Mit diesem Petschaft stimmt was nicht

Begonnen von St. Subrie, 05. Dezember 2011, 19:41:09

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St. Subrie

Ist es denn überhaupt eines?

Guten Abend,

heute diese Stück gefunden auf einem gepflügtem Feld (gerodeter Weinberg), Südwesteuropa. Sieht aus wie ein Petschaft mit Wappen : Oben ein Feld mit drei Lilien, darunter links ein Lothringer-Kreuz, rechts ein Schlüssel mit Bart nach oben und links. Keine Umschrift.
Ich nehme an, das Stück ist aus Kupfer, ziemlich dick (0,4mm) und schwer. Wäre eine schöne Petschaftplatte, das Wappen müßte zu identifizieren sein.

Was mich daran stört ist das Bild, es ist positiv. Dachte bisher, daß die Platte immer negativ ist und erst beim Abdruck das positive Bild erzeugt. Habe mal einen Abdruck gemacht, das sieht schon merkwürdig aus, das negative Bild.

Also : Ich zweifele daran, daß es sich um ein Petschaft handelt. Was sonst käme aber in Frage? Eine Befestigungsmöglichkeit sehe ich auf der Rückseite nicht. Könnte es sich um so etwas wie ein Spielstein aus Metall handeln? Alle meine Erklärungsversuche klingen schon für mich selbst abenteuerlich. Und über die Entstehungszeit habe ich noch garnicht nachgedacht.

Beste Grüße

St. Subrie

andreasluecke

Wie wäre es mit der Einlage eines "Siegel"rings... das heißt nicht, dass damit tatsächlich gesiegelt wurde. Wenn man so will eher ein Wappen-Ring.

St. Subrie

Mein Gott bist du schnell, Andreas, nicht mal eine Minute !
Siegelring, durchaus möglich, das wäre dann aber ein ungemein schwerer, klobiger Ring! Kennt jemand Beispiele für solche Kaventsmänner ?
Gruß
St. Subrie

Tomcat

Lässt sich hier soetwas wie ein extravagantes Münzgewicht ausschließen?

mfg
Tct
Life burns!

stratocaster

Ich muß mal eins loswerden:
Du findest echt tolle und interessante Sachen
und bist eine wirkliche Bereicherung für das Sucherforum  :super:

Gruß  :winke:

:ildf:
Das Sucherforum dankt all denen,
die zum Thema nichts beitragen konnten
und dennoch geschwiegen haben !

andreasluecke

Zitat von: stratocaster in 05. Dezember 2011, 20:05:59
.. bist eine wirkliche Bereicherung für das Sucherforum  :super:

Kann man sich nur anschließen!  :winke:


Meine Schnelligkeit vorhin hat aber auch dazu geführt, dass ich die Größe nicht ausreichend bedacht habe. 2 cm wäre zwar groß aber durchaus noch möglich!

Für ein Münzgewicht finde ich es ehrlich gesagt, wirklich zu groß. Kenne die so groß nicht, eher dann dicker.
Zudem sagt mir das Wappen gar nichts.

Der Rand und das erhabene Plateau könnten hier vielleicht ein Hinweis darauf sein, dass es eingefasst war. Das würde dann für einen Ring oder Amulett oder ähnliches sprechen.

St. Subrie

Danke für die Blumen, darüber freue ich mich !
Allerdings, das sollte man nicht vergessen, ich habe als Ruheständler sehr viel mehr Zeit als die meisten anderen. Und eine verständnisvolle Frau. Und  sehr viele Nachbarn, Freunde und Bekannte mit Feldern und Weinbergen, die jedenfalls interessiert, öfters aber geradezu leidenschaftlich an der Arbeit unserer Sektion Geschichte und Historisches Erbe anteil nehmen (vor einigen Tagen schlug jemand von sich aus vor, doch auch mal seine Weinberge anzusehen, der Mann hat 100 Hektar Rebfläche !). Und eines der besten und leichtesten Geräte. Und, ganz entscheidend, eine Landschaft, die geradezu Geschichte atmet, die ununterbrochene Geschichte vieler tausend Jahre, man spürt sie intensiv.
Und wenn wir schon off-topic beim Danken sind, warum, glaubt Ihr, lümmele ich ständig im Forum herum? Wegen Euch, Euerer Hilfsbereitschaft und Euerer Fachkenntnisse und oft genug auch Euerer Freundlichkeit. :Danke2:

So, auch ich mußte jetzt was loswerden.

