Frühe Wüstungsanzeiger

Begonnen von Silex, 16. Oktober 2007, 21:41:40

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Silex

Mitten in der Urstromschneise...im heutigen Geäder der Entwässerungsgräben nur dezimeterhoch  im weiten Flachland abgesetzt...fiel mir dieser seltsame Platz aus nicht erklärbaren Gründen auf. Eine kleine Einmündung von der Flurbereinigungsstrasse mit erhöhtem Weganfang der aprupt im Nichts endet ...aber erkennbar , seicht erhöht in den Riesenäckern weitergeradend zu erahnen ist
Ein paar Schritte im Acker und ein sehr alter Mann  kam vorbei- mit einem sehr alten Fahrrad.
In seiner Kinderzeit sei hier ein Weg gewesen...der einzige der nicht versumpfte und fast immer passierbar war.
Er sei jetzt 87 Jahre alt und das Fahrrad 60. Die Flurbereinigung habe alle Hügelchen und Wege und Bäche endgültig verschwinden lassen.
In ein paar Wochen hätte sich hier mehr verändert als  in den 70 Jahren  die er hier schon gelebt hatte...als die PLANER kamen und dann die Vollstrecker mit den PLANierraupen.
Seitdem komm ich öfter hierher. Die Keramik  stammt aus den Metallzeiten (Bronzezeit- Spätlaténezeit)
und aus dem (frühen) Mittelalter.
Hier einige Randscherben vom 7.-9. Jh. (die sind bei uns meist seltener als solche aus früheren Epochen). Die Archäologen haben ein paar Spezialkräfte zu Rate gezogen um die hier vermutlich gewesene Siedlung genauer einzuordnen. Ich hatte Glück
Der alte Mann ist nie mehr vorbeigekommen...er hat  mir weitergeholfen.
Alle anderen Dorfbewohner die ich ansprach wußten von NICHTS...nur dass der ALTE etwas sonderbar im Kopf sei.

Inzwischen hat fast jeder Acker an diesem "verschollenen, sonderbaren Weg" eine Bodendenkmalsignatur.
Und die Archäologen können es nicht erwarten die dunkle Zeit der angeblichen Nichtbesiedlung  zwischen Spätlaténezeit und Frühmittelalter , in unserem Raum, mit dinglichen Zeugen zu belegen.
Hier glaube ich liegt eine solche Nahtstelle....meine erste und einzige bisher.

Er sah mir lange zu.... und wollte lieber reden...erzählen....dann fuhr er seltsam rüstig weiter
Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.

Loenne

#1
Mein lieber Eddi,

ich weiß nicht, von welchem Stern Du gekommen bist, aber Du solltest für die Zukunft einmal darüber nachdenken ein Buch zu schreiben. Das Thema ist eigentlich nebensächlich, weil es einfach unheimlich Spaß macht, Dir zuzuLESEN. Von den meisten Dingen, von denen Du hier berichtest, verstehe ich eh nur die Hälfte, aber ich schaue hier nur schon deshalb rein, weil ich Deinen Zeilen LAUSCHEN möchte.

Vielen Dank dafür!

Gruß
Loenne
Mundus vult decipi, ergo decipiatur
www.scheibenknopf.de                

clemens

Loenne: Es ist mir beim Lesen eher wohlige Gänsehaut als Spaß, aber ich stimme Dir vollinhaltlich zu.
Silex:  ...Danke. Diese Übergangszeit von Völkerwanderung zu FMA ist sehr schwer auszumachen, auch ich habe nur eine Handvoll Belege, allesamt Keramik. Deine Beschreibung passt fast 1:1 zu meiner besten Fundstelle, wüsste ich nicht dass uns hunderte Kilometer trennen ich würde auf "meinen" Feldern nach Dir Ausschau halten.
Mit besten Grüßen
Clemens

Silex

Danke! Freunde!
Leider müssen wir davon ausgehen, wie ihr bestimmt auch schon angedacht habt,  dass "unser" alter Freund keine rüstig-traurigen Spazierfahrten und Abgänge mehr radeln kann...und der GROSSE ABGANG Ihm hoffentlich einen friedensreichen Abschied gegönnt hat. Sein Fahrrad war blitzblank und ohne Rostanflug....von der Kette glänzte es sattölig, vielspektralfarbig....es wäre ein Museumsstück ...gewesen...denn ich ahne wo es jetzt gelandet ist.
Ansonsten  band er noch Reisigbesen und flocht Körbe aus Weidenruten. Den Rest hab ich vergessen und nicht nachgefragt....leider
(Fast an jedem Suchort ereignen  sich Begegnungen. Es ist mir in vielen Jahren immer mehr aufgefallen dass hauptsächlich  Kinder, Alte, "Hilfssheriffs", Behinderte und Sonderlinge den Mut haben zu fragen was man hier eigentlich veranstaltet...denn sie müssen annehmen  dass der Mann auf dem Feld auch nicht so recht in die Alltagsnormalität passt....ein seltener Glücksfall für beide "Parteien"- außer bei den Sheriffs ).

Hier noch denkbare Wüstungsanzeiger aus einer Zeit in der die Erfahrung der Alten wahrscheinlich noch verehrt wurde- weil wohl nutzbringend- die Grundtendenz des Menschlichen  ist -nach wie vor- auf Eigennutz geeicht. Mit allerlei Verbrämungen zuweilen.

Die kleine Scherbe mit der mittigen Rille im oberen Randbereich ist meine erste dieser Art. Für Flüssigkeiten sehr unpraktisch ...und sonstens kann es eigentlich auch nur auf "Schnickschnack" beruhen. Mode vielleicht. Habt ihr eine Ahnung?

Bis bald


Edi

Die Hoffnung trübt das Urteil, aber sie stärkt die Ausdauer.