könnte was Besonderes sein---gibts hier Jäger?

Begonnen von Silex, 19. Januar 2008, 21:18:53

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Silex

Heute beim Keramikfizzelaufheben gewahrte ich einen  auffallend oft vorbeientschleunigenden PKW mit Jägerinhalt.
Endlich fasste er Mut und wir kamen ins Gespräch...vor einigen Wochen hatte er auf diesem Acker- beim Hundetraining- etwas aufgehoben was ihm seltsam vorkam.
Es erinnerte ihn an ein Kümmerergwichtl (minderwertig gewachsene "Geweih"abwurfstange eines  Rehbockes/Rotwildes) allerdings habe er so etwas Ähnliches noch nie gesehen....was ihn am meisten verwunderte war jedoch das enorme Gewicht des Teiles. Es wiegt ungefähr so viel wie ein Kieselstein mit ähnlichen Ausmaßen...also ungefähr soviel wie  4 normal gewachsene Rehbockabwurf"stangen".
Und es fühlt sich auch so an wie Stein ....wobei man mit großem Kraftaufwand mit Metallwerkzeug ins Material eindringen kann.
Die Gesamtform erinnert den Mythensuchenwoller an einen Phallus....da  am  Ansatz  2 eindeutige Volumina (untypisch für normale "Stangen") entgegenstrotzen und die länglichen Ausformung aprupt in glatter Endung prangt....nicht ohne vorher durch eine einschneidende Nut  frappant an Vorbilder im Naturreiche zu gemahnen.
Der Acker liefert seit Jahren Vorgeschichte....Silices (Neolithikum) , Mahlsteine...Metallzeiten, Frühmittelalter.
Langer Rede kurzer Sinn.
Kennt ihr sowas? Kann das Gewicht durch Fehlwuchs/Deformation so ansteigen? Oder kann es Mineralisation sein? Kann auf diesem Wege die Nut entstehen?....
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Silex

Amulett hatte ich auch schon gedacht....aber die Nut geht nicht rundum
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Silex

Kann man sagen ob es von einem Rehbock stammt  oder von einem Hirsch?
Der erfahrene Jägersmann (70 plus x) war jedenfalls ratlos

Vielen Dank für jede Einschätzung
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

clemens

Lieber Silex,

ja hier gibt es Jäger ... ich war am Ende meines Studierens sogar einige Zeit am Institut für Wildbiologie und unterrichte seit vielen Jahren die Jungjäger in Ökologie und Wildtierkunde. Lasse mich spintisieren:

Das ist eindeutig ein Abwurf eines Geweihträgers - welcher, das ist mir nicht klar, mir fehlt der Durchmesser der "Petschaft", also der "Bruchstelle".

Ich denke aber es ist von einem Hirschen, jung (wegen der Wölbung und des nicht großen (?) Durchmessers), also Rothirsch oder Sikahirsch oder Damhirsch.

Die Geweihbildung wird von Hormonen angesteuert. Wenn zB ein Rehbock sein Kurzwildbret (Hoden) verliert dann wirft er ab und schiebt ein neues Geweih dass ins gigantische wächst bis es ihm über die Augen hängt und er blind verhungert / verunfallt. Oder wenn en Hirsch auf der linken Seite eine Laufverletzung hat dann ist seine rechte Geweihstange verkümmert. Lungenwurmbefall hinterlässt auch typische Spuren an der Geweihbildung ... langer Rede Kurzer Sinn: ich vermute einen jungen Hirsch mit einer Störung seines Stoffwechsels.

Zur Kerbe: ob da etwa ein Draht / eine Schnur sich bei der Geweihbildung verhedderte? dann hätte das weiche Bastgeweih das umwachsen, und so schaut es auch aus. Eine Kerbe aus menschlicher Hand (es erinnert mich stark an das Ende eines Bogens!) hatte entweder nur rechtwinkelig Sinn oder es gibt noch eine Bearbeitungsspur die den schiefen Winkel erklärt, was ich aber nicht sehe. Somit meine Denkrichtung Schnur / Draht / Liane

Gewicht: Ich kenne Deine geologischen Untergründe nicht, da Du aber logischerweise zumeist in Schwemmland unterwegs bist kann es nicht vor Ort verkieselt sein bzw würde umgebendes Gestein daran kleben. Verkalkung, hm, so porös ist dan nun auch wieder nicht. Ich denke es wird einfach massive Geweigsubstanz (=Knochen) sein, und weil es ganz durchfeutet ist ist es deshalb noch schwerer. Ich glaube auch dass es nicht sehr alt ist, ein paar Jahre maximal. Die Mäuse und Schnecken fressen das einfach zu gerne. Wäre es älter dann wäre er mehr angegriffen, "kalkiger".

Soweit meine ersten Gedanken, werde noch ein paar Bücher wälzen, bin aber fasziniert ob dieses einmaligen Artefaktes. Bist einfach ein Glückskind!

Ich grüße Dich herzlich

Clemens

LITHOS

#4
Holla,
Da kann ein geborener Klugschisser nicht widerstehen...
Beim Rehbock, obwohl ein Hirsch, ist es das Gehörn.
Boa....jetzt gehts mir besser  :engel: :prost:
Waidmannsheil!

PS: Über den Status des Jungjägers kam ich nie hinaus. Bin schon über zehn Jahre jagdberechtigt. Leider ging mir diese Passion abhanden. Vor der Jägerprüfung war ich extrem hitzig.
Ich hoffe, dass mir später mal das Waidwerk wieder wichtig wird.

clemens

Lieber Lithos,
ich komme aus der österreichischen Sprache, Gehörn bezeichnet bei uns den Hauptschmuck der Horntragenden, also Wildschafen und Ziegen wie Gams, Steinbock, Mufflon. Geweihe sind Knochen, werden jährlich abgeworfen und neu gebildet. Wusste nicht dass in Teilen von DE das beim Reh anscheinend anders benannt wird, danke!