Wie immer beste Grüße

St. Subrie


St. Subrie

So, in Sachen Wappen :

Patriarchalkreuz / Erzbischöfliches Kreuz ,habe ich wohl (im vorliegenden Zusammenhang) fälschlich Lothringer Kreuz genannt :
http://www.kunstdirekt.net/Symbole/symbolkreuz.htm

Wappen der Vizegrafschaft Narbonne, die bis 1447 bestand, Schlüssel links, Kreuz rechts
http://www.euraldic.com/txt_vbh086_narbonne.html


Und jetzt schaut Euch mal das Wappen der Erzbischöfe von Narbonne an, Schlüssel links, Kreuz rechts
http://bibliothequedebayeux.forumperso.com/t36-blasons-des-archeveche-du-royaume

Auf dem vorliegenden Stück (mit positivem Bild) befindet sich aber das Kreuz links und der Schlüssel rechts. Schauen wir jedoch auf den Abdruck (mit negativem Bild) , ist wie oben der Schlüssel links und das Kreuz rechts.

Vielleicht verkompliziere ich das alles unnötig, es scheint jedoch vieles  auf das Wappen der  Erzbischöfe von Narbonne hinzudeuten, die im gesamten spanisch/französischen Grenzgebiet begütert waren, wobei sich die Grenzlinien bis zum Pyrenäen-Frieden unter Louis XIV jahrhundertelang oft und deutlich änderten.
Werde versuchen zu recherchieren, ob Erzbischof oder Domkapitel von Narbonne im Umkreis des Fundortes begütert waren.

Gruß
St. Subrie


Bert

Hallo,

ich glaube nicht, dass dieses Teil zum Siegeln oder für ähnliche Tätigkeiten gedacht war, da das Bild positiv dargestellt ist. Ein Abdruck erzeugt dann eine eingetiefte Darstellung, was für ein Siegel sehr ungewöhnlich wäre. Am ehesten könnte ich mir noch eine Art Spielstein vorstellen.

Adios, Bert

RichardJ

Sind auf der Rückseite irgendwelche Befestigungsspuren (Lötspuren?) zu erkennen`? Vielleicht handelt es sich um einen Besatz von irgend etwas?

St. Subrie

Ich habe das Stück absichtlich nur wenig gereinigt, so daß verkrustete Flächen gewissermaßen als "Kontrast" erhalten blieben und die "Lesbarkeit" erleichtern. Auf der Rückseite ist das aber nicht nötig, werde sie gründlich reinigen und auf Lot o.ä. prüfen. Positives Ergebnis wird berichtet.
Gruß
St. Subrie

insurgent

Könnte der Wappenbeschlag von einer Tasche sein.

Schönes Stück
Meine Bodenfunde werden gemeldet

St. Subrie

#12
Guten Abend,

wir sind uns scheint's alle einig, daß es sich bei dem Stück nicht um ein Petschaft handelt.

Nach Meinung des Insurgenten könnte es sich um den Wappenbeschlag einer Tasche handeln.
Bert kann sich eine Art Spielstein vorstellen.
Andreas sieht das über einen Rand erhabenen Plateau als möglichen Hinweis auf eine Einfassung, was dann für einen (voluminösen) Ring oder Amulett oder ähnliches sprechen würde.
Tomcat stellt die Frage, ob sich ein extravagantes Münzgewicht ausschließen lasse.
Richards Frage nach möglichen Lötspuren auf der Rückseite beantworte ich nach genauer Untersuchung mit der Lupe negativ.
Das Wappen ist mit einiger Wahrscheinlichkeit den Erzbischöfen von Narbonne zuzuordnen.

Zusätzlich möchte ich nach nochmaliger, eingehender Betrachtung des Stücks auf eine weitere Beobachtung hinweisen :

Andreasens Hinweis auf den Rand, der das darüber erhabene Plateau umschließt, ist zu ergänzen. An den oberen Ecken und  in der Mitte unten geht das Plateau nahtlos ohne Rand in die Grundplatte über. Der Rand ist hier unterbrochen. In etwa zu sehen auf Fotos 1 und 3. Ich kann natürlich nicht ausschließen, daß dies für eine bestimmte Form einer Fassung notwendig war.  Wenn ich das Stück  in der Hand halte und hin und her wende, habe ich aber eher den Eindruck,  daß erst durch diese Unterbrechungen des Randes das Plateau, also das Wappen  die typische Form eines Wappenschildes annimmt. Weiter bringt uns das nicht. Da wären wohl schon Beispiele für ähnliche Taschenbeschläge, Spielsteine, Ringe usw. nötig.

Was aber noch möglich wäre, sind Einschätzungen zum Alter des Stückes. die letzlich auch die Richtung bestimmen würden, in die der Beitrag zu verschieben wäre, denn ein Petschaft oder Siegel ist es ja nun nicht. Um solche Einschätzungen möchte ich Euch bitten und wage selbst mal einen Einstieg :

Hochmittelalter oder Spätmittelalter. Für genauere Festlegung fehlen mir die Argumente. Eine spätere Zeit würde ich für mich ausschließen und begründe dies mit der Form von Schlüssel und Kreuz auf dem Wappen der Erzbischöfe, wie sie im Link oben dargestellt sind. Dort sehe ich Elemente der Renaissance und später. Die Formen auf unserem Stück sind deutlich flächiger, einfacher. Sie wirken auf mich älter, weniger verspielt.
Falls meine Zuordnung des Wappens nach Narbonne sich als falsch erweisen sollte, zeigt mir die Richtung nach Canossa.

Beste Grüße

St. Subrie







IVVECVO

...... denke die Lösung des Stücks ist recht einfach ....
es handelt sich um eine Plakette aus dem 15. Jh.

         Gruss  Juv

Ps. Falls es schon einer geschrieben hat dann sorry ,
hab nicht alles gelesen .

StoneMan

Zitat von: St. Subrie in 05. Dezember 2011, 23:28:03
Ich habe das Stück absichtlich nur wenig gereinigt, so daß verkrustete Flächen gewissermaßen
als "Kontrast" erhalten blieben und die "Lesbarkeit" erleichtern. ...
Moin,

dafür bekommst du von mir einen Sonderpunkt  :super:

Und gerne bekommst Du auch von mir ein paar  :Danke2: :Danke2: weil Du hier bist und
immer wieder sehr interessante Fundbelege zeigst.

Gruß

Jürgen
Was könnte wichtiger sein als das Wissen? fragt der Verstand.
Das Gefühl und mit dem Herzen zu sehen, antwortet die Seele.
Antoine de Saint-Exupéry

St. Subrie

Vielen Dank an IVVECVO und besonders auch an StoneMan für die freundlichen Worte !

Eine Plakette des 15. Jahrhunderts. Das ist ja mal was. Muß aber einräumen, das ich (noch) keine Ahnung habe, welchem Zweck solche Plaketten dienten, an welchen Objekten sie angebracht wurden und wie das geschah. Versucht mal selbst, bei Google etwas vernünftiges zu "Mittelalterliche Plakette" zu finden, ist garnicht so einfach bei all den modernen Plaketten, hat ja jeder schon ein paar auf der Windschutzscheibe.
Könnte vielleicht ein Kundiger ein paar Stichworte liefern oder einen Link wenigstens?

Beste Grüße

St. Subrie

IVVECVO

.....Plakette : ist ein Relief von vorwiegend kleinem Ausmass ,
von rechteckiger , quadratischer , ovaler oder runder Form .
Meist aus Messing oder Blei . Bildthemen : religiös , mythologisch ,
Porträts usw.

Mögliche Verwendung Deines Stücks : Da es sich um eine
Wappenplakette handelt könnte diese an z. B. in Sold stehende
Personen des Wappenführers vergeben worden sein . Es gibt
aber auch andere Verwendungszwecke .

Ich nehme an die Plakette entstammt der italienischen oder franz.
Frührenaissance ( 15. Jh. ) was ich hauptsächlich an den breit an -
gelegten , reliefierten Wappenteilen festmache . Änlich grob sind z.B. 
die Wappen , die auf den Papstringen des 15. Jh. zu finden sind .

             Gruss  Juv 

St. Subrie

Danke, edler Juv ! Jetzt kann ich gezielter weiterrecherchieren. So weit war ich von Deiner Datierung offenbar garnicht weg, Spätmittelalter und Frührenaissance, da ist der Übergang fließend, wobei meines Wissens auch geographische Unterschiede zu berücksichtigen sind.

Übrigens habe ich heute von mehreren Seiten bestätigt bekommen, daß es sich um das Wappen der Stadt und der Erzbischöfe von Narbonne handelt.
Ein Mitstreiter in unserer Sektion Geschichte und Historisches Erbe will einen Bekannten, einen Historiker mit Schwerpunkt Mittelalter, für die Sache interessieren. Da hätten wir dann weitere Hilfe.

