Anhänger noch nie gesehen

Begonnen von pevo, 16. Juni 2005, 22:50:22

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pevo

Hallo Suchergemeinde,
vor etwa einem Jahr kam dieses, wie ich meine sehr schöne Stück unter meine Sonde.
Bis jetzt konnte mir noch niemand etwas über die Zeitstellung und deren Verwendungszweck sagen.
Auch die seltsamen Schriftzeichen konnte mir niemand entzifferen bezw. deuten.
Aber vielleicht kann mir jemand von euch weiterhelfen?

Ach ja die Masse sind 45X42mm; Dicke ca.1-2mm / Material Kupferlegierung

Gruss an euch alle von
pevo

Gratian

Hallo pevo,

bei der Betrachtung dieses außergewöhnlichen Anhängers fällt sofort das ikonenhafte der Komposition auf.
Der äußere Rahmen, die Schriftzeichen und die Ausführung der Muttergottes mit Kind lassen auf östlichen Einfluß schließen.

Und in der Tat handelt es sich hier um die Abbildung einer auf Ikonen häufig zu findenden Darstellung der Muttergottes von Vladimir, die wohl bekannteste Variante der Madonna Eleousa.

Aus dieser hohen spirituellen Zielsetzung der Ikonen ergab sich bereits früh eine Typisierung der Darstellung: Als erster und vornehmster Ikonenmaler gilt der Evangelist Lukas selbst. Auch der Typos der Madonna Eleousa, der barmherzigen Gottesmutter, die sich in inniger Verbindung mit dem Kind dem Betrachter zuwendet, soll zuerst von Lukas geschaffen worden sein. Die Kunsthistoriker gehen davon aus, daß dieser Typos zunächst in Syrien zwischen dem 5. und 6. Jahrhundert auftauchte. Die älteste erhaltene Darstellung einer Madonna Eleousa ist eine Elfenbeinstatue aus dem 9. Jahrhundert.

Im 12. Jahrhundert war der Typos bereits in ganz Rußland verbreitet. Der Typos der Madonna Eleousa zeigt Mutter und Kind in inniger Umarmung. Das Kind schmiegt seine Wange an das Gesicht der Mutter, mit der Hand umfaßt es häufig ihren Hals. Die tiefe Innigkeit zwischen Mutter und Kind ist jedoch nicht ungebrochen: Der Blick der Gottesmutter wendet sich dem Betrachter zu und zieht ihn in das Beziehungsgeschehen hinein. In ihren mandelförmigen Augen steht eine tiefe Melanchonie, die das Drama der Passion vorwegnimmt: In den zarten Gesten des Kindes ist bereits der Retter der Welt gegenwärtig, der die Erlösung am Kreuz vollbringt.

Die sogenannte Gottesmutter von Vladmir wurde vermutlich um das Jahr 1131 in Konstantinopel von einem griechischen Künstler gefertigt und gelangte als Geschenk des byzantinischen Hofes zunächst nach Kiew. Von dort wurde sie durch Andrej Bogoljubskij 1155 geraubt und nach Vladimir geschafft, wo sie ihren Beinamen ,,Vladimirskaja" erhielt. 1395 wurde sie schließlich in die Himmelfahrtskathedrale von Moskau verbracht und galt fortan als Patronin des moskowitischen Staates und Schützerin Rußlands.

Die Schriftzeichen bedeuten oben links "Maria" unten links "Jesus". Zeitstellung 17. Jahrhundert.
Gut Fund!   :engel:
Gratian

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pevo

Guten Morgen Gratian

ganz herzlichen Dank für deine interessante Info und für deine promte Antwort.
Eine Frage hätte ich noch:
Trug man solch einen Anhänger um den Hals? Irgendwie scheint er dafür doch etwas gross zu sein
und die Öse hat einen sehr kleinen Druchmesser.

Einen schönen Tag wünscht dir/euch
Pevo 

Gratian

ZitatTrug man solch einen Anhänger um den Hals?

ich denke nicht (ist wirklich ein wenig wuchtig) die eckigen Kanten sind für einen Halsanhänger und auch für einen Rosenkranzanhänger eher untypisch weil unpraktisch (Verletzungsgefahr und standiges Hängenbleiben)....vielleicht ein Andenken das man an einem Hut oder der (Pilger-)kleidung befestigte. So wurden im Mittelalter Pilgerabzeichen getragen. Dagegen spricht aber das vorhandensein nur einer Öse. Kannst du mal auch eine Seitenansicht der Öse senden?
Gut Fund!   :engel:
Gratian

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pevo

Guten Abend Gratian

hier sind zwei Seitenansichten der Öse. Noch einige Informationen über den Fundzusammmenhang. In der Nähe des Fundortes
fand im Jahre 1799 eine Schlacht der frnzösischen Truppen gegen eine Allianz von Österreichern und Russen statt.
Eventuell ist der Anhänger während dieser Zeit verlorengegangen? Vielleicht war er ja ein "Glücksbringer" für einen russischen Soldaten
der ihn da verloren hat.

Herzliche Grüsse von
pevo


Tomcat

Haltet Ihr es für möglich, dass früher auch Pferden solche Anhänger am Zaumzeug umgehängt wurden?
Ich habe auch ein altes Altöttinger Medaillion gefunden, bei dessen Größe und Gewicht ich am menschlichen
Hals zweifle...

wild vermutend,
Tomcat
Life burns!

Gratian

Durch aus möglich - warum nicht.

Kann mir gut vorstellen das man auch Tiere (die ja kein unbedeutendes Wirtschaftsgut waren) vor Unheil aller Art schützen wollte und sie mit entspechenden unheilabwehrenden Anhängern ausstattete.

Gut Fund!   :engel:
Gratian

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