Nochwas zum Fund:

Bild 1 zeigt drei Rehabwürfe: der erste lag in einem geschiebereichen Wildbach, zeigt dass nur einige Monate Wasser das Geweih sehr bleichen (Farbe kommt nur vom verfegen!). Das Ding kam also kaum via Gewässer dorthin, weil zwischen den "Knubbeln" (Perlen) noch harz ect klebt, so wie bei Abwurf 2.
Stange 3 zeigt wie bald sie normalerweise von Mäusen attakiert werden ...

Bild 2 zeigt ein Jährlingsgeweih eines Rothirschen. Falls Rothirsch, soll das Bild zeigen das Dein Abwurf von einem wahrsch. Zweijährigen stammt. Im Bildhintergrund eine Petschaft eines ca. 7 Jährigen, das ist dann schon ganz was anderes.

Noch ein Gedanke: Stange scheint etwas "abgenudelt"  - als ob es recht lange in der Tasche herumgetragen wurde. Aber NICHT im Erdreich, die Stange wäre viel poröser.

Beste Grüße!
Clemens

ChristophNRW

Zitat von: LITHOS in 19. Januar 2008, 21:59:38
Holla,
Da kann ein geborener Klugschisser nicht widerstehen...
Beim Rehbock, obwohl ein Hirsch, ist es das Gehörn.
Boa....jetzt gehts mir besser  :engel: :prost:

als Sohn eines Jägers konnte ich mir in der Grundschule nicht verkneifen, meine Lehrerin in dieser Hinsicht zu korrigieren,
was tat die erfahrene Pädagogin:
sie ließ von der Klasse abstimmen, ob sie Recht hätte oder ich...
es kam, wie es kommen musste:
bei nur zwei Gegenstimmen (ich und ein Freund) wurde mit gewaltiger Mehrheit beschlossen, dass der Rehbock ein Geweih haben soll  :nono:
Tout est chaos
Tous mes idéaux : des mots abimés
Je suis d'une géneration désenchantée
(Mylène Farmer - Désenchantée)

LITHOS

Rein logisch, ist es ja auch ein Geweih. Kann es auf Anhieb nicht begründen, vermute aber, dass es damit zusammenhängt, dass Rehwild zum Niederwild gezählt wird.
Nacht!

Silex

Danke! Euch beiden- für die Erste Hilfe-
Ich wabere bisweilen gern in Vermutungen...aber jetzt glaub ich auch nicht mehr dass das Ding  in vorgeschichtliche Zeit datieren könnte.
Das abnorme Gewicht könnte man vielleicht mit der Abschnürung erklären  die (ähnlich wie bei den dichten Jahresringen beim Holz) einen Weitertransport der "Hornbildnersubstanzen" (ungleich zur unbeschädigten Stangenbastschicht ) verhinderte und sie geballt ablagerte.
Aber wie gesagt: es fühlt sich an-
                  fast hart-
                  klingt-
                  schwer....
                                wie Stein
Fundort, hart am Flussufer an ehemaligem Bachzufluss, in moorigem Millieu.
Danke dass man hier so weitschweifige Themen anfragen kann...und immer wieder geballte Kompetenz antrifft.
Macht es gut, Kumpels
Bis bald

Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Silex

Jetzt hab ich die "Petschaft" die Bruchstelle nachgemessen:Durchmesser 26 mm
Weil Clemens das mit dem "Abgewetztsein" erwähnt: Der Jäger sagte mir er habe das Ding letzte Woche gefunden.
Und weil "es" gerade  in meiner Hand schmeichelt - man kann bis auf die Bruchstelle keinerlei Rauhheit erfingern... meiner Meinung nach ist das Ding überschliffen weil kein Knubbel auch nur Zehntelmillimeter über die Nachbarregion herausragt .
Wem kann ich das Ding noch in die Hand geben?
bis bald
Edi

Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Silex

dem Kreisarchäologen hab ichs vorgestern gezeigt und er ist sich sicher dass die Nut von Menschen angebracht wurde um eine Annäherung an die männliche Anatomie zu erreichen.
Auch muss "es"  über lange Zeit getragen , bewetzt, oder "benutzt" worden sein.....weil  die üblichen Oberflächenmerkmale (bis auf die Bruchstelle) stark verrundet, bzw. verschliffen sind
Die Archäologin vom Amt  will es auch sehen.
Näheres später
Edi
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

vole

#11
Zitat von: Silex in 27. Januar 2008, 21:09:31
dem Kreisarchäologen hab ichs vorgestern gezeigt und er ist sich sicher dass die Nut von Menschen angebracht wurde um eine Annäherung an die männliche Anatomie zu erreichen.
Auch muss "es"  über lange Zeit getragen , bewetzt, oder "benutzt" worden sein.....weil  die üblichen Oberflächenmerkmale (bis auf die Bruchstelle) stark verrundet, bzw. verschliffen sind
Die Archäologin vom Amt  will es auch sehen.
Näheres später
Edi

Dildo 4000 B.C.  :jump: :jump:

Der Wikinger


War auch mein erster Gedanke: FALLOS-SYMBOL !!  :-D

KÖNNTE dein absolut wichtigster Fund (unter vielen) sein, Edi !!  :jump:

Glückwunsch !!  :winke: