Der Beleg eines 5-rippigen spätlaténezeitlichen Glasarmringes mit hoher Mitte

Begonnen von thovalo, 05. Juni 2015, 23:16:49

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thovalo



Die spätlaténezeitlichen blauen Armringfragmente mit 5 Rippen sind am rechten Niederrhein charakteristisch. Dieser Fundbeleg fand sich am vergangenen Sonntag auf einer glazialen Dünenbildung an einem kleinen Flüsschen bei Düsseldorf.

Es handelt sich um eine Variante mit flachen seitlichen Rippen und hoher Mittelrippe. Die Dorsalpartie der Mittelrippe ist leider rezent in einem langen "Splitter" dem Verlauf nach ausgeschlagen.
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo



Im Korpus sind im Gegenlicht charakteristische eingeschlossene "Blasen" erkennbar  :glotz:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

thovalo



Auf der Innenfläche sind ebenfalls charakteristische horizontal verlaufende Stries sichtbar.


Deutlichere Produktionshinweise sind aus dem Bayerischen Oppidum von Manching überliefert. Prof. Dr. Joachim postulierte für den linken Niederrhein eine eigenständige Produktion, jedoch ohne einen einzigen faktischen und wissenschaftlich fundierten Beleg in Form eines Glashafens, Fundbelege von Rohglasmasse, Produktionsreste oder durch Werkzeuge.


In den Niederlanden sind inzwischen auch tausende Fragmente dokumentiert (Peddmors et al.) doch auch von dort liegen keine tatsächlichen Belege für Produktionsstätten vor. Sekundär erhitzte und zu kleinen Ringen gebogene Glasarmringbruchstücke belegen eher  ein mühevolles Recycling des raren Werkstoffs, jedoch keine Produktion.



Im Norden der Stadt Düsseldorf sind Belege der spätlaténezeitlichen Glasarmringe mit D-förmigen Profil in "bernsteinfarbig", purpur und blau und einmal grün, mit und ohne gelber Fadenauflage, 7 -, 5- und 3- rippige Glasarmringe in Blau (ein 3-rippiges Exemplar mit einer weißen Fadenauflage auf der Mittelrippe) charakteristisch.

Sonderfunde sind eine Miniaturform mit D-förmigen Profil in schwarz (dunkel-purpur = Farbwirkung schwarz) und einem Abschnitt einer gelb-opaken Glasfadenauflage, solche kleinen Exemplare werden meist das als Ohrringgehänge interpretiert, sowie ein Ringbeleg in blau mit diagonal eingestochenen Dekor auf der Mittelrippe. Einstichverzierte Ringe sind europaweit insgesamt nur selten vertreten und dürften in nur einigen wenigen Werkstätten hergestellt worden sein.


Der neue Fundbeleg verdichtet der Fundbelege des farbenfrohen Glasschmucks in einer hier gelegenen spätlaténezeitlichen Siedlungskammer in der wohl die Eisenproduktion zu einigen Wohlstand geführt hat.



lG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Heino

Hallo Thomas,
die letzten Untersuchungen von Rohglas scheinen ja eine einheimische Produktion des Glases in dieser Zeitspanne eher auszuschließen. Die Qualität des
Glases ist bei meinen, wie auch bei allen anderen Ringen die ich gesehen habe, hervorragend. Auch die hervorragende technische Ausführung der Produktion unterscheidet sich kaum, egal wo der Fundort der Ringe ist. Was sich unterscheidet sind die Typen von Ringen in den unterschiedlichen Regionen.
Ich könnte mir vorstellen das es eine Handvoll Familien von hoch spezialisierten Handwerkern gab, die einen festen Produktionsort hatten, wie zum Beispiel Manching, die aber auch weit entfernte Marktorte besuchten um vor Ort Ringe herzustellen, die in der jeweiligen Region bevorzugt wurden.

Gruß Heino

thovalo



Prof. Dr. Joachim (einst LVR) hat kurz vor der Pensionierung eine solche laténezeitliche Glasarmringproduktion bei Niederzier als gegeben publiziert und das ohne jeden handfesten Beleg. Dem gegenüber vertrete ich die Annahme, dass solche Ringe ein weithin nachgefragtes Tauschprodukt gewesen sind. Wie es Millionen von Glasperlen seit dem 16. Jh. von Europa nach Afrika und Amerika als Tauschgut geschafft haben, ist für mich auch gut vorstellbar, dass gerade die ja im Rheinland weit überwiegend vertretenen einfacheren Formen, zu Dutzenden gebündelt, leichthin zu transportieren gewesen sind und über Rhône, Mosel und Rhein an den Niederrhein gelangen konnten. In der Verteilung in meiner Region ist fast zu vermuten, dass diese Ringe für einen kurzen  Zeitraum von zwei oder drei Generationen, zur allgemeinen Tracht der Frauen in der damaligen Zeit gehört haben.

Es gilt in der Wissenschaft die Annahme, dass es kleine Werkstätten gewesen sind in denen das Wissen über die Zusammensetzung der Glasmasse, deren Färbung und über die Ausführung der Ringe als "Werksgeheimnisse" nur wenigen Menschen anvertraut gewesen sind. Bei Cäsars Eroberungen die enorm vielen Menschen das Leben gekostet haben sollen, seien diese Werkstätten mit dem Tod der Handwerker zugrunde und deren Wissen mit ihnen verloren gegangen sein. Da ist durchaus was dran, denn die Römer schätzen besonders handwerkliche Spezialwissen. Wer sich mit römischen Gläsern beschäftigt kann nur über deren Vielfalt und besondere Techniken, bis hin zu Diatretgläsern, staunen. Was sie jedoch nie beherrschten war die Herstellung nahtloser Armringe. Die Auflage von opaken farbigen Glasfäden auf transluziden Glas war einen Spezialausführung römischer Glasmeister in Köln. Vielleicht ist diese besondere Technologie noch ein letzter Nachhall keltischen Wissens zur Glaskunst.


glG Thomas  :winke:
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.

Nanoflitter

Da kribbelts, wenn man so was blaues auf dem Acker glänzen sieht! Gratuliere!
Gruss...