelische Kirche breit. Mit durchaus ehrenwerten Motiven übrigens: Der Hesselberg, seit Jahrhunderten ein Identifikationspunkt einer ganzen Region, sollte nicht noch einmal in falsche Hände geraten. Aus dem einstigen Kultplatz der Nazis wurde ein Kristallisationspunkt der bayerischen Lutheraner - auch der Berg wurde entnazifiziert, wie schon die Zeitgenossen formulierten. Dazu gehörte freilich auch, dass man von der braunen Vergangenheit nichts mehr wissen wollte. In Büchern über das »Dritte Reich« sucht man den Hesselberg bislang vergebens.

wogixeco

und hier noch ein guter Link zu der ganzen geschichte des Bergs

http://www.wolfgang-ritter.de/hs/hesselberg01.htm

Sondenmichel

Hey Micha

Danke sehr. :winke:


Sondenmichel