Beste Grüße

St. Subrie

IVVECVO

..... wie ich lese bist Du ja schon fleissig am Forschen ...

Vorgang wie folgt :

1) Bestimmen des Adelsgeschlechts
2) Zeitfenster , vermtl. 1420 - 1450 ..... dadurch erhälst Du
3) Namen der Person/en ..... die in welcher
4) Stadt ..... residierten
5) Mit sehr viel Glück kommst Du dann auf den Formenschneider ,
    Giesser ? der das Stück hergestellt hat .

    Ende der Forschung

            Gruss   Juv

St. Subrie

Guten Tag,

bei Recherchen zu einem Münzgewicht   http://www.sucherforum.de/index.php/topic,58266.0.html  stieß ich auf eine Abbildung, die mich direkt wieder zu diesem hier schon vor lägerem diskutierten  Objekt gebracht hat
http://poidsmonetaires.over-blog.com/30-categorie-10580024.html   (2. Objekt von oben)
Was haben wir damals alles in Erwägung gezogen und lagen am Ende dennoch falsch, jedenfalls in Bezug auf die Natur des Objekts. Herkunft aus Narbonne war völlig richtig, aber keine Plakette, sondern ein Prüfgewicht  (Poids de ville, Münzgewicht?) der Stadt von 1 Once =  23 Gramm. Davon sind 21 verschiedene Formen aus der Zeit von 1595 bis 1679 bekannt.
Mir ist aber immer noch unklar, ob es sich bei 23 Gramm um ein Münzgewicht zur Prüfung mehrerer Münzen auf einmal (gibt's sowas überhaupt?) handelt, oder ob damit ganz allgemein das angegebene Gewicht leichtgewichtiger Ware geprüft wurde.
Übrigens, wenn es denn ein Münzgewicht sein sollte, unser Tomcat war schon sehr früh auf der richtigen Spur (s. oben).
Und, sollte man jetzt nicht doch besser verschieben nach "Gewichte, Münzgewichte" ?

Viele Grüße

St. Subrie

Tomcat

Ui, das würde mich freuen!
Leider mus ich jedoch gestehen, dass das kein Fachwissen von mir war, sondern ein auf Ahnungslosigkeit begründeter Schuss ins Blaue ...
Aber wie sagt man noch gleich? Auch ein blinder Trinker findet mal einen Korn.
Poids de Ville würde ich allerdings nicht als Münzgewicht verstehen, sondern als allgemeines Handelsmaß- ist aber wieder nur ins Blaue geschossen, weil ich leider bekennender nicht-Französischsprecher bin.
mfg
Tct
Life burns!

insurgent

Würde jetzt auch von einem Handelsgewicht ausgehen. Könnte von einem Marktprüfer sein oder Gewichte, die die Stadt an die Händler verkauft hat.
Meine Bodenfunde werden gemeldet

slowfood

Was wiegt es denn? Wenn wir das wissen, können wir auch feststellen, ob das ein Stadtgewicht sein kan.
Von der Form her jedenfalls denkbar.

slowfood
But thou, O Daniel, shut up the words and seal the book, even to time of the end; many shall run to and fro, and knowledge shall be increased.

St. Subrie

Das oben abgebildete Vergleichsstück wiegt, wie dort angegeben,  23 Gramm. Wegen des gefundenen Stückes muß ich erst die Freunde in "Südwest" kontaktieren, es liegt ja vor Ort in unserem "Fundarchiv".  Bin zur Zeit in D. Melde mich wieder.
Gruß
St. Subrie

slowfood

#24
Na, jedenfalls sind diese Stadtgewichte (poids de vile) keine Münzgewichte, sondern wohl Handelsgewichte. Die gibt es dann bin hin zu einer Mark oder dem doppelten der Mark, einem Pfund.
Und da es auch in Frankreich lange unterschiedlichste Maße und Gewichte von Stadt zu Stadt gegeben hat, gabe es recht viele verschiedene dieser Stadtgewichte. Sehr schöne Stücke zum Teil und manche werden auf Auktionen recht teuer gehandelt.

Münzgewichte für mehr als eine Münze gab es im übrigen auch, in Venedig zum Beispiel oder in Katalonien und Arragon. Im letzteren Fall bis hinauf auf fünfzig Goldmünzen einer Sorte.

slowfood
But thou, O Daniel, shut up the words and seal the book, even to time of the end; many shall run to and fro, and knowledge shall be increased.